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VII.

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Jenseits des Gelfmoors, in dem vor kurzem eine Schlacht tobte, die schwerwiegende Flurschäden hinterließ. Auch ein Gelege der Mosaikjungfer wurde zerstört.

»Du bist ein Tacq Chaladai«, sagte Quinal zu Clopper.

»Wenn du mir dumm kommen willst, solltest du kein Kauderwelsch reden.« Clopper warf sein Messer aus der Hüfte. Vielleicht bestand der Trick darin, von unten nach oben zu zielen. Nein, der Messergriff prallte gegen den Baum, die Klinge tanzte singend ins Gebüsch.

»Es heißt nicht dumm, Meister. In der Sprache des Tümpelvolkes bedeutet Tacq Chaladai Weiser Krieger

»Des Tümpelvolkes also. Na, vielen Dank.«

Clopper war ganz zufrieden mit der Lösung, die er mit den Todeswürgern ausgehandelt hatte. Ein Krämer blieb immer ein Krämer. Kein Kaufmann, auch kein verwunschener, konnte der Versuchung eines guten Geschäftes widerstehen.

»Ich hätte es nicht fertig gebracht, mich von dem Zauberkristall zu trennen«, fügte Quinal hinzu.

»Das war ein MusiPlayer. Der Kristall ist hier.«

Clopper hielt den fingernagelgroßen Datenbaustein hoch. Brittany Honeydotter hatten die Würger nicht bekommen. Die mumifizierten Kaufleute würden keine Freude an dem leeren Abspielgerät haben. Er zwinkerte Quinal zu.

Mike war sich noch nicht im Klaren darüber, wie er die unheimliche Begegnung im Moor einordnen sollte. Er hatte gut gekämpft, eine seiner besten Vorstellungen geboten, aber die Würger waren immer wieder aufgestanden. Wie die Komparsen in Balo, der Kampfprinz. Fehlte nur noch, dass sie sich am Büffet durchgefressen hätten. Aber die Mumien und Skelette waren keine Komparsen gewesen. Soweit er es beurteilen konnte, waren sie echt. Andererseits, was hatte er erwartet? Von irgendwoher mussten die Drehbuchschreiber ihre Ideen haben. Irgendwo musste es Mördermumien und Kampfskelette geben, genau wie Feuer speiende Drachen. Warum nicht alle zusammen auf Helgoort?

Clopper fand sein Messer in den Sträuchern. An den Zweigen wuchsen die gelben Beeren. Er pflückte ein paar und steckte sie sich in den Mund. Sicher war sicher.

Er hoffte, dass die Inspektion für Fremdkontakte nicht herauskriegte, dass er seinen MusiPlayer in einem mittelalterlichen Moor zurückgelassen hatte. Andererseits war es nicht sehr wahrscheinlich, dass Archäologen irgendwann einmal das Gelfmoor umgruben, da sie bei dem Versuch umgebracht wurden. Falls es ihnen doch gelang, konnten sie den Fund immer noch ignorieren. Ein MusiPlayer im Torf? Gibt es nicht. Auf der Erde waren schon seltsamere Artefakte an Orten gefunden worden, wo sie nicht hingehörten. Die Wissenschaftler vergaßen einfach, was sie gesehen hatten und gruben an einer anderen Stelle weiter.

Tacq Chaladai, dachte Clopper, Weiser Krieger. Das gefiel ihm. Er sagte: »Das Moor war nicht schwer, der Strom Yordan oder wie er heißt sollte auch zu schaffen sein.«

»Yardon, Meister. Der Fluss ist nicht das Problem. Chonrah ist es, der Fährmann.«

»Ein Fährmann?«

»Hinter dem Yardon beginnen die Nordländer, wo das Seelenreich der Toten liegt«, begann Quinal. »Um hinzugelangen, müssen die Verstorbenen den Strom überqueren. Chonrah bringt sie über den Fluss.«

»Alles klar«, grinste Clopper.

