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Kaiserkrönungen

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Wie komplex die Reichsgeschichte von ihrem Anfang bis zum Ende war, zeigt sich am Prozedere für die Wahl und Krönung der Herrscher wie auch an der Tatsache, dass es kein Zentrum gab, etwa in Gestalt einer Hauptstadt. Als Zentrale diente der Hof des jeweiligen Herrschers. Der war ab der Mitte des 15. Jahrhunderts, wenn auch nicht durchgängig, in Wien lokalisiert. Dauerhaft etablierte er sich dort, als die Habsburger nach dem Tod Rudolfs II. 1612 Prag als Residenz und Regierungssitz aufgaben. Nun wurde Wien das höfische Zentrum für die Erblande der Habsburger wie auch für das Reich, und in seiner Bedeutung noch dadurch verstärkt, dass dort neben dem Reichshofrat – dem obersten Gerichtshof des Kaisers – auch die Reichskanzlei angesiedelt war. Als Sitz einer großen europäischen Dynastie überstrahlte Wien alle anderen deutschen Städte. Während der kurzen Regentschaft des Bayern Karl VII. aus dem Hause Wittelsbach, der von 1742 bis 1745 deutscher Kaiser war, konnten sich weder München noch Frankfurt als überzeugende Alternativen zum habsburgischen Wien etablieren.

Doch der Reichstag trat anderswo zusammen, und das Reichskammergericht befand sich ebenfalls nicht in Wien. Jahrhundertelang wurden Adelsversammlungen, die Vorläufer des spätmittelalterlichen Hoftags und des frühmodernen Reichstags, dorthin einberufen, wo der Kaiser sich gerade aufhielt. Die Goldene Bulle von 1356 bestimmte Nürnberg als Ort des ersten Reichstags nach einem Regierungsantritt, was indes nicht immer eingehalten wurde. Von 1663 an residierte der Reichstag als „Immerwährender Reichstag“ in Regensburg, wodurch die Stadt mit der Zeit zu einem bedeutenden diplomatischen Zentrum wurde. Das von den Reichsständen finanzierte Reichskammergericht zog von Nürnberg 1527 nach Speyer um, wo es blieb, bis eine französische Invasion die Niederlassung in Wetzlar erforderlich machte. Attraktiv waren diese Standorte lediglich für Justizbeamte, mit einem Fall befasste Anwälte und junge Rechtsaspiranten wie Goethe, die die Reichsgesetzgebung studieren wollten.

Ebenso besaß das Reich kein Zentrum für Zeremonien und andere offizielle Feierlichkeiten. Ob oder wie Karl der Große zum fränkischen König gewählt oder gekrönt wurde, ist nicht bekannt, doch wissen wir immerhin, dass er am 25. Dezember 800 vom Papst zum Kaiser gekrönt wurde, und er bestand auf der Krönung seines Sohns 813 in Aachen. Die Traditionen des Reichs blieben lange Zeit unter dem Einfluss dieser beiden Ereignisse. Im Mittelalter wurden deutsche Herrscher zuerst in Deutschland zum König und dann in Rom vom Papst zum Kaiser gekrönt. Zum ersten Mal wurde 911 ein sächsischer Herrscher zum König gewählt; vorausgegangen war eine Abmachung zwischen zwei (von fünf) Herzögen, regionalen Oberherren in der karolingischen Monarchie. Die Nachfolger des Sachsenkönigs wurden dann mit Unterstützung der Herzöge und anderer führender Adliger gewählt. Die genaue Anzahl der Wahlberechtigten blieb bis 1356 offen; erst die Goldene Bulle bestimmte sieben Fürsten zu Kurfürsten. Im 17. Jahrhundert kamen noch zwei weitere hinzu. Anfänglich gab es keinen festgelegten Wahlort; zumeist fand die Zeremonie in Mainz und Frankfurt statt. In Mainz, weil dort der Reichserzkanzler, der Erzbischof von Mainz, seinen Sitz hatte; Frankfurt, weil die Stadt über eine zentrale Lage und die Fähigkeit verfügte, große Versammlungen von Notabeln und Gefolgsleuten zu beherbergen und zu versorgen. 1356 legte die Goldene Bulle Frankfurt als einzigen Wahlort fest, wobei in der Folge manche Wahlen auch in Augsburg oder Regensburg stattfanden.

Bis zum 16. Jahrhundert wurde die Krönung eines Herrschers zum deutschen König in Aachen vollzogen. Erst dann wurde er in Rom zum Kaiser gekrönt. Ursprünglich lautete der verliehene Titel Rex Teutonicorum – König der Deutschen –, was ab dem 12. Jahrhundert zu Rex Romanorum – König der Römer (oder römischer König) – abgewandelt wurde. Nach der Krönung in Rom nahm der König dann den Kaisertitel an. Maximilian I. wurde 1486 zum Rex Romanorum gewählt und trat 1493 die Nachfolge seines Vaters, Friedrich III., an. Allerdings verhinderten seine ständigen Auseinandersetzungen mit dem Heiligen Stuhl eine päpstliche Kaiserkrönung. So führte Maximilian ab 1508 einfach den Titel „Erwählter römischer Kaiser“, wie dann auch alle seine Nachfolger bis 1806. Einzige Ausnahme war sein Sohn Karl V., der letzte von einem Papst gekrönte Kaiser. Da aber Karls Heere 1527 in Rom gewütet hatten („Sacco di Roma“), fand die Krönung 1530 in Bologna statt.

Seit dem späteren Mittelalter wurde der designierte Erbe im Allgemeinen vor dem Tod des Kaisers zum „Römischen König“ gewählt und gekrönt; allerdings konnte die Wahl auch, falls notwendig, nach dem Tod des Kaisers zeitgleich mit der Kaiserkrönung einhergehen. Mit der Ausnahme eines Wittelsbachers, Karl VII., stammten alle Kaiser des Heiligen Römischen Reichs nach Friedrich III. aus dem Hause Habsburg.

Nach 1562 fanden sowohl die Wahl als auch die Krönung in Frankfurt statt. Eine Rolle mag dabei die Tatsache gespielt haben, dass ein amtierender Erzbischof von Köln zur Unzeit starb und so das Krönungsritual nicht vollziehen konnte. Außerdem war Frankfurt freie Reichsstadt und zudem lag es den Habsburger Territorien näher als Aachen.

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