Читать книгу Homilien über den ersten und zweiten Brief an Timotheus - Johannes Chrysostomos - Страница 12

Siebente Homilie.

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I.

2. Damit wir ein friedliches und ruhiges Leben führen in aller Gottesfurcht und Ehrbarkeit. 3. Denn Dieß ist angenehm und wohlgefällig vor Gott, unserm Heiland, 4. welcher will, daß alle Menschen das Heil erlangen und zur Erkenntniß der Wahrheit gelangen.

I. Wenn der Apostel will, daß Kriege, Kämpfe und unruhige Zeiten ein Ende nehmen, und wenn er deßwegen den Priester auffordert, für die Herrscher Gebete zu verrichten, so sollen Das viel mehr noch die Laien thun. Es gibt nämlich drei schlimmere Formen des Krieges. Der eine ist der eben genannte, von Staatswegen geführte Krieg, wenn unsere Soldaten gegen das Ausland ziehen. Der zweite ist dann gegeben, wenn wir in sonst friedlichen Zeiten gegen einander Krieg führen; der dritte, wenn Jeder gegen sich selber Krieg führt. Dieser letztere ist sogar der allerschlimmste. Jener erstgenannte Krieg gegen das Ausland vermag uns nämlich nicht sonderlich zu schädigen. Wie sollte er’s denn, sage mir? Er bringt uns den Tod durch Waffen. Aber Das verletzt die Seele nicht. Aber auch der zweite kann uns keinen Schaden bringen, wenn wir es nicht wollen. Denn wenn Andere gegen uns Krieg führen, so können ja wir uns friedlich verhalten. Höre, was der Prophet sagt: „Anstatt daß sie mich liebten, haben sie mich verläumdet, ich aber betete;“94 und wiederum: „Mit Denen, welche den Frieden haßten, war ich friedfertig;“95 und abermals. „Wenn ich mit ihnen sprach, erhoben sie Streit wider mich ohne Ursache.“96 Dem dritten Krieg aber entkommt man unmöglich ohne Gefahr. Denn wenn unser Leib gegen die Seele sich empört und schlimme Begierden weckt, wenn er die Leidenschaften des Blutes bewaffnet, Zorn, Neid, dann ist es nicht möglich, falls dieser Krieg nicht beendigt wird, der verheissenen Seligkeit theilhaftig zu werden, sondern wer diese wilde Bewegung nicht unterdrückt, der fällt und erhält Wunden, die jenen schrecklichen Tod in der Hölle zur Folge haben. Es bedarf daher bei uns tagtäglich vieler Sorge und Vorsicht, daß dieser Krieg in unserm Innern nicht losbreche, und wenn er losgebrochen, daß er nicht fortbestehe, sondern zum Ende und zur Ruhe gebracht werde. Denn was würde es helfen, wenn der Erdkreis der tiefsten Ruhe genöße, du aber mit dir selber Krieg führen würdest? Mit sich selber muß man Frieden haben. Haben wir diesen, dann vermag uns von Dem, was ausser uns vor sich geht, Nichts zu schaden.