»Manchmal kümmert er sich auch um die Angelegenheiten der Lebenden. Er wird uns hinüber bringen oder nicht. Das hängt davon ab.«

»Wovon hängt es ab?«

»Von Chonrahs Preis – und davon, ob wir im Netzwald sterben.«

»Moment mal, ich dachte, der Netzwald kommt erst nach dem Strom Yardon.«

»Nein, Meister, zuerst müssen wir durch den Wald.«

»Gestern hast du das aber andersherum erzählt. Na, egal. Was gibt es im Netzwald, das so gefährlich ist?«

»Spinnen«, sagte Quinal mit trockener Kehle.

Der Netzwald, erfuhr Clopper, hieß so, weil sein Boden von Spinnennetzen bedeckt war. Arogarn hatte herausgefunden, dass nicht der gesamte Wald betroffen war. Es lebten nur ungefähr ein halbes Dutzend Spinnen im Wald, und jede spannte nur zwei oder drei Netze.

»Das ist nicht viel«, meinte Clopper. »Warum sind es nicht mehr Netze, wenn der Wald doch so heißt?«

»Dirwan, der große Naturgelehrte, glaubt, dass es an der Nahrung liegt. Gäbe es mehr Spinnen, hätten sie bald nichts mehr zu jagen. Und würden sie mehr Netze weben, würden sie zu viel Energie verbrauchen, um alle zu kontrollieren.«

»Was jagen diese Spinnen?«, erkundigte sich Clopper, der gehört hatte, dass Arachniden immer etwas zu fressen fanden. Auf jedem Planeten mit intaktem Ökosystem gab es mehr als genug Insekten. Quinals Antwort gefiel ihm nicht.

»Hirsche, wilde Schweine und Rehböcke. Wenn die Zeiten hart sind, kommen sie mit Ziegen aus.«

»Warum hat Arogarn nichts gegen die Spinnenplage unternommen?« Das konnte sich Clopper nicht verkneifen.

»Er vermochte nur eine zu töten. Seine Verletzungen waren zu schwer.«

Die Spinnen im Netzwald waren angeblich riesig. Wie Pferde mit kurzen Beinen, nur dass sie acht davon hatten. Acht Beine, zwei giftige Mandibeln und einen Stachel am Hinterleib. Sie hausten in Erdhöhlen, die sie selbst gruben und mit Spinnenseide auskleideten. Alarmfäden reichten zu den Fangnetzen vor der Höhle. Ging ein Hirsch in die Falle, schnellte die Spinne heraus und biss ihm den Kopf ab. Konnte sich der Hirsch befreien, spuckte sie ihm ein Fesselnetz zwischen die Läufe und biss ihm später den Kopf ab.

»Früher dachten wir, sie töten ihre Beute mit dem Stachel«, führte Quinal aus. »Aber Dirwan sagt, das ist ein Legestachel. Zur Paarungszeit lässt die Spinne ihre Beute am Leben. Sie hält sie gerade genug betäubt, so dass sie nicht wegläuft. Dann legt sie ihre Eier in den warmen Körper. Es dauert sieben Tage, bis die jungen Spinnen schlüpfen, aber das ist nur eine Schätzung, weil noch niemand mit Spinneneiern im Leib überlebt hat, um darüber zu berichten.«

Der Mond ging auf und tauchte die Landschaft in silbriges Licht. Nach der Durchquerung des Moores waren sie vor allem über Gebirgswiesen gewandert, aber jetzt wurde der Baumbestand wieder dichter. Die Ausläufer des Netzwaldes. Clopper mochte Spinnen nicht besonders, nicht einmal tote, und so schlug er vor, das Nachtlager in sicherer Entfernung zum Spinnenterritorium zu errichten. In der Bibliothek in Turkistan hatte Quinal gelesen, dass Netzwaldspinnen sich nie weit von ihren kunstvoll angelegten Höhlen entfernten, aus Sorge vor randalierenden Hochlanddachsen.

»Wieso kleiden die Viecher ihre Höhlen mit Seide aus?«, fragte Clopper, während sie Holz für ein Feuer sammelten.

