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IV.

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In den Wäldern von Akera, einem Paradies aus unberührter Natur unter einer leuchtend gelben Sonne. Auf der Erde würde man Waldbrandwarnstufe II ausrufen.

Sie folgten einem alten Hohlweg tiefer in den Wald. Der Weg war ausgefahren und hatte tiefe Karrenspuren. Clopper kam in den Sinn, dass der Pfad nach den Maßstäben dieses Planeten eine Hauptverkehrsader war. Eine Autobahn, die direkt zum Drachenfels führte. Er fand, dass das zu einfach war, aber einen Haken würde es schon noch geben. Er fragte seinen Begleiter, und der Frogo bestätigte Mikes Vermutung.

»Wir müssen zunächst tausend Gefahren bestehen, ehe wir zum Drachenfels gelangen, Meister.« Seit Clopper mit seinem Kaugummi eine Blase gemacht hatte, nannte Quinal ihn Meister. Der Frogo zählte auf: das Gelfmoor, der Strom Yardon, der Netzwald. Für Clopper klang das nicht sehr gefährlich, aber er wollte seinen Begleiter nicht beleidigen. Das Froschgesicht sah hässlich aus, hatte sich jedoch als freundlich erwiesen und schien ein verlässlicher Kamerad zu sein. Quinal war das genaue Gegenteil von Cloppers Schauspielerkollegen. »Das sind drei Gefahren. Was ist mit den anderen neunhundertsiebenundneunzig?«

»Oh, außer Rumbold werden auch die anderen Prinzen versuchen, uns aufzuhalten. Nur derjenige, der Prinzessin Orleia als erster erreicht, kann ihre Gunst erringen.«

»Zuvor muss er aber den Drachen erledigen, oder?«

»Das ist richtig, Meister. Aber die Prinzen sind gute Kämpfer.« Quinal fing an, die Vorzüge der konkurrierenden Edelleute aufzuzählen. »Robin, der Pilgerprinz, ist schnell zu Fuß. Er hat sein halbes Leben mit Gewaltmärschen in heiligen Ländern zugebracht.«

Clopper behielt die Ruhe. »Robin wird vielleicht vor uns da sein. Aber ich habe eine Lindstrad-Büchse, mit einem Zielfernrohr von Zeiss. Treffsicher auf zwei Kilometer. Das lässt einen Vorsprung ganz schön schrumpfen, sage ich dir.«

Außerdem, überlegte Mike, war er nicht hier, um ein Wettrennen zu der halbwüchsigen Häuptlingstochter eines Naturvolks zu gewinnen. Er sollte einen Quadratmeter Drachenhaut besorgen, das war alles. Andererseits hatte er Tifar versprochen, die Prinzessin auf dem Rückweg mitzunehmen, falls es sich einrichten ließ. Vielleicht bekam er ja Gelegenheit, das Lindstrad-Gewehr auszuprobieren.

»Die Haare der Prinzessin – welches Blond haben die?«

»Wie meinst du das, Meister?«

»Es gibt verschiedene Arten von Blond. Platin, Gold oder Weizen. Aschblond, Strohblond, Strähnchen? Oder einfach nur Schlampenblond?« Er dachte an Jacks Sekretärin.

»Schlampenblond?«

»Das ist gefärbt, aber irgendwie halbherzig. So als sei es der Frau egal, wie sie aussieht. Sie hat sich die Haare nur blondiert, weil sie hofft, einen reichen Mann abzukriegen.«

Quinal dachte nach. »Ich habe die Prinzessin noch nie gesehen, aber ich glaube nicht, dass es ihr um Reichtum geht. Sie ist selbst sehr reich, Meister.«

»Auch wieder wahr. Das hatte ich vergessen.«

Sie begegneten einem Kaufmann, der einen Planwagen mit zwei Pferden fuhr. Er grüßte freundlich, aber auf dem Kutschbock neben ihm saß ein Mann mit einer nagelneuen Armbrust, der nicht grüßte. Seine Augen suchten wachsam den Hintergrund ab. Er sah aus, als hoffe er auf eine Gelegenheit, seine Waffe auszuprobieren. Clopper erwog, den Krämer in ein Verkaufsgespräch zu verwickeln, um die Geduld des Wächters auf die Probe zu stellen. Er trug Unterwäsche der Marke A®mor. Das war ein Wortspiel mit dem Namen des irdischen Liebesgottes und dem Begriff für Panzerung. Die Wäsche war atmungsaktiv, konnte aber jedem Pfeil standhalten, selbst wenn er von Amor persönlich abgeschossen wurde. Das behaupteten sie jedenfalls in der Werbung, und niemand würde es nachprüfen können, weil es den Liebesgott in Wirklichkeit nicht gab.

