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Kaiserliche Herrschaft in Deutschland
ОглавлениеNördlich der Alpen ging Otto daran, seine Macht zu festigen, indem er die Ernennung von Bischöfen kontrollierte und Bistümer wie auch andere kirchliche Gründungen mit Landbesitz und Rechten ausstattete. Mit päpstlicher Erlaubnis gründete er 968 in Magdeburg ein Erzbistum; für einen Suffraganbischof wurde ein Sitz in Merseburg eingerichtet. Das bereits unter den Merowingern und Karolingern etablierte System der Kirchenpatronage war nun so weit ausgebildet, dass Zeitgenossen von einer Reichskirche sprachen, über die der Kaiser als „Vikar Christi“ die Oberhoheit besaß. Ottos großzügige Zuwendungen, die er den deutschen Bistümern, Klöstern und Konventen angedeihen ließ, beflügelten eine Entwicklung, die häufig als „Ottonische Renaissance“ bezeichnet wird. Gemeint ist damit die Gründung von Schulen an Bischofssitzen, die Herstellung neuer Ausgaben klassischer Texte sowie eine umfangreiche liturgische Literatur, Epen, die geistlichen Dramen und Dialoge der Nonne Roswitha von Gandersheim und schließlich die „Sachsengeschichte“ (Res gestae Saxonicae) Widukinds von Corvey neben weiteren Werken.
Zur selben Zeit ließ der an den Ostgrenzen seit Langem geführte Kampf gegen die Slawen allmählich nach. In einigen Regionen schlossen Slawen mit der deutschen Krone Tributverträge in unterschiedlicher Form: Angehörige slawischer Führungsschichten wie die böhmischen Přemysliden und die polnischen Piasten heirateten in sächsische Adelsfamilien ein und wurden in den Grenzgebieten ihrer eigenen Territorien zu Markgrafen; fast überall konnte nun das christliche Missionswesen Erfolge feiern.
Ingesamt blieb Otto der fränkisch-karolingischen Tradition treu. Seine Monarchie kannte keinen festen Sitz; er verließ sich auf die Gastlichkeit der Erzbischöfe und anderer Kirchenführer, die es ihm ermöglichte, sein Reich zu bereisen, was ihm wichtiger zu sein schien als seinen Vorgängern. Anders als die Karolinger hatte er vergleichsweise wenige Beamte; die königlichen Diener alten Schlages gehörten jetzt zum Erbadel. Der König pflegte, was für ihn wichtig war: ein Netzwerk persönlicher Beziehungen, Freundschaften und Verwandtschaften. Die Dekrete und Sendschreiben, mit denen Karl der Große und seine unmittelbaren Nachfolger regiert hatten, waren jetzt weniger wichtig als vor versammeltem Hof vollzogene Rituale. Die Gewährung von Privilegien und dergleichen geschah mittels Zeremonien, in denen Rang und Status in Szene gesetzt wurden; die Gottesdienste zu Ostern oder Pfingsten waren Ereignisse zur Feier und Darstellung von Machtverhältnissen, bei denen der König seine Autorität demonstrierte und die Adligen ihm willfahrten. Otto reiste viel durch Sachsen, an den Niederrhein und in die Rhein-Main-Region; seine unmittelbaren Nachfolger bezogen auch Schwaben und andere Teile des Reichs mit ein.
Das östliche Königreich hatte immer noch keinen formellen Titel. Otto bezeichnete sich selbst für gewöhnlich als rex, später als imperator, ohne sich auf ein bestimmtes Territorium oder eine ihm untertänige Bevölkerung zu beziehen. Sein Vater hatte einfach den Titel „König der Franken und Sachsen“ getragen, womit Schwaben und Bayern ausgeschlossen waren. Später legte Otto sich, wie schon Karl der Große, den Titel Rex Francorum et Langobardorum (Italicorum) zu. Er war somit ein Herrscher über Völker, nicht über Territorien.
Dennoch brach Otto, wenn er einen allgemeineren königlichen oder kaiserlichen Titel vorzog, nicht mit der Tradition. Nach Karls des Großen Regierungszeit war im östlichen Reich die einfache Bezeichnung des Herrschers als rex zur Norm geworden, während im westlichen Franken der Titel Rex Francorum ab dem 10. Jahrhundert durchgehend verwendet wurde. Vielleicht spiegelte sich darin die größere Unsicherheit, über welche Gebiete im östlichen Reich der König wirklich herrschte. Zudem verwendeten die diversen Kanzleien häufig unterschiedliche Bezeichnungen, denen Historiker häufig deshalb Bedeutung beimaßen, weil sie ihrer jeweiligen Argumentation im Hinblick auf die Entstehung einer deutschen Monarchie oder eines Reichs nützten. Tatsächlich regierten die Ottonen ein Reich, das bis ins 11. Jahrhundert im Wesentlichen ein fränkisches Königreich blieb.