»Ich weiß es nicht genau, Meister. Dirwan schreibt, dass die Netze vor Erdrutschen schützen. Es ist wohl auch eine Frage der Sauberkeit. Spinnen sind nicht in der Lage, ihr Fell zu putzen. Sie fürchten Infektionen und mögen keinen Dreck. Die Spinnenseide hat reinigende Wirkung.«

Sie stöberten zwei Gebirgsschrecken auf, die geglaubt hatten, in einem sicheren Versteck zu sitzen. Es waren heuschreckenähnliche Tiere, nur dass diese hier nicht im Heu, sondern zwischen den Steinen saßen. Quinal fing die tannzapfengroßen Insekten mit der Zunge, schluckte sie diesmal aber nicht hinunter. Er riss ihnen die Beine aus und briet sie über den Flammen.

Clopper erkannte, dass sein Begleiter nicht so zart besaitet war, wie es den Anschein hatte. Wahrscheinlich war auch den Gebirgsschrecken etwas klar geworden, nämlich dass Felsspalten sicherer aussahen als sie waren. Es zischte, als die Chitinpanzer aufbrachen und Saft ins Feuer tropfte. Quinal bot Clopper eines der gebratenen Tiere an.

»Wie schmecken die?«

»Sie sind süß.«

»Nein, danke, das ist nichts für mich.« Clopper kramte im Rucksack. Cathy hatte ihm von allem etwas eingepackt, aber von nichts genug. Bohnen in Tomatensoße waren alle, Spinatklopse aß er nie. Den Rest Rührei mit Speck brauchte er fürs Frühstück, und die Hähnchennuggets wollte er für das Festessen nach seinem Sieg über den Drachen aufsparen. Er riss einen Beutel Marshmallows auf, spießte die erste auf sein Messer und hielt sie übers Feuer. Quinal beäugte den sich blähenden Ball neugierig. »Ist das gut?«

Clopper nickte. »Viel besser als deine Steinschrecken.« Er hielt Quinal die Messerspitze unter die Nase, der Frogo bediente sich und kaute auf der Marshmallow herum.

»Sie sind süß.«

»Genau«, machte Mike. »Klasse, nicht?« In einer Anwandlung von Großzügigkeit schenkte er Quinal die Tüte mit den Marshmallows. Der Frogo war sichtlich gerührt.

»Nichts zu danken«, sagte Clopper. Er warf die ausgelutschten Insektenpanzer in seine Müllbüchse. Er nahm sich etwas Corned Beef und einen Erdnussbutterkeks aus dem Sack. Als er fertig war, zog er einen Zahnstocher aus der Brusttasche und pulte sich die Rindfleischfasern aus den Zähnen. Die Abfälle wanderten in die Konservendose.

Quinal betrachtete die Büchse, wie Mike zuvor die Gebirgsschrecken angesehen hatte, aber er beschwerte sich nicht. Stattdessen sagte er: »Gestern wolltest du mein Alter wissen, Meister. Wie alt bist du?«

»Fast vierzig.«

»Das klingt jung.«

»Nicht da, wo ich herkomme, Quinal. In meiner Heimat ist das fast schon zu alt. Die Reflexe lassen nach, und es wird schwer, eine Rolle in einem Kampfsportfilm zu bekommen. Du verlierst Haare am Kopf, dafür kommen sie dir aus den Ohren wieder raus, und Jahr für Jahr legst du ein Kilo zu, obwohl du Waldläufe machst. Die Produzenten sehen das, vor allem die Produzentinnen.«

Clopper zog eine Zigarettenschachtel aus der Montur und steckte sich eine an. Von seiner Zigarre war nicht mehr viel übrig, und er wollte den Rest nach dem Tod des Drachen genießen. Er sah seinen Begleiter offenherzig an. Wann hatte er das letzte Mal seine Selbstzweifel mit jemandem geteilt? Das musste vor drei oder vier Monaten gewesen sein, in der Praxis von Dr. Fetterman. Der Psychologe hatte zweihundert Dollar dafür haben wollen, dass er zuhörte.

»Erzähl mir mehr vom Altern«, bat Quinal.