Clopper entschied, nichts zu kaufen, da er kein Zahlungsmittel besaß, das auf Helgoort akzeptiert wurde. Er konnte kein weiteres Loch in seiner Kreditkarte riskieren. Die Zangen, mit denen intolerante Bankangestellte Geldkarten entwerteten, stanzten zwei oder drei Löcher. Genau wusste er es nicht, aber seine Karte hatte jetzt schon ein Loch, und mehr wollte er nicht riskieren.

»Was ist so Gefährliches an diesem Gelfmoor, dass dein Prinz dort nicht hin will?«, fragte er, nachdem der Planwagen über die Hügelkuppe verschwunden war.

Der Frogo erbleichte unter seiner lederartigen Haut, als er antwortete. »Dort hausen die Todeswürger. Sie packen alles Lebende und ziehen es unter den Schlamm, wo es keine Luft gibt und wo es nach Grab riecht.«

»Jetzt spinnst du aber.«

»Bei Innoruk – nein!«

»Du hast behauptet, dass es keine Luft im Sumpf gibt. Wie sollte man dort also irgendetwas riechen?«

Zufrieden mit seiner Logik, zog Clopper einen Kopfhörer aus der Tasche und stöpselte ihn sich in die Ohren.

Quinal rüttelte an Cloppers Arm.

»Meister! Meister!«

»Was ist?« Ungehalten nahm Mike den Kopfhörer ab.

»Hörst du die Geräusche?«

Clopper sah sich um. »Nein. Was sollte ich hören?«

»Töne. Schauderhafte Musik, irres Kreischen.«

»Blödsinn. Das ist Brittany Honeydotter, in meinem MusiPlayer.« Er zeigte dem Frogo das feuerzeuggroße Gerät. Quinal sah mehr denn je wie ein Tümpelbewohner aus.

»Da ist ein Kristall drin«, ließ sich Clopper zu einer Erklärung herab. »So wie bei deinem König Godor, aber mein Kristall ist viel kleiner und auch nicht schwarz, sondern durchsichtig, nehme ich an. Genau weiß ich es nicht, weil ich nie nachgesehen habe. Es interessiert mich nicht. Hauptsache, das Ding funktioniert. Bei uns heißen die Kristalle übrigens Chips, und sie können nicht nur sprechen, sondern zeigen dir auch alle möglichen Bilder. Starke Computergrafik, falls du verstehst, was ich meine.«

Natürlich verstand Quinal nichts von dem, was Clopper ihm erzählte, aber er lächelte heiter und zeigte seine kleinen spitzen Zähne. Sie bestanden aus hartem Knorpel und dienten hauptsächlich zum Zerkleinern von pflanzlicher Nahrung. Frogos waren jedoch keine Vegetarier. Manchmal schnappte sich das Froschgesicht mit seiner langen Zunge ein Insekt aus der Luft, und Clopper sah dann geflissentlich woanders hin.

Mit der Zeit bekam er Durst und bereute es, dass er den Kaufmann nicht nach Wasser gefragt hatte. Seine Ausrüstung war umfangreich, aber seine Trinkflasche fasste nur einen Viertelliter Isogetränk, das er für Notfälle brauchte. Zum Beispiel für die letzten Meter einer Wüstendurchquerung.

Es gab immer etwas, das Cathy Glory verkehrt machte. Sie hatte ihm eine metallicgrüne Designer-Trekkingbottle mitgegeben, die einem Parfümflakon von Hugo Boss nachempfunden war. Die Flasche war etwas für Milliardäre, die abends um ihr Haus joggten. Für einen Drachentöter, der sich seine erste halbe Million auf einem unwirtlichen Planeten verdienen musste, war sie nicht geeignet.

