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Konflikt mit dem Papst

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Lange konnte Heinrich die Früchte seines Sieges nicht genießen. Zwar hatte Papst Gregor VII. (Reg. 1073–1085) die Sachsen gedrängt, friedlich und ihrem König treu zu bleiben, doch nun wandte er sich gegen ihn. Im Sinne seiner Vorgänger erklärte Gregor, dass Christus selbst die römische Kirche gegründet habe und dass ihr Bischof der Nachfolger Petri sei. Infolgedessen seien er und seine Legaten Oberherren aller Bischöfe und hätten darüber hinaus das Recht, sogar den Kaiser zu entthronen und seine Untertanen von allen Pflichten gegen ihn loszusprechen.

Ausgelöst wurden diese Erklärungen durch eine weitere Krise in Mailand. Ein Bündnis von Stadtleuten und Angehörigen des niederen Adels (valvassores) forderte eine Kirchenreform und Beteiligung an der Regierung von Mailand. 1067 waren die Rebellen gegen den 1045 von Heinrich III. eingesetzten Bischof Guido da Velate vorgegangen und hatten sich die päpstliche Unterstützung für Atto, ihren eigenen Kandidaten, gesichert. Heinrich jedoch ernannte Gotofredo II. da Castiglione, was den Vorgänger Gregors, Alexander II. (Reg. 1061–1073) dazu veranlasst hatte, Heinrichs Berater sämtlich zu exkommunizieren. Da er noch genug mit dem sächsischen Aufstand zu tun hatte, entschuldigte sich Heinrich bei Gregor und versprach, zukünftig der Simonie zu entsagen.

Nach dem Tod des Rebellenführers Erlembaldo Cotta im Jahre 1075 machte Heinrich seinen italienischen Hofkaplan Tebaldo da Castiglione (Reg. 1075–1080) zum Erzbischof und ernannte neue Bischöfe in Fermo und Spoleto, die beide zum Metropolitanbistum des Papstes (Rom) gehörten. Als Gregor dem König die Exkommunikation androhte, berief Heinrich eine Synode nach Worms, wo 24 Bischöfe sich aller Verpflichtungen Rom gegenüber für ledig erklärten und einen öffentlichen Brief unterstützten, in dem die Abdankung des Papstes gefordert wurde. In der deutschen Version bezeichnete Heinrich sich als der Gesalbte des Herrn, in der italienischen Version nannte er sich römischer Patricius.

Gregors Reaktion war eine drakonische Maßnahme. Er exkommunizierte Heinrich und entthronte ihn, indem er seine Untertanen von jeder Verpflichtung entband. Schon bald zeigte sich, wie schwach Heinrichs Position war. Ein neuer sächsischer Aufstand griff um sich, und der Mord an Herzog Gottfried IV. von Niederlothringen im Februar 1076 nahm ihm einen wichtigen Verbündeten. Die oberdeutschen Herzöge beriefen im Oktober jenes Jahres einen Hoftag nach Trebur, um den König auf den rechten Weg zurückzubringen. Auch die Bischöfe unterstützten ihn nicht mehr. Nur wenige waren bereit, dem Papst zu trotzen, indem sie einem Exkommunizierten die Treue hielten.

Die Anwesenheit päpstlicher Legaten auf dem Reichstag verlieh den Beratungen spirituelle Autorität. Der sächsische Vorstoß zur Absetzung des Königs schlug fehl, doch war man sich darin einig, dass er gedemütigt und dem Willen der Fürsten unterworfen werden sollte. Heinrich hatte sein Lager auf der anderen Rheinseite bei Oppenheim aufgeschlagen. Man verpflichtete ihn zum Gehorsam dem Papst gegenüber und gab ihm ein Jahr Zeit, sich von der Exkommunikation zu befreien. Gregor sollte eingeladen werden, bei einem Reichstag in Augsburg am 2. Februar 1077 den Vorsitz zu führen, um über die Zukunft des Königreichs zu beraten. Heinrich wartete diese Diskussion nicht ab. Um dem Papst zuvorzukommen, überquerte er mitten im Winter die Alpen. Am 27. Januar 1077 tauchte er, barfüßig und im Büßergewand, vor den Mauern der Burg von Canossa auf, wo Gregor sich mit der toskanischen Gräfin Matilda einquartiert hatte. Das Ritual wiederholte sich die nächsten beiden Tage, dann erlöste Gregor den König vom Bann und gab ihm den Friedenskuss, bevor beide die heilige Messe feierten.

Einer Tradition in der deutschen Geschichtsschreibung zufolge gilt Heinrichs „Gang nach Canossa“ als größte Demütigung, die ein deutscher Herrscher jemals erfahren hat. Die italienischen Historiografen sahen im Gegenzug darin den ersten großen italienischen Sieg über die deutsche Vorherrschaft, die im 15. Jahrhundert zu Italiens „Selbstbefreiung“ vom Heiligen Römischen Reich geführt habe. Die Wahrheit ist nüchterner. Indem er nach Canossa ging, zwang Heinrich gewissermaßen den Papst, ihn zu rehabilitieren, auch wenn er damit dessen Autorität als Richter über ihn anerkennen musste.

