Читать книгу Was sich Gott dabei gedacht hat - Joel White - Страница 7

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Vorwort

Der Leser hat meiner Überzeugung nach das Recht zu wissen, mit wem er es zu tun hat, wenn er ein Buch in die Hand nimmt und dem Autor seine Aufmerksamkeit schenkt – ein Privileg, dessen sich der Autor erst als würdig erweisen muss. Ich unterrichte seit 20 Jahren im Fachbereich Neues Testament an der Freien Theologischen Hochschule in Gießen. Noch wichtiger: Ich bin seit mehr als dreißig Jahren mit Tatjana verheiratet, habe drei erwachsene Kinder und einen Enkelsohn.

Dieses Buch ist aus der Not, die ich in vielen Gemeinden und Kirchengemeinschaften in Deutschland gesehen habe, geboren. Viele von ihnen sind, wenn es um Sex geht, seltsam sprachlos geworden. Zu schnell sind die diesbezüglichen gesellschaftlichen Veränderungen über sie hereingestürzt. Sie haben mit der christlichen Lehre seit Jahrhunderten überlieferte sexualethische Positionen einfach übernommen und sich dabei nicht viel gedacht. Nun merken sie auf einmal, dass diese von ihren eigenen Mitgliedern infrage gestellt werden – von der Gesellschaft, die sich längst davon verabschiedet hat, ganz zu schweigen. Sie wissen oder meinen zu wissen, was die Bibel in sexualethischer Hinsicht lehrt, aber nicht, warum. Und sie spüren, dass Sätze wie »Das hat man immer so geglaubt« oder »Gott will das einfach so« auf die Fragen, die man früher nicht oder nicht offen gestellt hat, als Antworten nicht taugen.

Weil mir Ortsgemeinden am Herzen liegen, habe ich begonnen, Seminare zur biblischen Sexualethik anzubieten, und habe inzwischen viele verschiedene Gemeinden in Deutschland besucht. Überall spürte ich den Bedarf an fundierter biblischer Lehre und stieß dementsprechend auf viele Fragen. (Daran waren übrigens die Pastoren, die mich eingeladen haben, nicht schuld; sie leiden selbst darunter.) Was sagt die Bibel genau zu diesem Thema? Warum hat Gott das so gemacht? Dabei fehlte es nicht (oder nicht nur) an Kenntnis darüber, was die Bibel im Einzelnen lehrt, sondern vielmehr an einem theologischen Leitbild, das Gottes Plan für Sexualität sinnvoll erscheinen lässt. Die Begeisterung für die biblische Sexualethik, die ich empfinde, wenn ich mich mit ihr auseinandersetze, habe ich selten bei den Gemeindegliedern gespürt, zu denen ich für ein Seminar eingeladen war. Diese Begeisterung wollte ich ihnen unbedingt vermitteln.

So ist aus einer gelegentlichen Seminartätigkeit ein Buch geworden – eines, das aber nicht leicht in eine Schublade zu stecken ist. (Ich hoffe, dass dies nicht nur im übertragenen Sinne zutrifft!) Es ist kein Ratgeber für Christen, wie sie mit dem Facettenreichtum der geschlechtlichen Beziehung umgehen sollen. Es ist auch keine christliche Sexualethik, die ausführlich darauf eingeht, was in diesem Bereich geht und was nicht. Dieses Buch will so gründlich, wie es in einem überschaubaren Umfang möglich ist, und so verständlich wie möglich die biblische Lehre über Sexualität im Wesentlichen darstellen. Dabei steht vor allem eine Frage im Raum: Welche Bedeutung hat Sex aus der Sicht der Bibel? Oder mit anderen Worten: Was hat sich Gott dabei gedacht, als er den Menschen als geschlechtliches Wesen geschaffen hat? Welche Ziele verfolgt er dabei, und wie sollen wir uns in sexueller Hinsicht verhalten, wenn wir uns bewusst nach diesen Zielen ausrichten?

Das Buch ist in zwei Teile aufgeteilt. Im ersten Teil widmen wir uns diesen Fragen auf – wie ich meine – etwas ungewöhnliche Weise. Es geht darum, das biblische Narrativ über Sexualität zu entdecken und danach zu fragen, wie wir uns in dieses Narrativ einklinken können. Soziologen und Psychologen haben längst entdeckt, dass es Narrative – Erzählungen – sind, die unserem Leben Bedeutung und Sinn verleihen. Ganzen Zeitaltern liegen sogenannte »Metanarrative« zugrunde, und der einzelne Mensch orientiert sich stark daran. Auch das Sexualleben ist eingebettet in ein Narrativ, und je nachdem erscheint Sexualität dabei als wichtig oder unwichtig, erfüllend oder enttäuschend, sinnstiftend oder sinnlos. Ich bin überzeugt, dass das biblische Narrativ weitaus besser ist als das, das seit der Sexuellen Revolution in der westlichen Gesellschaft erzählt wird. Dem wollen wir in diesem ersten Teil nachgehen.