Übrigens trägt zu diesem inneren Frieden der politische nicht wenig bei. Darum sagt der Apostel: „Damit wir ein friedliches und ruhiges Leben führen.“ Wenn aber Jemand in friedlichen Zeiten keine Ruhe in sich selber hat, dann ist er ein sehr armer Mensch. Man sieht, der Apostel hier jenen Frieden meint, den ich als den dritten bezeichnet habe. Deßhalb bleibt er bei den Worten. „Damit wir ein friedliches und ruhiges Leben führen“ nicht stehen, sondern fügt bei: „In aller Gottesfurcht und Ehrbarkeit.“ In Gottesfurcht und Ehrbarkeit aber kann man nicht leben, wenn nicht jener Friede hergestellt ist. Denn wenn philosophische Grübeleien unsern Glauben beunruhigen, was ist das für ein Frieden? Wenn der Sturm der Wollust in uns tobt, was ist das für ein Frieden? Damit man nicht glaube, daß der Apostel das menschliche Leben im gewöhnlichen und allgemeinen Sinne meint, wenn er sagt: „Damit wir ein friedliches Leben führen,“ so setzt er bei: „in aller Gottesfurcht und Ehrbarkeit.“ Ein friedliches und ruhiges Leben führt möglicher Weise auch der Heide; auch den Unzüchtigen, den Schwelger und Wollüstling kann man ein solches Leben führen sehen. Damit man nun erfahre, daß der Apostel nicht ein derartiges Leben meint, so setzt er die Worte bei: „in aller Gottesfurcht und Ehrbarkeit.“ Jenes Leben ist ja doch voll Nachstellungen und Kämpfen, indem die Seele jeden Tag verwundet wird im Getümmel sündhafter Empfindungen. Daß aber der Apostel das letztere Leben bezeichnen will, erhellt aus dem Beisatze und weiter daraus, daß er nicht einfach sagt: „in Gottesfurcht“, sondern mit einem Beisatze: „in aller Gottesfurcht.“ Mit diesem Ausdruck scheint er nicht bloß eine gläubige Gesinnung zu verlangen, sondern auch eine solche, die im Lebenswandel sich ausprägt. In beiden muß man ja die Gottesfurcht suchen. Denn was nützt es dem frommen Glauben anzuhangen und dabei ein gottloses Leben zu führen? Daß es aber eine bloß im Lebenswandel sich ausprägende Gottlosigkeit gibt, darüber höre, was der heilige Mann anderwärts sagt: „Sie gestehen zu, Gott zu kennen, mit den Werken aber verläugnen sie ihn;“97 und wiederum: „Er hat den Glauben verläugnet und ist ärger als ein Ungläubiger;“98 und abermals: „Falls Einer sich Bruder nennt und ist dabei ein Hurer oder Geiziger oder Götzendiener, ein Solcher ehrt Gott nicht;“99 und weiter: „Wer seinen Bruder haßt, der kennt Gott nicht.“100 Siehst du, wie viele Sorten der Gottlosigkeit es gibt? Darum heißt es: „In aller Gottesfurcht und Ehrbarkeit.“ Gottlos ist nicht bloß der Hurer, sondern auch der Geizige verdient den Namen eines Gottlosen und Unzüchtigen. Auch der Geiz ist eine Leidenschaft gerade so gut wie die sinnlichen Begierden. Wer also dieser Leidenschaft keine Zucht zu Theil werden läßt, der heißt (mit Recht) ein Unzüchtiger. Denn die Bezeichnung „Unzüchtiger“ stammt von der mangelnden Zucht der Begierde. Daher möchte ich auch den Zornmüthigen einen Unzüchtigen nennen, ebenso den Scheelsüchtigen, den Geldnarren, den Heimtücker; jeder Sünder ist ein Unzüchtiger, ein Gottloser und ein Schwelger.

„Denn Dieß ist angenehm und wohlgefällig vor Gott, unserm Heiland.“ Was ist damit gemeint? Das Gebet für alle Menschen, das nimmt Gott wohlgefällig auf, das will er. „Er will ja, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntniß der Wahrheit gelangen.“


II.

Nimm dir an Gott ein Beispiel! Wenn er will, daß alle Menschen insgesammt das Heil erlangen, dann muß man natürlich auch für Alle insgesammt beten. Wenn er will, daß Alle gerettet werden, dann mußt auch du es wollen. Wenn du es aber willst, dann bete für sie! Solche, die Das wollen, haben die Pflicht, zu beten. Siehst du, wie der Apostel mit allen Mitteln uns zu bewegen sucht, daß wir auch für die Heiden beten? Er zeigt den großen Nutzen, der daraus erwächst: „Damit wir ein friedliches und ruhiges Leben führen.“ Und weiter, was noch viel mehr sagen will, er zeigt, daß auch Gott Solches gefällt, und daß wir in dieser Hinsicht ihm ähnlich werden, insofern wir nämlich Dasselbe wollen wie er. Solche Gründe wären geeignet, auch ein unvernünftiges Thier zu erweichen. Also trage keine Scheu, für die Heiden zu beten! Gott will es ja selber. Scheue dich bloß, ihnen zu fluchen; denn Das will Gott nicht! Wenn man aber für die Heiden beten muß, so muß man es offenbar auch für die Ketzer. Denn für alle Menschen ohne Ausnahme muß man beten, keinen darf man verfolgen. Dieß empfiehlt sich auch von einem andern Standpunkte aus, nämlich deßhalb, weil wir dieselbe menschliche Natur haben wie sie. Und Gott blickt mit Wohlgefallen auf die freundliche und brüderliche Gesinnung, die wir für einander haben.