Cathy Glory war eine oberflächliche Frau, aber das machte sie sexy. Man konnte mit ihr schlafen, ohne dass sie gleich von Hochzeit sprach. Am Morgen hatte sie vergessen, dass der Mann in der Nacht Dinge mit ihr getrieben hatte, die ihn normalerweise zur Heirat verpflichteten. Mike hatte noch nicht mit Jacks Sekretärin geschlafen, aber einmal war er nahe dran gewesen. Cathy hatte sich nur nicht daran erinnert, dass sie zum Abendessen verabredet waren.

»Wir werden einen Bach suchen, Meister«, schlug Quinal vor. Er winkte Clopper hinter sich her auf eine Wiese am Waldrand. Sie kämpften sich durch mannshohe Gräser, die in allen erdenklichen Braun-, Grün- und Rottönen leuchteten. Der Frogo, der kaum halb so groß wie der Mann von der Erde war, verschwand völlig darin.

Clopper zog sein Samuraischwert aus der Rückenscheide und schlug eine Schneise der Verwüstung in die wilden Halme. Neugierige Käfer zerplatzten unter den Sohlen seiner Dschungelkämpferstiefel, Vögel gewannen hektisch flatternd an Höhe. Mike genoss es, das Schwert zu schwingen und führte den einen oder anderen Trick vor.

»Das ist eine wunderschöne Klinge«, sagte Quinal.

»Weltraumstahl. Das Schwert besteht aus einem einzigen Molekül. Es ist unzerbrechlich und wird nie stumpf.«

Der Frogo akzeptierte die Erklärung ohne weiteres. »Unsere Zauberschwerter sind ähnlich. Hast du schon mal etwas vom alle Fesseln zerschneidenden, alle Mauern zertrümmernden, alle Feinde durchbohrenden dreischneidigen Beidhandschwert gehört?«

»Ich kenne nur Excalibur«, erklärte Clopper verärgert. Konnte dieser Echsenkopf nicht anerkennen, dass Technologie wunderbarer als eingebildete Zauberei war? Quinal war ein netter Kerl, aber ihm mangelte es an Ehrfurcht vor fremden Errungenschaften.

»Ex … Calibur?«, fragte der Frogo. »Ist das ein Zauberschwert aus deiner Heimat? Was haben eure Helden damit vollbracht? Haben sie nach ihm gesucht, um das Reich zu verteidigen?«

»Ja, aber dann haben sie es in einen See geworfen, wo es verrostet ist, weil es nicht aus Weltraumstahl war.« Clopper hielt Quinal das Samuraischwert unter die Nase. »Das hier rostet niemals.« Damit hielt er die Diskussion für beendet.

Michael dachte an seine Mission. Quinal hatte gesagt, dass es schwer sei, einem Drachen den Kopf abzuschlagen. Vermutlich stimmte das. Die Drachen auf den Abbildungen in der Schiffsdatenbank hatten dicke Hälse, die mit Hornschuppen bedeckt waren. Mit dem Weltraumschwert konnte er es theoretisch schaffen, aber es ging dabei nicht nur um die Schärfe der Klinge, sondern auch um Kraft. Das Schwert musste mit enormem Schwung geführt werden, um sich durch einen Schuppenhals zu hacken. Clopper trainierte viel mit Gewichten und hatte einen tollen Körper, aber er war nicht sicher, ob es für einen Drachen reichen würde.

Das war allerdings kein Problem. Cathy hatte ihm ein Pulver aus zerriebenen Krustenanemonen mitgegeben. Krustenanemonen waren die giftigsten Tiere der Erde. Sie lebten in einer kleinen Bucht vor Hawaii, was die meisten Menschen nicht glaubten, weil sie bei Hawaii nur an Frauen mit Blumengirlanden über den Brüsten dachten. Aber es stimmte. Clopper hatte es nachgelesen: Das Gift der Krustenanemone tötete zehnmal schneller als das Sekret, das kolumbianische Pfeilgiftfrösche absondern, wenn sie verärgert sind. Er könnte dem Drachen etwas von dem Pulver ins Futter mischen, und die Sache wäre erledigt. Aber das Gift war womöglich eine Anspielung. Cathy glaubte anscheinend noch immer, dass er sich nicht traute, es mit einer Fremdweltechse aufzunehmen. Clopper beschloss, das Pulver zu ignorieren und den Drachen im fairen Zweikampf zu töten. Vielleicht mit dem Raketenwerfer.