Im zweiten Teil wollen wir uns drei Themenbereichen widmen, welche gemeinsam haben, dass sie seit dem letzten Jahrhundert problematisch geworden sind: das Singlesein, Scheidung und Wiederheirat und Homosexualität. Diesbezügliche Ansichten, die über viele Jahrhunderte selbstverständlich waren, haben innerhalb kürzester Zeit ihre Überzeugungskraft eingebüßt. Die enormen gesellschaftlichen Veränderungen der Moderne sowie die Infragestellung vieler ihrer Normen in der Postmoderne haben bewirkt, dass sich die Stellung von Singles in der Gesellschaft radikal verändert hat. So beschreibt »bis der Tod uns scheidet« längst nicht mehr das unantastbare Verständnis von Ehe, und homoerotische Beziehungen haben einen Level an Akzeptanz erreicht, der noch am Anfang des 21. Jahrhunderts unvorstellbar gewesen wäre.

Das stellt Christen insbesondere der jüngeren Generation vor viele Fragen, und sie erwarten, dazu Antworten aus der Bibel zu bekommen. So wird in diesem zweiten Teil jeweils der biblische Befund zu diesen Themen untersucht und erste Impulse für die Praxis erwogen. Mir ist klar, dass das nur der Anfang sein kann: Christliche Sexualethik muss mit vielen Herausforderungen ringen, die bei der Umsetzung biblischer Lehre in einer ihr fremden Zeit und Kultur unausweichlich sind. Andere Autoren haben sich dieser Aufgabe gestellt und darüber gute Bücher geschrieben. Manche der hilfreichsten sind im Anhang aufgelistet.

Ich bin überzeugt, dass junge Menschen klare Antworten wollen. Mein Eindruck ist, dass sie mit der Art und Weise, wie sich konservative Christen – und dazu zähle ich mich (mehr dazu unten) – zum Thema Sex äußern, frustriert sind. Oft wird über solche Themen nicht deutlich, sondern »durch die Blume« gesprochen. Manche empfinden die harten Aussagen der Bibel insgeheim als peinlich, und viele Christen fragen sich, ob überhaupt und, wenn ja, wie man diese Inhalte in unserer Zeit glaubhaft vermitteln kann. Man hat manchmal das Gefühl, dass sich viele Christen für ihre eigene Sexualethik schämen. Begeisterung dafür kommt jedenfalls nicht auf. Dabei suchen gerade Jugendliche nach Antworten, denn sie leben in einer Zeit, die sie völlig auf sich allein stellt und ihnen keine Orientierung gibt. Das Motto unserer übersexualisierten Gesellschaft – »Alles geht« – befriedigt sie nicht mehr.

Ich bin evangelikaler Christ. Das heißt unter anderem, dass ich die Bibel als höchste Autorität für alle Fragen des Lebens akzeptiere. Mir ist es wichtig, herauszufinden, was die Bibel lehrt, und dies konsequent umzusetzen bzw. als Theologe andere dazu zu ermutigen. Diese Umsetzung darf allerdings nicht ahnungslos und naiv geschehen, als lebten wir in derselben Welt wie die Autoren der Bibel. Evangelikale glauben auch mit Luther, dass Gott seinen Willen in der Bibel deutlich macht. Das heißt wiederum nicht, dass wir jedes Detail sofort verstehen, sondern dass er uns in seinem Wort alles offenbart, »was zu einem Leben in der Ehrfurcht vor ihm nötig ist« (2Petr 1,3 NGÜ). Unsere Aufgabe ist es, dies zu entdecken.

Ich bin, wie mein Name verrät, kein Deutscher und auch kein Europäer. Ich kam zwar im Kongo als Sohn eines Missionsarztes auf die Welt und habe die ersten paar Jahre meines Lebens dort verbracht, aber ich bin US-Amerikaner. Aufgewachsen bin ich in der Mitte des nordamerikanischen Kontinents in der wildromantischen und dünn besiedelten Region am Oberen See, der die Grenze zu Kanada bildet, fernab von den kulturellen Zentren an der Ost- und Westküste.