Mike inhalierte. »Da gibt es nicht viel zu erzählen. Irgendwann kannst du keine Waldläufe mehr machen. Du brauchst einen Gehstock und kriegst die Drehverschlüsse an deinem Frühstückssaft nicht alleine auf. Du wünschst dir, du wärest verheiratet, aber die Mädchen lachen über dich.«

Das Froschgesicht nickte verstehend. »Dirwan hat einmal geschrieben: Das Alter macht uns alle zu Narren.«

»Ja, es ist blöd, wenn die Weiber mitkriegen, dass du dir die Haare färben musst.« Clopper streifte Zigarettenasche in die Müllbüchse und zog sich den Rucksack heran. Er überprüfte seine Waffen. Er entdeckte ein Gerät, so groß wie eine Taschenlampe mit einer scharfen Drehscheibe an der Spitze. Die Säge erwachte surrend zu Leben, wenn man auf den Knopf am Schaft drückte.

»Was ist das?«, wollte Quinal wissen.

»Ein Trennschleifer.«

»Wozu dient es?«

»Ich bin nicht sicher. Man braucht es, um Kotelettknochen zu zerlegen, aber ich denke, man kann es ebenso gut verwenden, um Fesseln zu zerschneiden.«

Clopper fragte sich, was Cathy Glory damit andeuten wollte. Glaubte sie, dass er in Gefangenschaft geriet? Er nahm sich vor, nach seiner Rückkehr reinen Tisch zu machen. Er würde Cathy zum Kotelettessen einladen, und falls sie den Termin nicht vergaß, würde er sie aufs Bett werfen und ihr die Kleider mit dem Trennschleifer vom Leib schneiden. Er stellte sich vor, dass Cathy auf so etwas stand.

»Es gibt viele Wunder in deiner Welt«, sagte Quinal.

»Das ist wahr«, gab Clopper zurück, der in diesem Augenblick an die Wunder dachte, die mit Frauen wie Cathy Glory und elektrischen Küchengeräten möglich waren.

»Wie sieht es in deiner Welt aus, Quinal, habt ihr auch ein paar Wunder? Von wunderlichen Kaufmannsmumien abgesehen, meine ich.«

»Oh ja, Meister. Wir haben Lampengeister, fliegende Teppiche und Tempeljungfrauen, die in die Zukunft blicken.«

Clopper nickte. »Kenne ich alles. Auf die Jungfrauen solltet ihr euch nicht verlassen. Sie verlieren ihre Kräfte, sobald sie einem gut aussehenden Mann begegnen, und eigenartigerweise haben sie das nie vorhergesehen.«

»Auf dem Weg nach Akera sahen wir einen fallenden Stern über den Granitbergen«, berichtete Quinal. »Er bestand aus glänzendem Kupfer, zog einen Flammenschweif hinter sich her und spie Weihrauch in die Luft.«

»Ein Stern über den Granitbergen?« Clopper stutzte.

»Ja, er zerbarst in einem Feuerregen und dann regnete es rosarote Blumen mit purpurnen Samenkörnern, die zwischen die Bäume schwebten.«

Schwebende Blumen? Mike schrieb diese Erklärung dem begrenzten Sachverstand seines Begleiters zu. Gewiss, der Frogo wusste eine Menge, aber er neigte zu phantasievollen Ausschmückungen. Doch Clopper widersprach nicht, denn ihm ging eine andere Sache durch den Kopf.

Er rief sich Quinals Landkarte ins Gedächtnis. Die Granitberge lagen im Osten. Sie befanden sich hier in einem schmalen Ausläufer dieses mächtigen Gebirges. Mikes Landeplatz lag südlich, ebenso wie die Burg dieses Königs, der seine Tochter ohne Aufsicht im Freien spielen ließ, obwohl ein Drache in der Nähe war. Nach allem, was Quinal ihm erzählt hatte, befand sich Prinz Tifars Heimat Turkistan sehr weit im Süden des Kontinents, und der bequemste Weg nach Akera führte nicht über die unwirtlichen Granitberge.

