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Römisches Reich und deutsches Königreich Von Karl dem Großen bis zu den Ottonen Römische und fränkische Ursprünge

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Als Papst Leo III. in Rom am 25. Dezember des Jahres 800 Karl den Großen als Imperator Romanorum krönte, war dieser bereits der erfolgreiche und mächtige Herrscher des fränkischen Königreichs und zudem König von Oberitalien. Seinem Titel Rex Francorum et Langobardorum fügte er nun einen Kaisertitel hinzu, der umfassende Autorität andeutete, dessen Machtbefugnisse tatsächlich aber höchst vage waren. In Karls Krönung lag keinesfalls die Entstehung eines neuen Herrschaftssystems beschlossen, doch war sie ein wichtiger Wendepunkt im langsamen Übergang vom Römischen Reich zu dem, was erst einige Jahrhunderte später als Deutsches Reich oder Reich bezeichnet werden sollte.

Das fränkische Königreich entstand, als das Römische Reich an sein Ende gelangte und fränkische Stämme sich in den nordwestlichen Grenzgebieten festsetzten. Das Römische Reich hatte seinen Höhepunkt unter Kaiser Trajan um 110 n. Chr. erreicht. Doch schon bald danach bereitete die Verwaltung und Beherrschung dieses riesigen Gebiets Schwierigkeiten. Immerhin erstreckte sich das Reich von Westeuropa bis Kleinasien und umfasste an die 20 Prozent der Weltbevölkerung.

Aufgrund dieser zunehmenden Schwierigkeiten wurde das Reich fortschreitend dezentralisiert, bis Diokletian (Reg. 284–305) es förmlich aufteilte, sodass nun vier Kaiser gleichzeitig regierten. Ihre miteinander konkurrierenden ehrgeizigen Bestrebungen hatten erneute Instabilität zur Folge. Endlich wurde Konstantin der Große (Reg. 324–337), der sich bereits 310 als Kaiser im westlichen Teil durchgesetzt hatte, 324 zum Alleinherrscher im ost- wie im weströmischen Reichsgebiet. Er verlegte seine Hauptstadt nach Byzanz, das nun Konstantinopel hieß, förderte das Christentum und führte die dynastische Erbfolge ein.

Doch war die Neubelebung des Römischen Reichs nicht von Dauer. Interne Konflikte sowie Angriffe auf Rhein und Donau durch nördliche und östliche kriegerische Stämme wie die Hunnen führten 395 zur erneuten Teilung des Reichs, diesmal in einen östlichen und einen westlichen Teil. Mittlerweile wurde Rom von den Goten bedroht, die die Stadt im Jahre 410 plünderten. Neue Hauptstadt des Westreichs war nun Ravenna.

Das Byzantinische Reich im Osten mit seiner Hauptstadt Konstantinopel stand einige Jahrhunderte lang in Blüte, bis es 1453 von den Osmanen erobert wurde. Dagegen war das Weströmische Reich wiederholten Invasionen durch diverse germanische Stämme ausgesetzt. Das waren keine „Deutschen“, wie deutsche Kommentatoren später versicherten: „Germanisch“ war ein von den Römern verwendeter Gattungsbegriff für die Stämme der Barbaren östlich des Rheins und nördlich der Donau. Dieses Gebiet nannten die Römer Germania.

Als Roms Autorität verfiel, wanderten diese Stämme nach Westen und Süden, und noch bevor der letzte Kaiser Westroms 476 gestürzt worden war, hatten sich germanische Königreiche in Afrika, Spanien, Frankreich, der Schweiz, Italien und Dalmatien etabliert. Ihre Könige erkannten die Herrschaft des oströmischen Kaisers an: Sie waren nicht darauf aus, seinen Titel zu usurpieren, sondern suchten vielmehr seine Zustimmung zur Etablierung ihrer Reiche zu erlangen, zudem übernahmen sie die im Oströmischen Reich geltende Währung. Doch ihre Gebiete regierten sie ohne Einspruch von außen; sie führten fast ständig Krieg und ihre Welt war durch den Aufstieg und Fall römischer, germanischer und hunnischer Warlords bestimmt. Erst allmählich bildeten diverse Gruppen dieser Stämme zwischen dem 3. und dem 10. Jahrhundert eine gemeinsame ethnische Identität und schließlich eine gemeinsame Sprache aus. Die bedeutendsten dieser sich herausbildenden Ethnien waren die Franken und, später dann, die Deutschen.

Die Franken entstanden aus einer Verschmelzung verschiedener kleinerer germanischer Stämme, die im 4. und 5. Jahrhundert aus den mittel- und niederrheinischen Gebieten nach Nordgallien gewandert waren. Zunächst dienten sie den Römern als Soldaten, dann wurden sie ihre Verbündeten und heirateten in die gallo-römische Oberschicht ein. Nachdem sie die Römer als Herrscher beerbt hatten, behielten sie deren Sprache, Straßennetz und Verwaltungsform bei.

Die fränkischen Stämme wurden von Chlodwig vereinigt, dem ersten Herrscher der Dynastie der Merowinger (Reg. 481/82–511). Chlodwig war ein außerordentlich erfolgreicher Militärführer, energisch und ehrgeizig. Um 500 veröffentlichte er die Lex Salica, ein Gesetzbuch, in dem er sich selbst als Primus Rex Francorum, Erster König der Franken, bezeichnete. Der oströmische Kaiser Anastasios I. (Reg. 491–518) machte ihn zum „Konsul“ des Römischen Reichs und erkannte ihn 508 als fränkischen König an. Einer der Gründe für diese Ehrung mochte darin liegen, dass Chlodwig zum nizäischen Christentum – dem römischen Katholizismus – übergetreten war. Der Katholizismus war seit 380 die offizielle Religion des Römischen Reichs. Andere germanische Stammesführer hatten sich dagegen dem Arianismus zugewandt oder waren einfach Heiden geblieben. Der Übertritt zum Katholizismus sicherte Chlodwig die Mehrheit der römischen Bevölkerung; schon bald widmete er sich der Aufgabe, Beschützer der Kirche zu sein, und rief sogar im Jahre 511 in Orléans ein Konzil zusammen.