Wenn also Gott, erwidert man, selbst gewähren will, wozu ist dann mein Gebet nothwendig? Gar Vieles nützt es den Andern und dir selber! In den Andern weckt es die Empfindung christlicher Liebe, dich hinwiederum bewahrt es vor der Verwilderung des Gemüthes. Auch ist es geeignet, für den Glauben zu gewinnen. Viele Menschen sind ja aus Scheelsucht gegen einander von Gott abgefallen. Dieses Gewinnen für den Glauben versteht der Apostel unter dem „Heile“, das Gott will, wenn er sagt: „Welcher will, daß Alle das Heil erlangen.“ Darin liegt ja in Wahrheit das Heil. Ohne den Glauben gibt es kein weiteres Heil, ohne ihn ist „Heil“ ein leerer Schall.

„Und zur Erkenntniß der Wahrheit gelangen.“ Welche Wahrheit ist gemeint? Der Glaube an Gott. Schon früher hatte der Apostel gesagt: „Gebiete ihnen, nicht falsche Lehren aufzustellen!“ Damit aber Niemand derartige Menschen als Feinde behandle und mit ihnen sich entzweie, sagt er hier: „Gott will, daß alle Menschen gerettet werden und zur Erkenntniß der Wahrheit gelangen.“ Sodann nach diesen Worten fährt er fort:

5. Denn ein Gott ist und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen.

Er hatte gesagt, daß alle Menschen zur Erkenntniß der Wahrheit gelangen sollen. Das beweist, daß nicht die ganze Welt sich der Erkenntniß der Wahrheit erfreut. Darum heißt es weiter: „Ein Gott ist,“ zum Beweise, daß es nicht viele Götter gibt, wie Einige glauben. Er sagt, daß Gott seinen Sohn als Mittler geschickt hat, zum Beweise, daß er das Heil aller Menschen will. Wie nun? Ist der Sohn nicht Gott? Jawohl! Warum spricht also der Apostel von „einem Gott“? Damit nimmt er Stellung gegen die Götzen, nicht gegen den Sohn. Er bezeichnet Wahrheit und Irrthum. Der „Mittler“ aber muß zwischen den Beiden stehen, deren Mittler er ist. Die Aufgabe eines Mittlers ist es, die Natur der Beiden, deren Mittler er ist, in sich zu vereinigen. Wenn er nur die Natur des Einen hat und dem Andern ferne steht, so ist er kein Mittler mehr. Wenn also der Sohn nicht Theil hat an der Natur des Vaters, so ist er kein Mittler, sondern das Gegentheil. Wie er Theil hat an der Natur der Menschen, weil er zu den Menschen gekommen ist, so hat er auch Theil an der Natur Gottes, weil er von Gott gekommen ist. Weil er zwischen beide Naturen gestellt ist, so muß er auch beiden Naturen nahe stehen. Gleichwie Etwas, das eine räumliche Mitte einnimmt, den beiden benachbarten Räumen nahe liegt, so muß auch Etwas, das in der Mitte zwischen zwei Naturen steht, beiden Naturen nahe stehen. Wie also der Sohn Mensch geworden, ebenso war er auch Gott. Ein bloßer Mensch wäre kein Mittler gewesen; denn er mußte auch mit Gott verhandeln. In seiner Eigenschaft als Gott wäre er kein Mittler gewesen; denn Diejenigen, für die er den Vermittler machen sollte, hätten ihn nicht aufgenommen. Wie der Apostel an einer andern Stelle sagt: „Ein Gott Vater und ein Herr Jesus Christus,“ so ist auch hier nur von Einem die Rede, nicht von Zwei. Denn da er über die Vielgötterei handelt, so hat er nur von einem einzigen Gott und Mittler gesprochen, damit man nicht der Zahl Zwei eine polytheistische Deutung gebe. Man sieht, wie genau in der heiligen Schrift die Worte abgewogen sind. 1+1=2, Das ist richtig. Aber Das gilt hier nicht, so sehr die Vernunft es nahe legt. Hier heißt es nicht: 1+1=2. Man spricht ja auch Dingen aus, welche die Vernunft nicht nahe legt, wenn man von der Geburt und dem Leiden Christi redet.