»Das ist wahr«, entgegnete Quinal. »Der einfachste Weg zu Godors Burg führt durch das Imperium Lauzium und die sieben Grafschaften. Wir haben die Steppe Ranu und die Zwergenwälder durchquert. Prinz Tifar wollte ins Ordensland der Falkenritter, einen Freund besuchen. Von dort aus war es kürzer, über die Berge nach Akera zu ziehen.«

»Kommen nicht diese Wolfsreiter aus der Steppe Ranu?«

»Wir befanden uns nicht in Gefahr. Tifar hatte eine Botschaft für einen ihrer Stammesführer. Das sicherte uns freies Geleit – jetzt aber nicht mehr.« Der Frogo spielte auf den Drakoniertrupp an, der einen Tagesritt hinter ihnen war.

Clopper drückte die Zigarette aus und warf sie in die Müllbüchse. Er brannte sich eine neue an und dachte scharf nach. »Tifar hat einen Freund bei den Falkenrittern? Vertragen sich Ordensritter und Turkistani denn? Laut unseren Drehbuchschreibern hat so etwas nie funktioniert.«

Quinal ließ sich Zeit mit der Antwort. »Die Falkner besaßen früher eine Enklave in Turkistan. Sie waren Fremde, aber sie achteten unsere Bräuche; es gab sogar geheime Treffen zwischen den Ordensherren und dem Großkomul. Dann erschütterten Aufstände den Ordensstaat. Die Falkner verloren einen Teil ihres Landes an die Ostheiden. Sie mussten ihre Häfen aufgeben und konnten die Enklave nicht mehr erreichen. Sie überließen das Land dem Großkomul für einige Truhen Gold. Tifar führte die Verhandlungen. Daher kennt er Molnar, den Großmeister der Falkenritter.«

Clopper verlor das Interesse an den Beziehungen des turkistanischen Edelmannes. »Was ist mit den Zwergen«, fragte er. »Sind sie sehr klein?«

»Etwas kleiner als ich, aber sie sind sehr breit.« Quinal streckte die Arme aus. Es schien nicht zu reichen, um den Umfang der Zwerge aus den Ostwäldern von Helgoort zu beschreiben, aber vielleicht übertrieb der Frogo wieder einmal. »Gibt es in deiner Welt auch Zwerge, Meister?«

Clopper fielen die Gartenzwerge ein, die in vielen Vorortsiedlungen auf dem Rasen herumstanden, und er nickte. »Früher gab es sie bei uns ebenfalls nur im Osten, in einem Land namens Deutschland.«

»Deutschland?« Davon hatte Quinal noch nie gehört.

»Die Deutschen haben ein paar Mal versucht, die Welt zu erobern, aber sie wurden geschlagen«, sagte Clopper. »Dann sind sie für die große Vereinigung der Völker eingetreten, und damit haben sie es geschafft. Heute sind ihre Zwerge überall.« Mike hatte aufgeraucht und warf den Zigarettenstummel zu den anderen Abfällen in die Büchse.

Quinal mochte die Konservendose nicht. Sie war klebrig und fing an zu stinken.

»Eine widerliche Angewohnheit, Meister.«

»Ich weiß. Ich habe schon oft versucht, mit dem Rauchen aufzuhören. Es klappt einfach nicht.«

»Es wäre ein Anfang, wenn du die Büchse weglassen würdest«, schlug Quinal vor.

»Das geht leider nicht. Ich müsste die Kippen ins Gras drücken, und das hat mir der Instrukteur verboten.«

»Der was …?«

»Instrukteur. Der Experte für den Kontakt mit rückständigen Zivilisationen. Das seid ihr. Also, der Instrukteur meinte, ich darf auf gar keinen Fall meine Kippen in der Landschaft verteilen. Sie haben Angst, dass eure Kinder damit spielen und sich das Rauchen angewöhnen. Wusstest du, dass auf der Erde jährlich zwanzig Millionen Menschen an den Folgen des Rauchens erkranken?«

Quinal schüttelte den Kopf. In der Bibliothek in Turkistan, die zu den besten seiner Welt zählte, hatte nichts darüber gestanden.