Als der Hoftag am 13. März eröffnet wurde, nahmen weder Gregor noch Heinrich daran teil. Die Fürsten befanden, Heinrich sei kein gerechter König und müsse abgesetzt werden; zwei Tage später wählten sie Rudolf von Rheinfelden, den Herzog von Schwaben, zum neuen König. Damit gaben sie den Grundsatz der dynastischen Erbfolge zugunsten einer freien Wahl (electio spontanea) auf: Zukünftig sollte keiner mehr einfach deshalb gewählt werden, weil er Sohn des Monarchen war. Die Diskussionen zeichneten das Königreich als ein kollektives Unterfangen, dem auch diejenigen angehörten, die dafür Verantwortung trugen: Die Fürsten hatten das Recht, darüber zu entscheiden, wer König sein solle. Während in Frankreich und England Erbmonarchien entstanden, setzten sich die Deutschen entschieden davon ab.

Doch die meisten Bischöfe, Städte und Angehörige des niederen Adels misstrauten den Fürsten. Auch der Papst erkannte zwar an, dass die Fürsten das Recht hätten, einen König zu wählen, bezweifelte aber, dass sie ihn auch absetzen könnten. 1080 hatte Heinrich seine Herrschaft in den meisten Gebieten Deutschlands mit Ausnahme von Sachsen wiederhergestellt. Nun forderte er vom Papst die Exkommunikation Rudolfs von Rheinfelden. Aber der Papst exkommunizierte und entthronte nicht ihn, sondern erneut Heinrich.

Nun jedoch beriefen Gregors Feinde unter den deutschen und italienischen Bischöfen eine Synode ein, die in Brixen (heute ital. Bressanone) stattfand, um seine Abdankung zu fordern. Sie nominierten Heinrichs ehemaligen Kanzler Wibert von Ravenna (den Gregor 1078 exkommuniziert hatte) zum Nachfolger. Die Römer öffneten Heinrich die Stadttore; Gregor wurde abgesetzt und Wibert als Klemens III. (Reg. 1080–1100) zum Papst gewählt. Am Ostersonntag 1084 dann wurden Heinrich und seine Gemahlin Berta zu Kaiser und Kaiserin gekrönt. In Deutschland beruhigte sich die Lage. Rudolf von Rheinfelden war im Oktober 1080 gestorben, und sein Nachfolger, Hermann von Salm (Reg. 1081–1088), konnte außerhalb von Sachsen nichts bewirken und zog sich schließlich in seine Heimat in Lothringen zurück.

Gregor versuchte mithilfe normannischer Streitkräfte eine Rückkehr an die Macht, doch deren Plünderungen führten zu einem Aufstand der Römer gegen Gregor, der sich daraufhin nach Salerno zurückzog, wo er 1085 starb. Als Gregors Stern sank, stieg Heinrichs, der in Italien nun wieder an Prestige gewann. In Deutschland ließ der Tod Ottos von Northeim (1083) die Sachsen führerlos zurück. Kärnten und Schwaben wurden königstreuen Gefolgsleuten zum Lehen gegeben. Der Rebell Welf IV., Herzog von Bayern, wurde von Heinrich zunächst geächtet und unternahm 1092 in Norditalien einen Aufstandsversuch gegen den König, erhielt 1096 aber wieder Bayern mitsamt dem Herzogtitel zurück. Als Heinrich 1103 mit Unterstützung der Fürsten einen vierzigjährigen Landfrieden für Deutschland verkündete, schien er sein Reich im Griff zu haben. Doch schon ein Jahr später erhob sich sein Sohn, der spätere Heinrich V., gegen ihn. Der Vater wurde zur Abdankung gezwungen und floh nach Lüttich, wo er im August 1106 starb, noch bevor er gegen den Sohn vorgehen konnte.

Heinrich IV. hatte es versäumt, mit dem Hochadel langfristige Beziehungen einzugehen und zu pflegen. Er verließ sich auf den niederen Adel sowie auf königliche Verwaltungsbeamte. Sein hartes Vorgehen gegen Missetäter aus dem Hochadel verschaffte ihm den Ruf, seine Macht ungerecht und willkürlich auszuüben. Es hieß auch, er sei unzuverlässig und moralisch verderbt; angeblich verhielt er sich Frauen gegenüber sexuell pervers, treulos und gewalttätig. Ob dies tatsächlich der Wahrheit entsprach, ist unklar, doch allein die Tatsache, dass solche Beschuldigungen erhoben wurden, deutet auf seinen schlechten Ruf und erklärt, warum er wiederholt mit Aufständen konfrontiert war.

Heinrich V. (Reg. 1106–1125) wurde anfänglich von den Bischöfen und den reformorientierten Fürsten nachdrücklich unterstützt, sodass man hoffen konnte, in Rom auch bewillkommnet zu werden. Allerdings war einer der Nachfolger Gregors, Paschalis II. (Reg. 1099–1118), entschlossen, alle die Kirche betreffenden königlichen Vorrechte aufzuheben.

