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Die Märchengeschichte über den Kapitalismus

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Der größte Trick des Teufels, besagt ein Sprichwort, war es, so zu tun, als gäbe es ihn nicht. Der größte Trick der Monsterwirtschaft ist es, so zu tun, als gäbe es keine Alternativen. Wenn Alternativen entstehen, wehrt sie sich mit allen Mitteln dagegen. Sie kommt mit ihren Verlockungen und verschlingt sie, oder sie treibt ihre Protagonisten in den Ruin.

Im Westen hören wir oft, dass die friedlichen Proteste der osteuropäischen Länder gegen ihre kommunistischen Regierungen in den 1980er-Jahren einzig und allein das Ziel hatten, den westlichen Lebensstil zu kopieren. Das wird gemeinhin als Beleg dafür genommen, dass es keine Alternative zum Kapitalismus gibt. Jedes andere Wirtschaftssystem bringt in dieser Sichtweise Armut hervor, wie man sie in den ehemaligen kommunistischen Staaten erlebt hat. Doch so einfach ist es nicht. Die Menschen protestierten nicht bloß gegen ein totalitäres Regime und für den kapitalistischen Westen, sondern auch für eine faire und gerechte Wirtschaft, die solidarisch ist.

Tatsächlich hat die Demokratisierung von Ländern wie Polen oder Ungarn politische Freiheiten für ihre Bürger hervorgebracht, die unter kommunistischer Herrschaft undenkbar waren. Doch auch in diesen Ländern zeigte sich der Kapitalismus bald von seiner hässlichsten Seite. Viele Menschen haben noch heute mit finanziellen Problemen zu kämpfen. Der Reichtum ist ungleich verteilt. Ungerechtigkeiten haben populistische Parteien an die Macht gespült, die die Demokratie für ein lästiges Übel halten. Politiker wie der ungarische Premierminister Viktor Orbán sprechen von einer »illiberalen Demokratie«, und meinen damit in Wahrheit: Kapitalismus ja, Demokratie lieber nicht.

Die angebliche Alternativlosigkeit zum westlichen Kapitalismus hat in den vergangenen dreißig Jahren jeden Widerstand im Keim erstickt. In den Köpfen der meisten Menschen ist der Kapitalismus mit Frieden und Wohlstand verknüpft. Der Wirtschaft müssen wir alles unterordnen. Solange das Wachstum anhält, wird es uns gut gehen.

Dabei gibt es diese Alternativlosigkeit noch gar nicht lange. In den 1970er- und 1980er-Jahren hatten viele Menschen noch ein Bewusstsein dafür, dass etwas auf dieser Welt falsch läuft. Menschen erkannten, dass unsere Art zu wirtschaften den Planeten ausbeutet und Lebenschancen zerstört. Sie erkannten, dass wir mit unserer Lebensweise zur Vernichtung von Natur und Umwelt beitragen. Diese Denkart lässt sich in einem Satz zusammenfassen:

Der Konsum zerstört den Planeten.

Die Börsenmilliardäre und politischen Amtsträger, die ihren Erfolg dem Wirtschaftssystem verdankten, lachten über die Warnungen der »Öko-Freaks«. Deren Gerede vom Klimawandel, der Vernichtung der Regenwälder, der Vermüllung der Meere und der Vergiftung der Böden klang in ihren Ohren nach einer Schauergeschichte für Kinder. Seither haben die Ausbeutung der natürlichen Ressourcen, die Zerstörung von Lebensraum und die Verschmutzung von Luft und Wasser zugenommen. Die Realität hat die schlimmsten Befürchtungen der »Öko-Freaks« übertroffen.

Einst sollte die Wirtschaft die Menschen auf der ganzen Welt zu einem globalen »Wir« verbinden. Stattdessen ist sie zu einem Monster geworden, das wenige Menschen zu sagenhaftem Reichtum führt, während es den Großteil der Erdbevölkerung mit einem zerstörten Planeten zurücklässt.

Heute kontrollieren rund 2.000 Menschen der Welt mehr Geldvermögen als die ärmsten 4,6 Milliarden. Fast die Hälfte aller Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer auf der ganzen Welt muss jeden Tag mit weniger als anderthalb Euro auskommen. Ein Fünftel von ihnen hat weniger als 75 Cent pro Tag zur Verfügung. Und dennoch bestimmt ein Gesetz die Wirtschaft dieser Welt:

Der Konsum rettet den Planeten.

Wirtschaftsexperten haben dafür eine einfache Erklärung: Ohne Konsum gibt es kein Wachstum, und ohne Wachstum geht die Wirtschaft zu Ende.

Die Finanzwirtschaft hat sich zu einem überfressenen, entkoppelten Monster entwickelt, das ein Eigenleben führt. Nicht mehr die Menschen lenken die Wirtschaft, die Wirtschaft lenkt die Menschen nach ihren eigenen Vorlieben. Ihre Lieblingsdisziplin: Wachstum.

Die Börsenwirtschaft ist zu einem Kasino geworden, in dem die Lust am Zocken keine Grenzen kennt. Die Finanzprodukte heißen Futures, Options, Swaps, ETF’s, CDS, CDO’s. Sie sind das Merkmal einer inneren, tief verwurzelten Habgier, gemischt mit einer ordentlichen Portion Hochmut und einer Prise Hemmungslosigkeit. Wenige Filme haben dieses Phänomen so anschaulich verarbeitet wie Oliver Stones Streifen Wall Street. Darin spielt Charlie Sheen einen jungen Broker an der Wall Street, der an den erfolgreichen und skrupellosen Gordon Gekko (Michael Douglas) gerät. In der berühmtesten Szene des Films fasst Gekko sein Erfolgsrezept in drei Worten zusammen:

Gier ist gut.

Gier hält die Wirtschaft am Laufen. Gier sorgt für das stetige Wachstum. Gier will aus viel Geld noch mehr Geld machen.

Wenn wir das hören, müssen wir uns unweigerlich fragen: Wie konnte es so weit kommen? Wann wurde diese Monsterwirtschaft geboren?

Eine neue Wirtschaft

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