Читать книгу "Die Jagd, die Beute und der Tod" - Jochen Polanski - Страница 10
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Gegen Mittag trafen Brand und Paulsen im Duisburger Polizeipräsidium ein. Kollege Schwarze begrüßte sie in seinem Büro.
„Die Leiche ist in der Rechtsmedizin. Nehmen Sie sie mit nach Köln, damit sie endgültig identifiziert werde kann. Kommen Sie, ich bringe sie dorthin.“
Nachdem der Leichnam in einem Krankentransportwagen, gepackt in einem Zinksarg, gebracht worden war, fuhren die Kölner Kommissare in ihren Dienstwagen wieder zurück.
„Wir müssen die Eltern benachrichtigen, damit sie ihre Identität sicherstellen können,“ sagte Brand während der Fahrt, „rufe du sie bitte an, und bitte Sie, um 15 Uhr ins Präsidium zu kommen.
„Das mache ich,“ Paulsen nickte. „Tja, bei dem Fund konnte keinen Spuren vom Täter sichergestellt werden. Das wird schwierig.“
„Das denke ich auch.“
Pünktlich um 3 Uhr nachmittags traf das Ehepaar Stürmer in der Mordkommission ein. Die Überbringung der traurigen Nachricht hatten beide in Fassungslosigkeit gebracht, Gabi wollte es nicht wahrhaben, und Frank kamen das erste Mal die Tränen, bevor sie ins Auto gestiegen waren.
Gabi trug eine rote Winterjacke, rot war Nicoles Lieblingsfarbe gewesen, schwarze Jeans und ein schwarzes Sweatshirt. Frank war in verwaschener Bluejeans, einem weißen Hemd und schwarzer Lederjacke erschienen.
„Kommen Sie bitte herein, Frau und Herr Stürmer,“ Brand gab beiden die Hand, die Blässe im Gesicht der Frau war deutlich im Gegensatz zu vergangenem Dienstag, kein bisschen mehr von der gesunden Gesichtsfarbe und den klaren, wachen Augen war da.
„Sie haben unsere Tochter gefunden? Wo?“
„Sie wurde am Rheinufer von Duisburg entdeckt von einem Rentner, der heute morgen seinen Hund Gassi führte.“
„Können wir sie sehen?“
„Ja, das können sie. Aber ich muss ihnen gleich sagen, sie wurde in Duisburg autopsiert. Auf den ohnehin nicht schönen Anblick möchte ich Sie hinweisen.“
Dann betraten sie Leichenschauhalle. Die Kälte, die entgegenströmte, erfasste beide sofort. Gabi nahm Franks Hand, als sie sich ihre toten Tochter näherten.
Gabi blieb gefasst, als Brand das Leichentuch aufschlug. Und sie sah den bleichen aufgeweichten Leib, entstellt von einem dunklen Streifen.
„Was ist dass?“ fragte sie, „das ist Nicole! Was hat dieses Schwein gemacht?“ schrie sie verbittert. Frank packte seinen rechten Arm und ihre Schulter.
„Sie wurde mit Strom traktiert Der Schlag traf sie mit dem Sicherheitsgurt.“ Brand wusste, dass, wenn er das sagte, mit allen Reaktionen zu rechnen war.
„Ist sie...““ Frank stoppte mitten im Satz. „Ja, sie wurde Opfer eine Sexualverbrechens.“ Paulsen antwortete diesmal, sah die beiden an, erkannte die Verzweiflung und Trauer in ihren Gesichtern.
„Packen sie dieses Schwein, das unsere Tochter auf dem Gewissen hat. Packen sie diesen Perversen, und geben sie ihm die gerechte Strafe! Was sage ich da? Gerechte Strafe? Wollen Sie wissen, was der verdient hat?“ Franks Mund wurde von Gabis Hand zugehalten. „Beruhige dich, Frank. Wir müssen die Vernunft bewahren.“
„Du hast Recht, Schatz. Was hilft es, sich in etwas reinzusteigern, was nicht weiterhilft.“ Frank Stürmer nahm die Hand seiner Frau. „Komm, gehen wir.“ Gemeinsam verließen sie die Halle. Wieder im Kommissariat setzten sie sich.
„Frau und Herr Stürmer, die Ermittlungen werden nicht einfach, da wir bis jetzt keine Spur haben. Der Mörder hinterließ nichts bei seinem Opfer, was zu Beweisen nutzen könnte.“ Brand wartete bis die zwei etwas erwiderten.