Denn ein Gott ist und ein Mittler zwischen Gott und den Menschen, Jesus Christus, 6. welcher sich selber hingegeben hat als Lösegeld für Alle, als Zeugniß zu seiner Zeit.

Also auch für die Heiden; wie? Gewiß. Christus ist auch für die Heiden gestorben. Du aber findest es unerträglich, für sie zu beten. Nun, sagt man, warum haben sie denn nicht geglaubt? Weil sie nicht wollten; Christus hat das Seinige gethan. Das Leiden nennt der Apostel ein „Zeugniß“. Er kam, will er sagen, um für die Wahrheit des Vaters Zeugniß zu geben, und wurde als Opfer hingeschlachtet. Also nicht bloß daß der Vater sich selber Zeugniß gibt, auch der Sohn gibt es dem Vater. „Ich bin gekommen im Namen meines Vaters,“ sagt er;101 und weiter: „Gott hat nie Jemand geschaut;“102 und wiederum: „Damit sie dich, den wahren Gott, erkennen;“103 und abermals: „Gott ist ein Geist.“104 Bis zu seinem Tode also hat er fortwährend Zeugniß gegeben. „Zu seiner Zeit“ ist so viel wie „zur rechten Zeit“.105


III.

7. Für welches ich bestimmt wurde als Herold und Apostel, — ich sage die Wahrheit und lüge nicht, — als Lehrer der Heiden im Glauben und in der Wahrheit.

Nachdem also Christus für die Heiden gelitten hat, und ich als Lehrer der Heiden eigens berufen worden bin, warum betest du nicht für sie? Treffend sagt hier der Apostel, um seine Glaubwürdigkeit zu beweisen: „Ich bin als Herold aufgestellt“ (ἐτέθην), d. h. „eigens berufen“ (ἀφωρίσθην). Denn in diesem Punkte waren die übrigen Apostel sehr lässig.106 Dann fährt er fort: „Als Lehrer der Heiden im Glauben und in der Wahrheit.“ Also wiederum „im Glauben“. Aber damit man beim Vernehmen des Wortes „Glauben“ nicht wähne, daß es sich um eine Täuschung handle, sagt der Apostel: „Und in der Wahrheit.“ Wo Wahrheit ist, gibt es keine Täuschung.

Siehst du, welche Ausdehnung die göttliche Gnade angenommen hat? Deßhalb sagt der Apostel, er sei eigens berufen zum Lehrer der Heiden, um anzudeuten, daß der Strom der göttlichen Gnade sich über die ganze Erde ergießt. „Der sich hingegeben hat als Lösegeld“ heißt es. Wie kann man nun sagen, daß er vom Vater hingegeben wurde? In dem Sinne, daß die Barmherzigkeit des Vaters daran schuld war. „Als Lösegeld“ (ἀντίλυτρον) was will Das sagen? Der Vater stand im Begriffe, die Menschheit zu strafen. Er hat es nicht gethan. Sie sollte zu Grunde gehen. Er hat seinen Sohn für sie hingegeben und uns als Herolde geschickt, um das Kreuz zu predigen.