Inzwischen habe ich jedoch fast doppelt so lange im deutschsprachigen Europa gelebt wie in meiner Heimat. Ich wohne nämlich seit zwanzig Jahren in Deutschland, und davor verbrachte ich eineinhalb Jahrzehnte in Österreich. Natürlich sehe ich dadurch die Welt anders als vorher und komme mir manchmal im eigenen Land exotisch vor, wenn ich mich dort länger aufhalte. Aber ich bin und bleibe gewissermaßen ein Fremder hier, auch wenn ich z.B. diese Zeilen problemlos auf Deutsch schreiben kann. Aber auch das ist kennzeichnend: Die grammatischen Fehler, die meine geduldigen Korrekturleser ausbessern müssen (was nach all diesen Jahren noch immer viel öfter geschieht, als es mir einzugestehen angenehm ist!), sind nach wie vor diejenigen, die für Englischsprachige und insbesondere Amerikaner typisch sind.

Ich bin der Überzeugung, dass genau diese Outsider-Perspektive für meine Leser hilfreich sein kann, besonders wenn dabei zwei Bedingungen erfüllt werden:

1. Der Outsider kennt die Insider. Das kann ich von mir behaupten. Meine Frau, mit der ich seit über dreißig Jahren verheiratet bin, ist Österreicherin. Deutsche und Österreicher gehören zu meinem engsten Freundeskreis. Meine Kinder sind hier aufgewachsen und sind, wie ich ihnen manchmal vorwerfe – spaßeshalber, versteht sich –, »schrecklich deutsch« geworden. Dass sie es mir in die entgegengesetzte Richtung heimzahlen und keineswegs den Kürzeren ziehen, versteht sich ebenfalls.

2. Der Outsider liebt die Insider. Das tue ich. Beide sogar: Deutsche und Österreicher, zumindest viele und meistens. Ich lebe gerne hier und schätze meine deutschen und österreichischen Glaubensgeschwister sehr (die wenigen Schweizer, die ich kenne, übrigens auch). Besonders die bewegte Geschichte Deutschlands berührt mich. Sie bezeugt sowohl die Güte als auch die Strenge Gottes (Röm 11,22). Sie zeigt, wozu dieses Volk fähig ist, zum Guten und zum Schlechten, wenn es von einer Idee begeistert ist. Ich hoffe, es wird wieder von Jesus und seiner Gemeinde begeistert – und nicht zuletzt davon, was die Bibel über die Sexualität lehrt.

Die Außenperspektive, die mein Denken prägt, wird an vielen Stellen im Buch festzustellen und, so hoffe ich wenigstens, für Christen im deutschsprachigen Europa gewinnbringend sein.

Ich habe allen möglichen Menschen zu danken. Die meisten – Familienmitglieder, Freunde und Wegbegleiter, die mein Leben und Denken geprägt haben – bleiben hier unerwähnt, aber nicht unbedacht. Meine wissenschaftliche Hilfskraft, Wolfgang Götz, hat mich bei der Beschaffung von Literatur und beim Korrekturlesen tatkräftig unterstützt. Kollegen an der Freien Theologischen Hochschule, insbesondere Prof. Dr. Christoph Raedel, haben mich ermutigt, dieses Buch zu veröffentlichen. Prof. Dr. Armin Baum und Dr. Jan Carsten Schnurr haben wichtige Verbesserungsvorschläge gemacht. Glaubensgeschwister in der Mosaikkirche Gießen, insbesondere Pastor Roland Franz und Dr. Cristina Sasse, mit denen ich im Kirchengemeinderat bin, haben mir hilfreiches Feedback gegeben. Die kompetente und freundliche Unterstützung des SCM R.Brockhaus Verlags und insbesondere von Frau Tabea Tacke auf den langen Weg, den ein Buch vom Manuskript zum gedruckten Exemplar durchlaufen muss, soll auch nicht unerwähnt bleiben. Allen sage ich herzlichst »Danke«.

Gewidmet ist dieses Buch – wie könnte es anders sein – meiner Frau Tatjana. Endlich darf ich ihr auch ein Buch widmen! Sie hatte es mir bei der Veröffentlichung meiner Dissertation verboten – wenn eine Widmung, dann sollte es etwas Praktisches oder wenigstens nicht langweilig sein! –, und das Format der Kommentarreihe, in der mein Kommentar über den Kolosserbrief erschienen ist, sah keine Widmung vor. Jetzt kann ich ihr aber meinen Dank ausdrücken. Inzwischen bin ich jedoch von den Deutschen und Österreichern schon so sehr geprägt, dass auch ich dem überschwänglichen Lob, das für meine Landesleute typisch ist, skeptisch gegenüberstehe, und meine Frau hätte am allerwenigsten Gefallen daran, wenn ich hier in Lobgesänge über ihre vielen Vorzüge ausbrechen würde. Ich sage es also mit typisch deutschem Understatement: Sie ist eine gute Frau, und ich liebe sie. Mit ihr gemeinsam habe ich gelernt, was sich Gott dabei gedacht hat, als er Mann und Frau zur ehelichen Gemeinschaft berief. Ich bin immer noch am Lernen.

Was sich Gott dabei gedacht hat

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