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ZUM PRINZIP

„Nimm etwas weniger, aber dafür von vielen!“

Wer heute glaubt, seinen Anhängern auch noch das allerletzte Hemd abknöpfen zu müssen, hängt geistig noch im letzten Jahrtausend fest oder er ist ganz einfach ein hoffnungsloser Narzisst. Sicher, das klassische Guru-Jünger-Schema verlangt die totale Unterwerfung seitens der Gefolgschaft und folgerichtig auch die Darbringung des geistigen und vor allem finanziellen Vermögens der Novizen. Diese geben alles, nur um sich am Charisma ihres Idols zu laben. Landläufig nennt man so etwas eine Sekte. Und so lange Persönlichkeitsstörungen nicht an Bannkraft einbüßen, werden fanatische Führer um ihre Gefolgschaft buhlen oder auch umgekehrt. Wie auch immer, die einen flankieren jubelnd den Wegesrand, während „Er“ sich an ihrer ungeteilten Aufmerksamkeit weidet. Sie hausen in Hütten und „Er“ absolviert seinen täglichen Drive By im Rolls-Royce. Ob nun bei Bhagwan12 oder anderen vergleichbaren Führern, so und ähnlich präsentieren sich die Assoziationen, die das Wort „Sekte“ in uns hervorruft.

Doch die Zeiten haben sich geändert. Denn heutzutage sind es keine offensichtlichen Gurus mehr, die den großen Reibach machen. Natürlich, das Kapital fließt wie eh und je, doch die esoterische Elite unserer Tage verhält sich weniger auffällig als noch ihre Wegbereiter. Die Rede ist hier von schlauen Unternehmern, die wissen, wie der besagte Panther läuft. Was das Marketing betrifft, scheint der Großteil von ihnen klar im Geiste. Immerhin versteht man es, sich auf smarte Art und Weise ein bekömmliches Leben zu finanzieren. In den Schlagzeilen sucht man diese spirituellen Besserverdiener vergebens. Auch von Bewunderung halten sie nicht allzu viel. Vielmehr ergibt sich diese nur als ein kaum zu vermeidendes Nebenprodukt des dahinter stehenden Vertriebsmodells. Der Beifall gehört eben dazu, man spielt halt mit. Aber dennoch, verglichen mit den hier besprochenen Systemen wirkt der althergebrachte Psycho-Kult wie ein Auslaufmodell. Zu riskant, zu viel Investment und schlichtweg zu uncool erscheint die Geschäftsgebarung einer Esoterik alter Schule.

Masse bringt Klasse – Esoterik im Netz

Wer im spirituellen Business hip sein will, dreht den Spieß um. Warum sollte man von einem begrenzten Personenkreis das gesamte Geld einfordern, wenn es auch nachhaltiger geht13? Der US-Präsidentschaftswahlkampf hat es uns erstmals praxisnah vor Augen geführt: „Nimm ein bisschen weniger, dafür aber von Tausenden“, lautete die Devise. So wie erfolgreiche Politiker mittels „Crowdfunding“14 ihren Wahlkampf finanzierten, so ähnlich bespielt auch der Businessplan esoterischer Fabrikanten alle Vertriebskanäle des Internetmarketings. Nicht umsonst sprechen die Trendforscher von „E-Soterik“ [14].

Die spirituelle Community besiedelt Facebook und Co. Man informiert sich in Foren, korrespondiert in Chats und bestellt gemeinsam im Webshop. Der Zauber eines magischen In-der-Welt-Seins vermischt sich dabei spielend mit dem Cyber der Webplattformen. Hierfür gibt es gute Gründe. Schließlich besteht die Wesensähnlichkeit der übersinnlichen und der Netzatmosphäre in ihrer Virtualität. Gerade das Internet wird so für feinstoffliche Produzenten und deren Kunden zu einer idealen Lande- und Abflugbasis.

Und hieraus lässt sich ordentlich Kapital schlagen. Denn genauso wie beispielsweise Sexshops ins Netz abgewandert sind, bestellt man nun Matrix-Amulette per Mausklick. Gerade der Internethandel hat ehemals verrufenen Angeboten zu ungeahntem Aufschwung verholfen und insbesondere auch energetischen Artikeln den Weg zur Mehrheitsgesellschaft geebnet. Das Onlinegeschäft floriert und, siehe da, beide Branchen, Erotik und Esoterik, haben die jüngste Finanzkrise ohne nennenswerte Einbußen gemeistert [64]15. Wer also mit Begriffen wie „Franchise“ oder „Affiliate-Marketing“16 mehr als nur spanische Dörfer verbindet, kann hier die Gunst der Stunde nutzen. Mitunter bringt er es in der Esoterik 2.0 zu einer viel breiteren Abnehmerschaft als so mancher altgediente Prediger.

Die Rechnung ist einfach

Es geht nicht mehr darum, einigen wenigen ihr Gesamtvermögen abzuknöpfen. Nein, heutzutage füllt man Spiritualität in kleine Fläschchen und verkauft sie an eine breite Masse. Aura-Essenzen für 24,30 Euro pro Stück, da wird wohl niemand so schnell pleite gehen. Außerdem will man ja die Kaufkraft der Kunden einigermaßen am Leben erhalten, oder?

Fälle wie Manuel? Solche kann es immer geben. Da kann niemand was dafür. Vermutlich war er noch nicht so weit.

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Spirituelle Führer dieser Tage verstehen sich als moderne Unternehmer. In diesem Sinne zielen sie weniger auf die finanzielle Totalausbeutung einzelner Jünger ab, als vielmehr auf die Erschließung eines größtmöglichen Massenmarkts. Mithilfe des Internets bedient man ein Millionenpublikum mit spirituellen Produkten. Kosten und unternehmerisches Risiko werden dabei minimiert.

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