»Das kostet unser Gesundheitswesen Milliarden«, fuhr Clopper fort. »Euer Gesundheitswesen ist praktisch nicht existent. Es würde sofort kollabieren, was mit einer dreißigprozentigen Wahrscheinlichkeit zur Ausrottung eurer Zivilisation führt. Davor haben sie Angst.«

Clopper erhob sich und verschwand zwischen den Bäumen. Er hockte sich hin, was in den letzten Tagen zu einer Gewohnheit geworden war, aber er hatte die Tarnhosen umsonst heruntergelassen. Es ging nicht. Die Wirkung der Hajabusabeeren war von den gelben Früchten erfolgreich neutralisiert worden. Auch gut, dachte Mike. So blieben im Wald wenigstens keine Tretminen liegen.

Dieser Gedanke erinnerte ihn an ihre Verfolger. Mehrere liebestolle Helden und eine Schwadron Steppenmänner mit Wölfen, die auch nachts weiter rannten. Er ging zu seinem Ausrüstungssack und machte sich anschließend in der Umgebung des Lagers zu schaffen.

»Was tust du?«, erkundigte sich Quinal.

»Nichts weiter, ich bereite nur eine Überraschung für die Wolfstypen vor.«

Clopper prüfte seinen Handgelenkcomputer. Der Wetterfühler sagte Regen voraus. Er nahm ein Bündel aus dem Sack, mit einem Ventil in der Mitte. Als er darauf drückte, entfaltete sich zischend ein Kunststoffzelt mit Tarnflecken. Quinal brachte sich mit einem Satz in Sicherheit. »Keine Panik, kleiner Mann«, grinste Mike. »Das ist bloß zum Schlafen da.«

Das Froschgesicht hielt Abstand. »Ein weiteres Wunder aus deiner Heimat, Meister?«

Clopper nickte. »Aus dem Survival-Shop. Es ist wasserdicht, wärmeisoliert und mit einem Insektizid behandelt. Damit kannst du auf einem Ameisenhügel zelten.«

Quinal machte nicht den Eindruck, als wolle er bei den Ameisen schlafen. Er wickelte sich in seinen Umhang und platzierte sich so, dass das Feuer zwischen ihm und dem Zelt war. »In der Nacht wird es regnen«, sagte Clopper.

Quinal widersprach. Um diese Jahreszeit regnete es in der Gegend um den Netzwald nie, hatte Dirwan geschrieben, und Arogarn hatte es mehrfach bestätigt.

»Wie du willst.« Achselzuckend kroch Clopper ins Zelt. Es war langweilig ohne den MusiPlayer, und er wünschte sich, er hätte den Todeswürgern anstelle des Gerätes den Datenkristall mit Brittany Honeydotter gegeben. Dann könnte er jetzt Musik hören, vielleicht Ashley Wonderbottom. Sie war das Gegenteil von Brittany Honeydotter, schwarz, mit riesigen Titten, aber ihre Lieder klangen so ähnlich wie die Songs der blonden Sirene. Wenn Mike es sich recht überlegte, klangen alle Sängerinnen wie Brittany Honeydotter, obwohl viele von ihnen eine andere Hautfarbe, andere Frisuren und andere Titten hatten. Während er darüber nachgrübelte, wieso das so war, schlief er ein.

Bumm!

Eine Explosion riss Clopper aus dem Schlaf. Es war kurz nach Mitternacht, und erste Regentropfen fielen vom Himmel. Mit gezogener Pistole kroch er aus dem Zelt. Quinal stand, in seine Decke gehüllt, schlotternd neben dem Lagerfeuer, das nur noch Glut und Asche war.

»Ich hab’s dir doch gesagt«, gähnte Mike.

»Der Donnergott …«, begann Quinal.

»Ach, das.« Clopper knipste seine Taschenlampe an und leuchtete die Gegend ab. Die Quelle des nächtlichen Krachs war leicht zu finden. Die Detonation hatte einige Birken entwurzelt. Er lief hinüber, sah geborstenes Holz, zerfetztes Grün, aufgeworfene Erde und ein paar Fleischbrocken.

