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4.6 Zur Diagnose: Grießhabers Profilanalyse

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Eines der bekanntesten Konzepte zur Ermittlung des syntaktischen Spracherwerbsstands eines Kindes, das sowohl für den Erst- als auch für den Zweitspracherwerb angewendet werden kann, ist Grießhaber Profilanalyse. Diese zielt auf die Ermittlung der „grammatischen Komplexität“ (2013, 1) von Äußerungen im mündlichen, aber auch im schriftlichen Kontext ab, indem sie anhand der Stellung und Anordnung der in den Äußerungen enthaltenen verbalen Teile die Erwerbstufe eines Kindes ableitet. Die Profilanalyse basiert auf der Annahme, dass „die grundlegenden Wortstellungsmuster […] in bestimmten Reihenfolgen erworben [werden]“ (Grießhaber 2013, 1).

Anhand der Profilanalyse wird „die syntaktische Struktur von Äußerungen“ ermittelt, wobei „die Verteilung der Strukturen […] das Profil [bildet]“, wovon sich dann die entsprechende „Erwerbsstufe“ ableiten lässt (Grießhaber 2013, 1). Daraus ergibt sich folgende Vorgehensweise (Grießhaber 2013, 1):

1 Mündliche oder auch schriftliche Äußerungen werden in „minimale satzwertige Einheiten“ aufgegliedert.

2 Ermittlung der jeweiligen „syntaktischen Struktur“ (zum Beispiel mit Hilfe des Feldermodells, vgl. Kapitel 03), woraus sich das „syntaktische Profil“ ergibt.

3 Aus dem ermittelten Profil wird die Profilstufe abgeleitet.

Anhand der in Tab. 4.5 dargestellten Wortstellungsmuster werden, fußend auf der Stellung der verbalen Teile im Satz, zunächst fünf (0–4) Profilstufen abgeleitet:

VoF li. Kl. MiF r. Kl.
4 Verbendstellung …, dass sie ins Theater geht.
3 Inversion Danach geht Maria nach Hause.
Wen will Maria treffen?
Kommst du morgen?
Komm!
2 Separation Maria kommt um 8 Uhr an.
Maria ist ins Theater gegangen.
Er hat Angst, die Tür aufzumachen.
1 Finitum Maria geht ins Kino.
0 Bruchstücke Danke!

Tab. 4.5:

Wortstellungmuster, auf denen die Profilstufen basieren (nach Grießhaber 2013, 2)

Grießhaber setzt zunächst basal bruchstückhafte Elemente an (Profilstufe 0), wie sie im mündlichen Kontext durchaus vorkommen können (vgl. Grießhaber 2013, 3). Als Beispiel nennt er Danke! als Platzhalter für beliebige Einwortäußerungen, die generell typisch sind für Spracherwerbsprozesse sowohl im Erst- als auch im Zweitspracherwerb. Profilstufe 1 (Finitum) ist erreicht, wenn einfache Sätze mit einem finiten Verb, das im Satz die zweite Position einnimmt, gebildet werden. Vor dem finiten Verb, das in folgendem Satz das Vollverb ist, steht das Subjekt: Maria geht ins Kino. Stufe 2 (Separation) ist erlangt, wenn ein Satz mit finiten und infiniten Verben (Maria ist [finites Verb] ins Theater gegangen [infinites Verb].) bzw. mit trennbaren Verben (Maria kommt um 8 Uhr an) konstruiert wird. Profilstufe 3 (Inversion) ist dadurch gekennzeichnet, dass bei einer Inversion das Subjekt die Position nach dem finiten Verb einnimmt (Danach geht Maria nach Hause), was beispielsweise bei Erzählungen der Fall sein kann (vgl. Grießhaber 2013, 2). Stufe 4 (Verbendstellung) fokussiert die Verbletztstellung des finiten Verbs in Nebensätzen (…, dass sie ins Theater geht), wodurch „komplexe und differenzierte Aussagen“ realisiert werden können (Grießhaber 2013, 3).

