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WIE DIE WIRTSCHAFT IHREN SINN VERLOR

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Die Wirtschaft ist entstanden, um den Menschen das Leben zu erleichtern. Um ihnen zu dienen und ihnen dabei zu helfen, sich selbst zu verwirklichen. Sie sollte ihnen Möglichkeiten und Freiheiten geben, indem sie ihnen die Last abnahm, selbst für ihr Überleben zu sorgen.

Von dieser Idee sind wir im 21. Jahrhundert weiter entfernt als je zuvor. In vielen Bereichen hat die Wirtschaft ein Eigenleben entwickelt und das Verhältnis von Geben und Nehmen umgekehrt: Wir sind die Sklaven der Wirtschaft geworden. Wir füttern sie, damit sie immer fetter und fetter wird, während sie uns langsam verschlingt. Sie ist zu einer kapitalistischen Monsterwirtschaft geworden.

Leise und unbemerkt hat sie uns zu Arbeitnehmern gemacht, die sich ihren Bedürfnissen unterwerfen, und zu Kunden, die vom Konsum leben. Niemand fragt mehr: Was möchte ich eigentlich wirklich machen? Was erfüllt mich? Brauche ich das überhaupt? Vielmehr flüstert uns die Wirtschaft ein: Befolge meine Regeln, dann wird alles gut. Ideen sind ein Luxus, den du dir nicht leisten kannst, wenn du Erfolg haben willst. Sie flüstert: Der ganze Spaß liegt doch genau darin, etwas zu kaufen, das du nicht brauchst. Ihre Stimme klingt mittlerweile so vertraut, dass wir sie für unsere eigene halten.

Diese Stimme findet sich etwa im Slogan der österreichischen Wirtschaftskammer wieder:

Geht es der Wirtschaft gut, geht es uns allen gut.

Der Satz insinuiert, dass es zuvorderst der Wirtschaft gutgehen müsse. Ihr Wohlergehen steht demnach über allem anderen. Strample dich als Arbeitnehmer und Konsument in einem Hamsterrad ab. Denk nicht, sondern lauf. Strample und konsumiere. Dann rettest du die Welt. Das ist es, was uns solche Slogans verkaufen wollen.

Das Gefühl, dass an diesem Versprechen etwas nicht stimmt, schleicht sich immer mehr in unsere Gesellschaft ein. Ein Kulminationspunkt waren die Jahre nach der Weltwirtschaftskrise 2008 und 2009. Die Aktienkurse waren nach oben geschossen und die Unternehmen immer wertvoller geworden. Kein Preis war zu hoch, kein Deal zu groß, Wachstum wurde zur neuen Normalität. Die Steuersäckel von Ländern wie Deutschland und Österreich liefen über. Der Wirtschaft ging es prächtig.

Doch viele Menschen lasen von den Rekorden nur in der Zeitung. Sie fragten sich, von welcher Welt da eigentlich die Rede war. In ihrem Leben kamen die exorbitanten Gewinne nicht an. Sie spürten nur den Leistungsdruck, der ins Unendliche zu wachsen schien, und fürchteten um ihre Jobs, weil die Unternehmen auf Effizienz getrimmt, digitalisiert und automatisiert wurden. Sie fühlten sich als lästige Anhängsel einer Wirtschaft, in der sie nur Ballast waren und alles andere als systemrelevant.

Das System zu hinterfragen wagten sich allerdings nur die wenigsten. Wer will dem Modus, in dem wir arbeiten, die Schuld zuweisen? Die Schuld, das war höchstens das eigene Unvermögen oder die steigende Zahl von Einwanderern, die ihnen populistische Parteien als Job- und Ressourcen-Räuber verkauften.

Die Gesetze der kapitalistischen Monsterwirtschaft zu hinterfragen, kam vielen hingegen vor, wie das Gesetz der Schwerkraft anzuzweifeln. Das System lief ja. Sollte die Wirtschaft ein paar Quartale hintereinander einknicken oder gar kollabieren, wäre das auf der Jahrhundertachse nur ein kurzes Stolpern, niemals jedoch ein tiefer Sturz. Vielleicht gäbe es ein paar Jahre lang eine Rezession, aber früher oder später ginge es wieder von vorne los.

Eine neue Wirtschaft

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