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4.4.5 Grammatik-Werkstatt
ОглавлениеEisenberg & Menzel (1995, 15) bemängeln am herkömmlichen Grammatikunterricht, dass Schülerinnen und Schüler nach wie vor zu wenig über grammatikalische Methoden und Herangehensweisen erfahren, welche sie befähigen könnten, eigenständig Kategorien zu entwickeln bzw. Entscheidungen über die Un- bzw. Angemessenheit von Varianten zu treffen. Diese Tatsache hat die beiden Wissenschaftler dazu bewogen, das induktive Modell der Grammatik-Werkstatt zu entwickeln. Intention ist es, den Kategorisierungsprozess bzw. den Weg zur Kategorisierung in den Fokus zu stellen:
Junge Menschen sollen an der Aufstellung der grammatischen Kategorien beteiligt werden – und nicht nur immer den Resultaten dieser Prozesse begegnen. Dabei sollen sie Einsichten gewinnen, wie unsere Sprache gebaut ist, sollen ihr System entdecken (Eisenberg & Menzel 1995, 16).
Als Legitimation für diese Vorgehensweise werden unter anderem der lernpsychologische Aspekt (eigenständige Aktivität führt zum besseren Verständnis und Durchdringen eines Sachverhalts) und der pädagogische Aspekt (ein Sachverhalt wird in erster Linie dann behalten, wenn der Lernende entsprechende Verfahren nachvollziehen kann) angeführt (vgl. Eisenberg & Menzel 1995, 17). Es geht also darum, dass Lernende an den „Kategorisierungsprozesse[n]“ beteiligt werden (Eisenberg & Menzel 1995, 17).
Wie dies in der Praxis auszusehen hat, wird von Eisenberg und Menzel unter anderem am Beispiel der grammatischen Kategorie des Adjektivs demonstriert. Eine relativ häufig vorkommende Wortart des Deutschen, die unterschiedliche Formen und Komplexitäten aufweisen kann (vgl. hierzu auch Eisenberg & Menzel 1995, 22). Adjektive wie schön, klug, laut beispielsweise sind einsilbig. Besondere, leise und feige bestehen aus mehreren Silben. Witzig, sommerlich und machbar sind Ableitungen (Witz → witzig, Sommer → sommerlich, mach- → machbar). Manche sind durch Präfigierungen entstanden: unschön, missmutig.
Im Schulkontext stehen aber wohl weniger die Formen von Adjektiven im Mittelpunkt als die entsprechenden Funktionen im Satz. Herkömmlicherweise wird das Adjektiv zur Bezeichnung von Eigenschaften verwendet und es kann im Satz unterschiedliche syntaktische Funktionen innehaben. Als didaktische Methode zur Ermittlung der Funktion des Adjektivs innerhalb einer Nominalphrase eignet sich das im Kapitel zur Orthographie erläuterte „Treppengedicht“. Sehen wir uns folgende drei Beispielsätze an:
1 Das Mädchen ist intelligent.
2 Das intelligente Mädchen.
3 Das Mädchen spricht intelligent.
Im ersten Beispielsatz wird das Adjektiv in prädikativer Funktion verwendet, es bezieht sich auf das Subjekt des Satzes, indem es ihm eine Eigenschaft zuschreibt. Beispielsatz VI weist eine attributive Verwendung auf, das Adjektiv intelligent ist eine (nicht notwendige) Zusatzinformation zum Kern Mädchen. In Satz VII hingegen wird intelligent in adverbialer Funktion gebraucht, es wird, vereinfacht gesagt, das Verb näher bestimmt. Die drei beschriebenen Funktionen sind für den Schulkontext am relevantesten, da sie sehr häufig vorkommen.
Um die unterschiedlichen syntaktischen Funktionen des Adjektivs beschreiben und nachvollziehen zu können, können unterschiedliche Operationen durchgeführt werden (vgl. Eisenberg & Menzel 1995, 22):
Beispielsweise ist eine Umformung von V zu VI oder auch zu VII möglich, indem das Adjektiv einmal eine Flexionsendung enthält (wobei das finite Verb ist wegfällt) und einmal der Fokus des Adjektivs sich vom Subjekt auf das Verb verlagert. Der/die Lernende kann somit nachvollziehen, was ein Adjektiv im Satz Unterschiedliches leistet. Eine weitere Möglichkeit stellt die Umformung in Vergleichssätze dar:
1 Das Mädchen ist intelligenter als ihre Mitschüler.
2 Das Mädchen ist am intelligentesten von allen in der ganzen Klasse.
Die beiden Sätze führen vor, dass Adjektive prinzipiell immer für Beschreibungen von Eigenschaften stehen. Diese Kategorisierung soll insgesamt den Schülerinnen und Schülern helfen, die unterschiedlichen Funktionen dieser Wortart zu verstehen. Die Kernfunktion der Eigenschaftszuschreibung und -beschreibung bleibt dieselbe. Schülerinnen und Schüler sollten durch die Handlungsabläufe auch befähigt werden, ihr Wissen auf andere Wortarten oder auch Kategorisierungsprozesse zu übertragen.
Die Grammatik-Werkstatt hat aber auch ihre Grenzen. Oftmals wird moniert, dass vor allem schwächere Schülerinnen und Schüler dadurch überfordert werden, weil ein Sprachverständnis vorausgesetzt wird, das diesen bisweilen noch fehlt.
Welche Grammatikkonzeption erachten Sie im Hinblick auf den Schulgebrauch für sinnvoll? Überlegen Sie sich für jede Konzeption eine schulische Anwendungsmöglichkeit. Versuchen Sie, das Modell der Grammatik-Werkstatt auf ein selbstgewähltes Beispiel zu übertragen.