»Eine Claymore-Antipersonenmine«, erklärte er seinem verstörten Begleiter. »Gut für sicheren Nachtschlaf, nicht gut für Leute, die sich anschleichen.«

Quinal hob ein blutiges Spitzohr vom Boden auf. »Ein Elfenohr, Meister.«

»Das muss Legostein gewesen sein.«

»Legoman.«

Der sagenhafte Elfenprinz. Der tödlichste Schleicher des Planeten, wenn man den Lobpreisungen glaubte. Aber die Vorschusslorbeeren waren unverdient, denn Legoman hatte weder die Mine noch die Laserstrahlen zwischen den Bäumen gesehen. Die Strahlen waren für das Auge nicht erkennbar, doch wenn man mit einer Falle rechnete, konnte man Kohlendioxid in die Luft sprühen. Es funktionierte auch mit Zigarettenrauch, aber Zigaretten durften die Planetenbewohner ja nicht in die Finger bekommen.

»Du hast ihn umgebracht, Meister«, keuchte der Frogo.

Clopper schüttelte den Kopf. »Das hat er sich selbst zuzuschreiben.«

»Aber … das war Legoman!«

»Ein Waldelf, ja. Sind die denn so selten?«

»Nicht direkt«, räumte Quinal ein, »es gibt Tausende in den westlichen Wäldern. Aber sie sind absolut tödlich, wenn sie es auf dich abgesehen haben.«

»Der hier ist absolut tot«, gab Clopper zu bedenken.

»Einen Waldelfen im Wald zu besiegen, ist unmöglich. Arogarn hätte vielleicht eine Chance, aber wir …«

Der Drachentöter unterbrach ihn. »Vielleicht können Elfen nicht besiegt werden. Aber sie können gesprengt werden. Und nun gib Ruhe, die Nacht ist nicht mehr lang.«

Er ging zum Zelt zurück. Der Regen war stärker geworden und trommelte auf die Kunststoffplane.

Quinal eilte hinter ihm her. »Woher wusstest du, dass Legoman auf dieser Seite angreifen würde?«

»Ich wusste es nicht. Ich habe auf jeder Seite eine von diesen Minen. Wenn wir Glück haben, versuchen es die anderen Prinzen heute Nacht ebenfalls. Dann müssen wir uns nur noch um die Wolfsreiter kümmern.« Mike verschwand im Zelt, steckte seinen Kopf aber noch einmal heraus. »Du solltest Acht geben, falls du mal Pinkeln musst.«

Nach einer Weile wurde die Zeltöffnung auseinander gezogen. Quinal, triefend vor Nässe und mit den Zähnen klappernd, bat um Einlass.

Mike rutschte zur Seite. »Ich dachte, du hättest irgendeinen Trick aus der Natur auf Lager. Den Regen wegtrinken, eine Dusche bauen oder so.«

»Eine Dusche?«

»Das zeige ich dir später einmal. Du darfst dann auch mein Shampoo benutzen.« Sein Blick fiel auf Quinals kahlen Froschschädel. »Keine Sorge, man kann es auch auf den Körper auftragen.« Damit wälzte er sich herum und schlief wieder ein. Quinal rollte sich am Eingang zusammen. Die Tüte mit den Marshmallows hielt er wie einen Schatz fest umklammert in seinen Armen. Das Zelt war ihm nicht geheuer, und er streckte vorsichtshalber ein Bein ins Freie, um Kontakt zu seiner Welt zu halten.

Als Clopper im Morgengrauen erwachte, war der Frogo verschwunden. Er kroch nach draußen, stellte den Atomkocher auf und machte Rühreier und Kaffee heiß, aber Quinal kam nicht zurück. Mike aß und trank, und als er fertig war, ging er Quinal suchen, denn der war dran, das Geschirr abzuwaschen. Er fand keine Spur seines Begleiters, aber zwischen den Bäumen, dort, wo in der Nacht die Claymore-Mine hochgegangen war, klebte eine zähe, weißliche Masse.

Spinnenspeichel. Die Reste eines Fesselnetzes.

Offenbar hatte der große Gelehrte Dirwan Blödsinn geschrieben. Netzwaldspinnen entfernten sich sehr wohl von ihren Höhlen.

Der Drachenjäger

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