Auch als Chlodwig das Reich unter seine vier Söhne aufteilte, blieb die Vorstellung eines gemeinsamen Königreichs erhalten. Jeder erhielt einen Anteil am Kerngebiet namens „Austrasien“ (die „östlichen Gebiete“) um Metz, und an Aquitanien. Von den vier Hauptstädten – Reims, Orléans, Paris und Soissons – aus beherrschten etwa 200.000 Franken die Region zwischen Seine und Somme. Um 650 hatten Chlodwig und seine Nachfolger den größeren Teil Galliens mit seinen sechs bis sieben Millionen gallorömischen Einwohnern erobert und ihr Herrschaftsgebiet bis nach Thüringen und Bayern ausgeweitet.

Die Herrschaft der Merowinger beruhte auf freundschaftlichen Beziehungen zwischen Gruppen von Großfamilien, nicht auf feudalen Strukturen. Die durch Heiratsabkommen, formelle Verträge, Eide und andere öffentliche Zeremonien befestigten Bande der Loyalität schufen eng vernetzte Beziehungen zwischen unabhängigen Clans. Sie bewältigten kommunale Aufgaben, zu denen auch die militärische Verteidigung gehörte, und schlichteten Streitigkeiten durch Schiedssprüche gemäß ungeschriebenen Gesetzen. Freundschaft wurde in bestimmten Ritualen öffentlich bekundet, so z.B. in großen Festen, die das Ende einer Streitigkeit markierten.

Die merowingischen Könige übernahmen von den Römern das System regionaler Verwaltung. Sie ernannten Grafen (comes) und östlich des Rheins Herzöge (duces), die für die Ausführung der königlichen Angelegenheiten zuständig waren. Das System war augenscheinlich flexibel genug, um lokale Bedingungen berücksichtigen zu können. So konnten z.B. die schwäbischen Alemannen ihr Rechtssystem beibehalten, und auch die Bayern, die im 6. Jahrhundert in der Region zwischen Donau und Alpen aus einer Verschmelzung zahlreicher Stämme hervorgegangen waren, genossen unter ihrem Herzog beträchtliche Eigenständigkeit. Das Bündnis mit der Kirche vergrößerte den Einfluss der Herrscher.

Vier Königen in Folge gelang es, die verschiedenen Gebiete des fränkischen Königreichs zu vereinen, aber danach wirkten sich die wiederholten Teilungen negativ aus. Da häufig Minderjährige die Herrschaft antraten, mussten umfangreiche Vorkehrungen für eine Vormundschaft getroffen werden, was die Entscheidungsbefugnisse der lokalen Oberschichten erweiterte. Diese wiederum sorgten in zunehmendem Maße dafür, dass Grafen ausschließlich aus der Schicht der Grundbesitzer der jeweiligen Region ernannt wurden, was ihre Entwicklung von königlichen Beamten zu quasi-autonomen lokalen Obrigkeiten beschleunigte. Die größten Nutznießer dieser Entwicklung waren die höchsten Hofbeamten, die Hausmeier (oder Majordomos), die sich mehr und mehr als Regenten im Namen der Monarchie begriffen und innerhalb des fränkischen Adels umfangreiche Bündnisse schmiedeten. 751 wurde der Abkömmling eines solchen Hausmeiers, Pippin der Jüngere (auch Pippin der Kurze) König (Reg. 751–768), nachdem er den Papst um Erlaubnis gebeten hatte, den letzten Vertreter der Merowinger, Childerich III. (Reg. 743–751) absetzen zu dürfen.

Damit verschob sich das Zentrum der fränkischen Macht von Paris und der Seine-Region zum Gebiet zwischen Maas und Mosel, wo Pippin über Gutsbesitzungen verfügte. Er war rastlos darum bemüht, interne Widerstände zu beseitigen, und ließ beim Versuch, über Aquitanien, Schwaben und Thüringen die Herrschaft zu erlangen, den Posten des Hausmeiers unbesetzt.

Pippin wurde von dem päpstlichen Gesandten Bonifatius gesalbt, was seiner Herrschaft die Aura göttlicher Erwähltheit und Gunst verlieh. Bald schon forderte Papst Zacharias (Reg. 741–752) Pippins Unterstützung gegen die langobardischen (oder lombardischen) Könige in Norditalien. Pippins Versprechen, dem Heiligen Stuhl die ehemals byzantinischen Territorien Mittelitaliens zu sichern, führte zu einer zweiten Salbung, die diesmal von Zacharias persönlich in der Kirche St. Denis vorgenommen wurde. Nun trug Pippin den Titel Patricius Romanorum, Beschützer der Römer und der römischen Kirche. Als er das Exarchat (den Verwaltungsbezirk) von Ravenna für den Papst gewann, legte er damit das Fundament für den zukünftigen Kirchenstaat und für die fortwährende Zusammenarbeit zwischen seiner Dynastie und dem Papsttum. Pippins Glaubensfestigkeit zeigte sich auch an der Unterstützung einer Mission in Friesland, für die er einen Bischofssitz in Utrecht einrichtete.

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