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Lieber Bruder, deine Leute hier hab ich meist gesehen, Kirchbergern noch heut Abend spät anderthalb Stunden auf seinem Landhaus gesprochen. Es ist ein Mann mit dem sich gut reden läßt und ich habe die Zapfen meiner Gefäse, wie er angeklopft hat, gar freundlich ausgezogen, und mir auch dagegen von dem seinigen reichen lassen. Auf alles was er gefragt hat, hab ich ihm in meiner Art geantwortet, und durch Gleichnisse und Anschlagen wurden wir bald bekannt. Auch hab ich ihm hie und da mehr gesagt, als er gefragt hat, denn es hängt alles gar hübsch bey ihm zusammen und er hat für sein Alter und daß er viel für sich durchdacht hat, eine schöne Gelenksamkeit der Gedanken.

Nun wirds weiter gehn. Verschiedene Packete sollen an dich geschickt werden, hebe mir sie auf. Wir gehen auf Lausanne und Genv. Bey Neuburg sind wir schon gewesen und thut mir leid die G*** nicht zu sehen, ich schick ihr deinen Brief. Wenn du mir was noch zu sagen hast, so schicks an Toblern den ich gewiß aufsuche. Von Genf hörst du weiter von mir.

Was der treue Cameralische Okulist mit dem Br. Herzog will, versteh ich außer dem Zusammenhang nicht. Wenn’s so ist wie ich vermuthe, mag er’s immer noch ein Paar Jahrhunderte aufschieben, und es soll auch dann wills Gott nicht passen. Es ist nur seit man den Kazzen weisgemacht hat, die Löwen gehören in ihr Geschlecht, daß sich ieder ehrliche Hauskater zutraut er könne und dürfe Löwen und Pardeln die Tazze reichen und sich brüderlich mit ihnen herumsielen die doch ein vor allemal von Gott zu einer andern Art Thiere gebildet sind. Adieu. Eh wir Zürich nahen hörst du mehr von mir.

Bern d. 17. Okt. 79.

Grüs dein Weib und die kleine, es soll mich wundern ob und wie wir uns verändert finden.

Briefe von Goethe an Lavater

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