Heinrichs Verbündete in Deutschland unterstützten seine Auffassung von der Vorherrschaft des Königtums über die Kirche und dem Recht des Königs, Bischöfe einzusetzen. In der deutschen Tradition waren die Bischöfe schließlich die wichtigsten Stützpfeiler der Monarchie und des Monarchen, die Akteure königlicher Herrschaft. Mithin schickte Heinrich 1109 die Erzbischöfe von Köln und Trier nach Rom, damit sie dort für die traditionellen Rechte des deutschen Königs eintreten konnten. Der Papst antwortete schnell. Er entgegnete, dass Heinrich, wenn er auf seine Investiturrechte verzichtete, umgehend alle an die deutschen Bischöfe abgetretenen Lehensbesitz zurückerhalten würde.

Die Bischöfe reagierten aber mit Erzürnung und griffen nicht ein, als Heinrich den Papst und die Kardinäle gefangen nehmen ließ und sie zwang, die Investiturrechte des Königs anzuerkennen und seiner Krönung zum Kaiser zuzustimmen. Dennoch verscherzte sich Heinrich mit dieser Aktion die Gunst der Bischöfe, und schon bald darauf unterstützten sie die Forderungen von Papst Paschalis.

Weitere Probleme kamen hinzu. Der sächsische Adel widersetzte sich nachdrücklich Heinrichs energischen Versuchen, seinen Herrschaftsanspruch zu bekräftigen, indem er Burgen baute, kaiserliche Beamte in Dienst nahm und durch den Zugriff auf Lehnsbesitz, den lokale Familien zu erben hofften, das Krongut mehren wollte. In der mittelrheinischen Region gab es Streit mit Erzbischof Adalbert von Mainz, in Thüringen mit Graf Ludwig und dem Herzog von Sachsen. Alle drei wurden wegen Ungehorsam eingekerkert; der Herzog von Sachsen erhielt Begnadigung, nachdem er sich öffentlich Heinrich unterworfen hatte; doch das Gefühl, dass der König seine Vasallen lieber demütigte, als die Versöhnung anzustreben, ließ sich nicht betäuben.

In Italien liefen die Dinge besser: 1115 erbte Heinrich die Ländereien Matildas von Tuszien (Toskana), was sein Vermögen weiterhin vermehrte. Reichtümer hatte ihm bereits die Heirat mit der zwölfjährigen Mathilde von England (1114) beschert – die Verlobung hatte stattgefunden, als Mathilde acht Jahre alt war. Heinrich gelang es, seine Frau zur Kaiserin krönen zu lassen. Nun aber erreichte ihn die Nachricht, dass deutsche Fürsten eine Zusammenkunft planten, woraufhin er hastig nach Deutschland zurückkehrte. Da der Papst ihn inzwischen exkommuniziert hatte, war er nun gezwungen, das Investiturproblem zu lösen. Auf dem Reichstag, der 1121 zu Würzburg stattfand, beharrten die Fürsten darauf, dass er dem Papst gehorche. Im darauffolgenden Jahr kam es zu einer Übereinkunft, die später als „Wormser Konkordat“ bekannt wurde. Nun unterschied man zwischen der geistlichen Rolle eines Bischofs (den spiritualia) und den weltlichen oder zeitlichen Aspekten (den temporalia). Der König konnte einen frei gewählten Bischof mit seinen temporalia ausstatten, d.h., ihn zum Vasallen machen, was aber nicht bedeutete, dass der König der Stellvertreter Christi war. Ein wahrer Bischof musste nach der Wahl von dem zuständigen Erzbischof in Anwesenheit zweier weiterer Bischöfe gesalbt und geweiht werden. Der Papst Calixt II. (Reg. 1119–1124) räumte nur ein, dass der Kaiser bei der Wahl von Bischöfen und Äbten in Deutschland anwesend sein und bei Stimmengleichheit für die Person eintreten könne, die von den höchstrangigen Wahlberechtigten unterstützt würde.

Aus dem Investiturstreit gingen weder Monarchie noch Kirche als eindeutige Sieger hervor. Die wichtigsten Ergebnisse betrafen Deutschland. Zum einen waren die Bischöfe nun nicht mehr königliche Beamte mit unbegrenzter Verpflichtung dem Monarchen gegenüber, sondern wurden Fürsten mit Lehnspflichten. Zum anderen gewann der König, als Feudalherr der Bischöfe, neue Rechte über die deutsche Kirche, die ihn für den erlittenen Reputationsverlust entschädigten. Und zum dritten stärkte die Kontroverse die deutschen Fürsten. Es gelang ihnen noch nicht, eine freie Königswahl durchzusetzen, aber das Prinzip war etabliert. Sie hatten den Kompromiss mit dem Papst vorbereitet und Heinrich dann zur Zustimmung gezwungen. Damit hatten sie ihr Recht gestärkt, an Entscheidungen mitzuwirken, die das Reich und die Monarchie betrafen. Der Herzog von Sachsen verweigerte die Unterschrift, worin Sachsens fortgesetzter Widerstand gegen die königliche Macht seinen Ausdruck fand.

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