Diese Thatsache ist dazu angethan, um alle Menschenherzen zu rühren und einen Beweis zu geben für die Liebe, die Christus für uns hegt. Denn wahrhaftig, groß und unaussprechlich ist, was Gott an uns gethan. Er hat sich geopfert für seine Feinde, für Wesen, die ihn haßten, die sich von ihm abwendeten. Was man sonst nicht einmal für Freunde, Kinder, Geschwisterte thut, Das hat der Herr gethan für seine Sklaven, und ein Herr von anderer Natur, als es die Sklaven sind; als Gott hat er es gethan für Menschen, und zwar für Menschen von nicht lobenswerther Art. Wären sie lobenswerth und gut geartet gewesen, so wäre die Sache nicht so gar ausfallend. Nun aber liegt darin das ganz Unbegreifliche, daß Christus für so undankbare und verworfene Menschen gestorben ist. Was von Menschen gegen Mitmenschen nicht geschieht, Das geschah von Gott gegen uns. Und obwohl wir solche Beweise von Liebe erfahren, thun wir spröde und lieben Christum nicht. Er hat sich für uns hingeopfert; wir aber gehen an ihm vorüber, wenn er des täglichen Brodes entbehrt, wir schauen ihn gar nicht an, wenn er krank ist und nackt. Welches Maß des göttlichen Zornes verdient ein solches Benehmen, welches Maß der Strafe, welchen Grad der Hölle! Wenn gar nichts Anderes, wäre nicht die Thatsache allein, daß er menschliches Elend zu seinem eigenen macht, daß er sagt: „Ich hungere und dürste,“ geeignet, alle Herzen zu gewinnen? Aber, aber. O dieser Tyrann, das Geld! Oder vielmehr diese Erbärmlichkeit der Menschen, die sich ihm als Sklaven verschrieben haben! Nicht das Geld an und für sich besitzt eine große Kraft, sondern wir sind gar so verworfen und sklavisch, wir sind so gemein und irdisch gesinnt, wir sind so fleischlich und thöricht. Das Geld selber hat keine große Gewalt. Was vermag es denn, sag’ doch? Es ist todt und empfindungslos. Wenn der Teufel ein Nichts ist, der frevelhafte Dämon, der doch so böse ist und Alles durch einander bringt, was sollte das Geld für eine Gewalt haben? Wenn du Silber siehst, bilde dir ein, es sei Zinn! Du kannst Das nicht? Gut, so bilde dir ein, was wirklich der Fall ist, es sei ein Klumpen Erde! Denn Erde ist es in der That. Aber auch zu dieser Vorstellung kannst du dich nicht verstehen! Nun so beherzige, daß wir (durch das Geld) zu Grunde gehen, daß gar Viele von den besitzenden Leuten so viel wie gar keinen Profit von ihrem Gelde gehabt haben, daß Tausende, die auf ihr Geld pochten, Asche und Staub geworden sind, daß sie jetzt die härteste Strafe erdulden und viel armseliger sind als Leute, die zwischen Scherben und Schmutz lebten,107 und daß die Leute, die auf elfenbeinernen Ruhebetten liegen, oft elender daran sind als der Arme in seinem Schmutze.

