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1 Zu Christoph Schlingensiefs „Krebs-Trilogie“

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In den im Zentrum der Ausführungen stehenden letzten Theaterarbeiten Christoph Schlingensiefs, entstanden nach seiner Krebsdiagnose im Jahr 2008, spannt sich über die persönliche Auseinandersetzung des Regisseurs mit der eigenen Erkrankung und dem möglicherweise bevorstehenden Tod ein aufgrund seiner intertextuellen und -medialen Dichte bisweilen unentwirrbares Netz aus künstlerischen, philosophischen und religiösen Motivzusammenhängen. Zwar verkörperte der Regisseur bereits vor der tiefgreifenden Zäsur durch seine Krebsdiagnose den Typus eines totalen Künstlers, der die Oszillation zwischen Leben und Werk einmal ironisch distanziert, dann wieder ostentativ emphatisch zur Grundlage seiner Arbeiten machte, doch erst die Krankheit riss die ohnehin seit je instabile Grenze zwischen der Person und dem Künstler Schlingensief vollends ein. Die existentielle Bedrohung, die der „Eindringling Krebs“1 für ihn bedeutete, wirkte sich fortan in der Art einer conditio sine qua non nach dem Motto: „Ich bin, weil ich krank bin“2 auf seine künstlerische Tätigkeit aus, sodass die letzten Inszenierungen vor seinem Tod ganz im Dienst des Dialogs mit sich selbst standen. In den auf diese Weise generierten theatralen Selbstbefragungen agierte Schlingensief nicht wie in vielen seiner früheren Arbeiten als ein Mit-Spieler unter den Schauspielern, sondern ist, in Radikalisierung seiner Doppelfunktion als Autor-Regisseur und Protagonist, zum eigentlichen Sujet der Inszenierungen geworden. Die Besetzung des Zentrums seiner Theaterprojekte liegt diesen Arbeiten durch die Fokussierung auf seinen persönlichen Umgang mit der Krankheit intrinsisch zugrunde.

Zu dem seit je in vielen seiner Bühnenarbeiten herrschenden Spiel mit den Kategorien von Authentizität und Wahrhaftigkeit sowie seinem Versprechen der unbedingten „Haftbarkeit“3 für seine eminent politische, gesellschaftliche und künstlerische Perspektive, die er als strikten Gegensatz zum Verfahren einer künstlerischen Distanzierung qua Provokation auffasste,4 trat nun eine der Realität seiner Krankheit geschuldete brutale Faktizität hinzu. Das Bestreben, das eigene Schicksal zum Ausgangspunkt seiner künstlerischen Reflexionen zu machen und zugleich den Blick auf das Leben wie auf die Kunst durch die Brille der eigenen existentiellen Situation zu werfen, erfolgte in Konsequenz seiner Überzeugung von der unbedingten Rückbindung seiner künstlerischen Tätigkeit an den eigenen psychischen wie physischen Zustand und stellte das gesamte öffentliche Handeln des Künstlers im Zeitraum der Jahre 2008 bis 2010 in einen auf Selbstinszenierung hin angelegten, autobiotheatral kommentierten Zusammenhang. Die Rezensionen zur sogenannten „Krebs-Trilogie“5 Eine Kirche der Angst vor dem Fremden in mir, Der Zwischenstand der Dinge und Mea Culpa etablieren in dieser Hinsicht eine Reihe an Motiven, die für eine analytische Durchleuchtung der Sterbe-Inszenierungen Schlingensiefs vor der Folie der literarisch-autobiographischen Praxis fruchtbar zu machen sind.

Sterben lernen:  Christoph Schlingensiefs autobiotheatrale Selbstmodellierung im Angesicht des Todes

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