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4.4.1 Formal versus funktional
ОглавлениеDie formale Grammatik ist als „formbezogene Sprachanalyse“ aufzufassen, deren Augenmerk auf der Vermittlung von „grammatischen Kategorien“ liegt (Eisenberg & Menzel 1995, 14), losgelöst von einer konkreten Anwendung. Beispielsweise werden die Tempora Präteritum und Perfekt eingeführt, ohne darauf zu verweisen, dass, vereinfacht gesagt, das Präteritum (Imperfekt) in erster Linie das Tempus der Schriftlichkeit ist, wohingegen das Perfekt eher in mündlichen Kontexten Verwendung findet. Diese Variante des Unterrichtens ist vielleicht noch aus dem traditionellen Grammatikunterricht bekannt, wo eine deduktive und präskriptive Vermittlung des Stoffes im Zentrum stand (vgl. Bredel 2013, 227).
Bei einem funktionalen Grammatikunterricht hingegen liegt der Fokus darauf, „semantische, textuelle und kommunikative Kategorien zu den grammatischen in Beziehung [zu] setzen“ (Eisenberg & Menzel 1995, 15). Intendiert sind dabei unter anderem folgende Ziele (vgl. Bredel 2013, 233–234):
Identifizierung von sprachlichen Mustern/Strukturen (zum Beispiel: Ermittlung von Satzgliedern);
Funktionalität (Ermittlung der Funktion von Wortarten im Satz);
Sprachkritikfähigkeit (Umgang mit Normvorstellungen).
Auch hier bietet es sich an, ausgehend von den bereits thematisierten Satzbauplänen zum Beispiel über die Glinz’schen Tests Satzglieder segmentieren zu lassen und anschließend deren Funktion zu ermitteln. Eine weitere Möglichkeit ist die Identifizierung von Wortstämmen (Sommer, sommerlich, Sommerkleid). Im Zentrum steht also in erster Linie der konkrete Sprachgebrauch und weniger eine formale Sprachsystemanalyse, was bisweilen auch als Kritik an dem Modell vorgebracht wird (vgl. Bredel 2013, 237).
Für die Unterrichtspraxis bedeutet dies, um bei den Tempora zu bleiben, dass Präteritumsformen zum Beispiel anhand einer schriftlichen Erzählung eingeübt werden, wobei auch der Unterschied zwischen Perfekt und Präteritum erläutert wird (Funktionalität). Im Schulunterricht kann auch eine fehlerhafte Aufschrift untersucht werden wie Lisa’s Nähstube und Ananässer. Um Sprachkritikfähigkeit zu schulen, sollen die Kinder zunächst die Fehler finden und eventuell auch Überlegungen anstellen, weshalb diese passiert sein könnten. Eine weitere Möglichkeit wäre, Schülerinnen und Schüler im Internet eigenständig nach „Verschreibern“ suchen zu lassen.