Aus dem von Grießhaber (2009a) entwickelten Sprachprofilbogen für die Sekundarstufe sind zusätzlich die Stufen 5 (Insertion eines Nebensatzes) und 6 (Erweitertes Partizipialattribut in einer Nominalkonstruktion) ersichtlich (für den Sprachprofilbogen Grundschule vgl. Grießhaber 2009b).

Für die Erstellung eines aussagekräftigen Profils ist zu beachten, dass möglichst viele und umfangreiche Äußerungen existieren sollten. Für die Ermittlung des Sprachstands mithilfe schriftlicher Äußerungen sind laut Grießhaber (2013, 4) vor allem „erzählende Texte“ hilfreich, deren Initiation „mit visuellen Impulsen“ (z.B. Bildergeschichten, Comics) möglich ist. Etwaige Rechtschreibfehler sind, sofern die intendierten Wörter noch erkennbar sind, irrelevant (vgl. Grießhaber 2013, 5). Zu berücksichtigen ist allerdings das „Prinzip der Mindestvorkommen“ (Grießhaber 2013, 6), sprich, falls ein syntaktisches Muster mindestens dreimal vorhanden ist, kann davon ausgegangen werden, dass dieser Sprachstand erreicht ist, wobei „der Erwerb einer höheren Stufe auch den Erwerb der niedrigeren Stufen [umfasst]“ (Grießhaber 2013, 6).

Grießhaber weist zudem explizit darauf hin, dass die Erwerbsstufe einer Schülerin/eines Schülers mit dem entsprechenden Wortschatz verknüpft ist (vgl. Grießhaber 2013, 1). Ab Erwerbsstufe 4 kann ein differenzierter Wortschatz angenommen werden. In der 2. Stufe beispielsweise ist der Wortschatz zwar bereits in ausreichender Form vorhanden, jedoch noch lückenhaft und es liegen zudem Unsicherheiten in Bezug auf das Genus vor (vgl. Grießhaber 2013, 9). Mit den Profilstufen wird also nicht nur die syntaktische Komplexität gemessen, sondern auch der bereits erworbene Wortschatz.

Führen Sie bei den folgenden beiden Schülertexten eine Sprachprofilanalyse durch. Achten Sie darauf, ob die Erwerbsstufe jeweils problemlos zu ermitteln ist.

Weibliche Schülerin, vierte Klasse Grundschule, Erstsprache Deutsch. Der Text befasst sich mit dem Thema „Wir beschreiben Gefühle: Wut“, schriftlicher Text:

1 Ich war wütend über den Streit meiner Freundin! Auf meine Freundin.
2 Das meine Freundin einen Streit angefangen hat. Sie haben es gemerkt, weil ich jede Se-
3 kunde in die Luft gegangen were. Ich habe mich richtig miß gefühlt. Meine Freundin hat
4 mich angeschrien und ich habe sie angeschrien. Wir hatten den Streit vergessen und uns
5 vertragen, Als wir zusammen gespielt haben. Wir haben uns wieder vertragen. Gut weil
6 der Streit vorbei war.

Weibliche Schülerin, achte Klasse Mittelschule, Erstsprache Albanisch (in Deutschland geboren). Der Text wurde im Rahmen eines Schreibauftrags zum Thema „Hobby“ erstellt:

1 Seit einigen Wochen wurde es Texte zu schreiben als mein Hobby. Ich fing damit an in den
2 Sommerferien an weil ich da niemanden zum reden hatte. Meine Lieblingsbeschäftigung
3 ist es mit Musik zu schreiben, besonders am Abend weil es da ruhig und sich da konzen-
4 trieren kann. Es ist eigentlich eine sehr witzige Geschichte wie ich darauf gekommen bin.
5 Ich lass immer Songtexte und übersetzte sie auf Deutsch. Nach paar Tage fing ich an es
6 nachzumachen meine Freundin sagte es sei supper ich soll es im Internet rein tun, es ist so
7 eine Internetseite da wo alle Jugendlichen registriert sind (spin.de). Ich schrieb den Text und
8 tat es in mein Profiel alle fragten mich ob ich den Text gefaked hatte, […].
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