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Das Heilige Römische Reich in späterer Zeit

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Im 18. Jahrhundert ging es nicht so sehr um das Ursprungsproblem, sondern um den Konsens zwischen katholischen und protestantischen Gelehrten über die politische Form des Reichs als einer Art Konföderation. Gemeinsam mit dem Kaiser übten die deutschen Fürsten und Städte im Reichstag die gesetzgebende Gewalt aus, wobei der Kaiser einerseits noch die feudale Oberherrschaft über die Fürsten genoss, andererseits aber wie ein höchster Richter darauf achtete, dass die gemeinsam verabschiedeten Gesetze auch eingehalten wurden. Dieses Gemeinwesen wurde allgemein einfach als „das Reich“ oder „Deutsches Reich“ oder, ganz kurz und knapp, als „Deutschland“ bezeichnet.

Auch bedeutende ausländische Intellektuelle teilten diese Auffassung vom Reich. Montesquieu besuchte es 1729 und sah in ihm eine wirksam funktionierende Föderation. Und Voltaire stand dem Reich positiver gegenüber als vielfach angenommen. Seine augenscheinlich geringschätzige Bewertung zielte insbesondere auf das Ende der Regierungszeit Karls IV. (ab 1346 römischer König). Voltaire bezog sich auf die stabilisierende Funktion der Goldenen Bulle für das deutsche Königreich, insofern als sie die Macht des Kaisers einschränkte. Ferner kommentierte Voltaire Karls augenscheinliche Gleichgültigkeit Italien gegenüber und seine Anerkennung der päpstlichen Macht. Aber zu seiner Zeit sah Voltaire das Reich als eine Republik von Fürsten unter dem Präsidium des Kaisers. Es war ein Gemeinwesen, dessen grundlegende Gesetze die herrscherliche Macht erfolgreich einschränkten und die deutsche Freiheit (oder „teutsche Libertät“) bewahrten. Der Titel war im Jahrhundert der Aufklärung archaisch und anachronistisch, nicht aber das Regierungssystem.

Die Kommentatoren des 17. und 18. Jahrhunderts hatten Schwierigkeiten, das Reich im Hinblick auf andere europäische Gemeinwesen zu klassifizieren. Berühmt wurde Samuel Pufendorfs Vergleich mit einem „Monstrum“. Er meinte damit nur, dass das Reich nicht gemäß den Bestimmungen des Aristoteles als Monarchie, Aristokratie oder Demokratie eingestuft werden konnte. Der große Rechtsgelehrte und Verfassungsjurist Johann Jacob Moser erklärte: „Deutschland wird auf deutsch regiert.“

Deutsche Historiker des 19. und frühen 20. Jahrhunderts verachteten das Reich, weil es kein Nationalstaat gewesen sei. Überdies trage es die Schuld an der späten Entwicklung der Deutschen. Gerne priesen sie die Territorien wegen ihrer kulturellen Errungenschaften, weigerten sich aber, die Art und Weise anzuerkennen, in der das Reich diese Erfolge möglich gemacht hatte. Kritiker Deutschlands vor und nach 1945 waren häufig bemüht, schon im ersten, dem Heiligen Römischen Reich den Vorläufer des „Dritten Reichs“ zu sehen, was auf die Jahrhunderte vor 1806 einen düsteren Schatten warf. Positivere Einschätzungen, die nach 1945 vorgetragen wurden und das Reich entweder als transnationalen Vorläufer der Europäischen Union oder als ersten deutschen Nationalstaat begreifen wollten, wurden als gezwungen und unangemessen kritisiert.

Während der letzten zwei Jahrhunderte haben Narrative des Heiligen Römischen Reichs eher den Bedürfnissen der jeweiligen Gegenwart gedient, statt die objektive Realität des Alten Reichs oder wenigstens die subjektiven Erfahrungen seiner Bewohner zu begreifen. Diese Übersicht bietet eine andere Perspektive. Angelegt als chronologische Erzählung will sie zeigen, wie sich das Reich über eintausend Jahre hinweg durch höchst unterschiedliche Phasen hindurch entwickelte.

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