Aber das Geld erfreut durch seinen Anblick? Nun, vieles Andere gewährt einen schöneren Anblick als das Geld. Der Blumenflor, der klare Luftraum, das Himmelsgewölbe, die Sonne erfreut das Auge viel mehr. Das Metall hat sogar vielen Rost an sich, weßhalb Viele es sogar für schwarz erklärt haben. Man sieht Das deutlich an dem geschwärzten Gepräge der Münzen. An der Sonne aber, im Himmelsraum, an den Sternen sieht man keine schwarzen Flecken. Die schimmernde Pracht dieser Dinge gewährt einen ganz andern Genuß als die Farbe des Metalles. Also nicht der Metallglanz ist es, der am Gelde entrückt, sondern die gesättigte Habgier, die Sünde. Das erquickt das Herz, nicht das Silber. Verbanne diese Gesinnung aus deinem Herzen, dann wirst du gleich sehen, daß dieses kostbare Ding werthloser ist als ein Lehmklumpen! Verbanne die Leidenschaft! Auch die Fieberkranken lechzen, wenn sie schmutzige Jauche sehen, darnach wie nach frischem Quellwasser; die Gesunden aber im normalen Zustande verlangen oft gar kein Wasser. Verbanne diese Krankheit, und du wirst die Dinge ansehen, wie sie sind! Und damit du wissest, daß ich nicht die Unwahrheit sage, so sage ich dir, ich kann gar viele Beispiele anführen von Solchen, die es so gemacht haben. Ersticke das Feuer der Habgier, und du wirst finden, daß das Geld viel werthloser ist als die Blumen! Etwas Schönes ist es um das Gold? Allerdings, als Almosen, als Unterstützung für die Armen ist es etwas Schönes, aber nicht, wenn es unvernünftig verwendet wird, nicht, wenn es im Kasten versteckt, im Boden vergraben liegt, nicht, wenn es als Schmuck an Händen, Füßen und Köpfen glänzt. Deßhalb ist es erschaffen, nicht damit wir das Ebenbild Gottes damit in Fesseln schlagen, sondern damit wir Gefangene damit aus den Fesseln befreien. Zu solchem Zwecke verwende das Gold! Befreie den Gefangenen von seinen Ketten, aber schlage nicht die freie Seele in Ketten! Warum schätzest du diesen Tand höher denn Alles, wie? Bildet es etwa, weil es Gold ist, keine Fessel mehr? Kommt es bei einer Fessel auf das Material an? Ob Gold, ob Eisen, Das ist ganz gleich. Im Gegentheil, die goldene Kette ist noch schwerer als die eiserne. Aber was gibt dem Ding ein so geringes Gewicht? Die eitle Prahlerei, das Vergnügen des Weibes, vor aller Augen ihre goldenen Fesseln zu tragen, worüber sie vielmehr sich schämen sollte. Wenn du dich überzeugen willst, daß ich Recht habe, lege ihr diese Goldketten um und führe sie in die Einöde hinaus, wo Niemand sie sieht, und sie wird dieselben sofort als Last fühlen und beschwerlich finden. Fürchten wir uns, Geliebte, wir möchten einst jene fürchterlichen Worte hören: „Bindet sie an Händen und Füßen!“108 Warum thust du, o Weib, Dieß schon an dir selber? Kein Gefangener wird an Händen und Füßen zugleich gefesselt. Warum legst du dir sogar eine Fessel um den Kopf? Hast du an Händen und Füßen nicht genug? Warum windest du auch um den Nacken noch hundert Ketten? Von den Sorgen, die daran hängen, rede ich gar nicht: von der Angst, der Beklommenheit der Frau, von dem Kampf mit dem Manne, wenn sie einmal solche Dinge braucht, von dem Todesschrecken, den sie hat, wenn einmal Etwas davon verloren geht. Ist Das ein Vergnügen, wie? Um die Augen Anderer zu ergötzen, beschwerst du dich mit Fesseln, mit Sorgen, mit Gefahren, mit täglichen Unannehmlichkeiten und Zankereien? Verdient Das nicht die schärfste Verdammung und Verurtheilung? Nein, ich beschwöre euch, thun wir nicht also! Lösen wir vielmehr alle ungerechten Bande! Theilen wir unser Brod mit dem Armen! Thun wir Alles, was uns Ansehen bei Gott zu erwerben vermag, damit wir der verheissenen Seligkeit theilhaftig werden in Christus Jesus, unserm Herrn, mit welchem dem Vater und dem heiligen Geiste sei Ruhm, Herrschaft und Ehre jetzt und allezeit und in alle Ewigkeit. Amen.

Homilien über den ersten und zweiten Brief an Timotheus

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