Stürmer fing: „Kann es sein, dass wir es hier mit einem Triebtäter zu haben?, einer der weitere Opfer sucht und findet und dann niederstreckt?“
„Genau das befürchten wir. Es kann sich um einen Serienmörder handeln und seine wahrscheinlich erste Tat, auf die weitere folgen werden.“
„Solche Menschen sind krank,“ warf Gabi ein, „krank im Kopf, die haben doch kein Gewissen und keine Moral. Sie sind pervers, sie versuchen damit ihre Schwächen auszugleichen oder sie verarbeiten irgendein Trauma aus ihrer Kindheit.“
„Sie scheinen sich auszukennen, Frau Stürmer,“ sagte Jürgen Paulsen, er strich sich über seinen buschigen schwarzen Schnauzer, seine Augen hellwach, „ so oder ähnlich trifft das bei Serienkillern zu.“ Paulsen war vier Jahre jünger als Brand, also 48 Jahre alt, auch er war verheiratet, doch seine Ehe war glücklicher als die von Werner. Werners Frau, Sybille, konnte sich in all den Jahren nicht an seine Arbeitszeiten gewöhnen, auch nicht an seine Fälle, von denen er berichtete. Da war Jürgen besser dran, Sabine war 10 Jahre jünger, eine attraktive, sportliche Brünette, die sich mit Joggen, Schwimmen und Radfahren fithielt, und in den 16 Ehejahren war er froh, das er sie geheiratet hatte, dass er noch ein zweites Mal geheiratet hatte. Die kecke Frohnatur, die als zahnmedizinische Prophylaxehelferin berufstätig war, gab ihm die Kraft, die er für seine Arbeit brauchte und viele schöne Stunden.
„Man hört dies und das. Und was habe ich nicht alles darüber gelesen!.“ Das Thema schien abzulenken, sie war nicht mehr so niedergeschlagen.
„Sie sind doch Bürokauffrau,“ meinte Paulsen.
„Ja, kaufmännische Angestellte in der Buchhaltung. In meiner Freizeit lese ich Romane, auch schon mal das eine oder andere Sachbuch. Ich bin überzeugt, man sollte die Meinungsbildung nicht allein dem Fernsehen und den Zeitungen überlassen.“
„Da stimme ich ihnen vollkommen zu, Frau Stürmer,“ Jürgen Paulsen lächelte sie an, froh darüber, sie auf andere Gedanken gebracht zu haben. Werner Brand krümmte seine Augenbrauen hoch.
„Sie müssen jetzt Ruhe bewahren, nicht die Nerven verlieren. Ich versichere Ihnen, den Täter packen wir. Wenn eine zweite Tat folgt, davon gehen wir aus, wird es leichter sein, Spuren zu finden. Die Erfahrung zeigt, je öfter ein Täter zuschlägt, desto mehr Fehler macht er, desto eher hinterlässt er Spuren. Und es gibt schließlich solche, die es drauf anlegen, mit Spuren die Ermittler zu täuschen, mit ihnen einen Spiel zu treiben.“
Frank meinte dazu: „Ich sehe, sie werden das schon richtig in Angriff nehmen. Tun sie das Beste, was sie können. Das Schwein darf nicht mehr frei rumlaufen“
„Gut, ich würde sagen, das war es fürs Erste. Wir melden uns bei Ihnen, sobald wir eine Spur haben oder Genaues zum Tatvorgang wissen. Auf Wiedersehen.“
Die zwei Hauptkommissare verabschiedeten sich von dem Ehepaar.
Simone saß bequem auf dem Zweiersofa in ihrem Zimmer, eine molligwarme Decke über ihre Beine und den Oberkörper. Der CD-Player spielte Evanessense „Going under“ in moderater Lautstärke, nicht so, wie sie es sonst getan hätte. Es war Sonntagabend am 17. November. Während der vergangenen Woche versuchte sie diese Stille zu überwinden, wenn sie allein war. Lernte sie für die Uni, dann lief oft das Radio oder sie ließ eine CD abspielen. Es war mehr als ungewohnt, dass Nicole nicht mehr da war. Die Tatsache ihrer unwiderruflichen Abwesenheit quälte Simone. Dass jemand länger Zeit weg ist und man weiß: dann ist sie wieder da, war was anderes.
Sie überlegte, die Glotze kam nicht in Frage, auch keine DVD ansehen. Sie könnte kurz Sandra in Mainz anrufen, Doch schon klingelte ihr Handy.
„Mertens.“ Sie sah auf das Display: 21 Uhr 18.
„Gabi Stürmer! Guten Abend. Ich rufe Sie an, weil Nicole tot aufgefunden worden ist. Ermordet fand man sie in Duisburg im Rhein in einem Müllsack!“
„Das ist unfassbar!“ Simone hielt den Atem an. Sie hatte keine Zeitung gelesen. „Weiß man, ob es der Fahrer war?“
„Alles deutet darauf hin. Aber sind bis jetzt nur Indizien.“ Frau Stürmer sagte kurze Zeit nichts, dann: “mehr kann ich nicht sagen, Simone, halte den Kopf hoch und mache dein Studium zu Ende.“
„Das mache ich ganz bestimmt,“ ihre Stimme, klang nüchtern-sachlich, keine Spur von Traurigkeit. „Alles Gute, Frau Stürmer und ihrem Mann.“
Sie nahm das Handy aus der Hand, holte eine Flasche Rotwein aus der Küche, goss sich ein Glas ein, nachdem sie eine Zigarette angezündet hatte. Ihr Leben hatte einen Wendepunkt erreicht.