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Wenn Tradition nichts mehr zählt
ОглавлениеMit der Insolvenz des Quelle-Versands gewinnt der Strukturwandel im deutschen Versandhandel an Fahrt. Denn im Online-Handel herrscht weiter Goldgräberstimmung. Der E-Commerce hat dem Versandhandel einen ungeahnten Boom beschert und den Gesamtmarkt seit Mitte der 90er Jahre um 36% wachsen lassen -von 21 Mrd. Euro auf 28,6 Mrd. Euro (2008).
Nur die angestammten Versender konnten davon nicht profitieren, ganz im Gegenteil: Ihr Umsatzvolumen schrumpfte im selben Zeitraum von 21 Mrd. Euro auf 16,6 Mrd. Euro, und die Marktanteile sinken beständig weiter - von 67% im Jahr 2006 auf 63% im Jahr 2007 auf zuletzt 58%.
Vor allem der Katalog hat sich zum Klotz am Bein entwickelt, der sämtliche Online-Bemühungen von Otto, Quelle & Co. zunichte macht. Zwar können sich die Katalogversender auf unzählige Multi-Channel-Studien berufen, die belegen, dass Kunden, die über mehrere Kanäle kaufen, die umsatzstärksten sind. Und wenn sie ihre Kunden fragen, möchte das Gros von ihnen das Internet auch weiterhin am liebsten ausgedruckt als Katalog nach Hause geschickt bekommen. Je öfter, desto besser. Doch rechnet sich soviel Kundenservice für die Versender zunehmend weniger.
Dabei ist das Festhalten am Katalog sicherlich nur ein Teil des Problems. Weitaus schwerer dürfte wiegen, dass die Traditionsmarken online nichts mehr zählen. Zu diesem Ergebnis kommt ausgerechnet die Trendstudie „Webshopping 2009“, die Quelle noch im Mai vor der Insolvenz herausgegeben hat.
Der zufolge legen zwar viele Online-Shopper beim Kauf Wert auf Sicherheit (25%) und auf die Seriosität (19,3%) des Anbieters. Erschreckend niedrig liegen allerdings die Werte für „Bekanntheit des Shopanbieters“ (4,5%), „Identifikation mit der Marke“ (2,8%) und „bestehende lange Bindung an den Shopbetreiber“ (2,4%).
Für Quelle, Otto und Neckermann hat dies zur Folge, dass die angestammten Kunden online schneller bei der Konkurrenz kaufen als sie selber die Preise senken können. Es erklärt aber auch, warum kleine Anbieter immer noch so rasant nach oben kommen können. Oder wer hätte gedacht, dass sich binnen weniger Jahre ein 8 Mrd. Euro Markt für rein elektronische Versender bilden könnte, der neben Amazon und Ebay im wesentlichen von No-Name-Händlern wie Redcoon, Delticom oder Notebooksbilliger getrieben wird?
Für die drei großen Versandhäuser bedeutet dies. Ob mit oder ohne Katalog - auf Dauer kann maximal einer überleben. Es sei denn, es gelänge ihnen, die Vergangenheit über Bord zu werfen und sich online noch einmal komplett neu zu erfinden.