Krack!

Erschrocken sprang Clopper zurück. Er war mit dem rechten Kampfstiefel in ein Vogelnest getreten. Eierschalen knirschten, blauer Dotter schmatzte unter der Sohle. Helgoort war in der Tat eine rückständige Welt. Auf der Erde hätten Tierschützer das Betreten einer Wiese untersagt, auf der es Bodenbrüter gab.

»Tut mir Leid«, sagte Mike, »das war ein Versehen.«

Quinal winkte ab. »Das macht nichts, Meister. In diesen Eiern ist Fruchtgallert. Es muss über die Wiese verteilt werden, damit es von den Wirtsschlangen gefressen wird.«

»Was für Schlangen?«

»Wirtsschlangen. Sie verschlingen das Gallert, dann wachsen in ihren Körpern Küken heran und hacken sich, wenn sie stark genug sind, ihren Weg ins Freie. Diese Vögel bauen ihre Nester auf dem Boden, damit sie zertreten werden. Leider ist die Art sehr selten, weil die meisten Reisenden den Waldweg benutzen. Manchmal stellt der König einige Tagelöhner ein, damit sie durch die Wiesen rennen.«

Das musste Mike verdauen. Quinal interpretierte sein Schweigen falsch. »Mach dir keinen Vorwurf, du hast geholfen, den Kreislauf des Lebens aufrecht zu erhalten.«

Schließlich nickte Clopper. Was es nicht alles gab! Vögel, die aus Schlangen schlüpften. Ein exotischer Planet. Andererseits, wer sagte, dass es auf der Erde nicht auch so funktionieren würde? Vögel legten Eier, genau wie Schlangen, da konnte durchaus eine Verbindung bestehen. Die Tierschützer dachten bloß nicht so weit.

Am anderen Ende der Wiese fand Quinal einen Strauch, an dem grüne Beeren wuchsen. Clopper wunderte sich nicht, als der Frogo erklärte, die Früchte hätten genau die richtige Reife. »Iss eine Hand voll, Meister. Sie werden deinen Durst besser stillen als Wasser.«

Er behielt Recht. Allerdings fiel Clopper auf, dass der Strauch am Waldrand wuchs, dicht neben dem Weg. Sie hätten den Karrenpfad also gar nicht verlassen müssen, um die Beeren zu finden. Was hatte ihnen der Umweg über die zugewucherte Wiese gebracht? Nichts, wenn man von ein paar zertretenen Eiern absah. Clopper hegte den Verdacht, dass Quinal ein Tierschützer war.

In der Abenddämmerung erreichten sie einen Fluss. Quinal war mit der zurückgelegten Strecke zufrieden, wenngleich er betonte, dass dies nicht der Strom Yardon sei. Erst wenn sie den Yardon überschritten hatten, durften sie davon sprechen, sich dicht am Ziel zu befinden. Bis dahin konnten noch einige Tage vergehen, und vielleicht würden sie den sagenhaften Strom niemals zu Gesicht bekommen.

»Ich weiß«, sagte Clopper, »die tausend Gefahren.« Er hatte sein Kochgeschirr mit grünen Beeren gefüllt und sie unterwegs gegessen. Die Früchte waren ausgezeichnet; der Durst war nicht zurückgekehrt.

Mike nahm die Pilotenbrille ab. In der Dämmerung sah er mit den verspiegelten Gläsern nicht mehr so gut.

Quinal fasste sich ein Herz. »Was sind das für Augen?«

Clopper brauchte eine Weile, um zu erraten, dass er die Brille meinte. »Zusatzaugen«, erklärte er. »Sie helfen gegen die grelle Sonne, und wenn ich in der Luft bin, sehe ich die Konturen besser.«

»In der Luft?« Quinal erschrak.

»Ja, klar. Sieh mal hier.« Clopper zog sein linkes Augenlid herunter. »Kontaktlinsen. Ersatzaugen, wenn du so willst. Damit kann ich so scharf sehen wie als junger Mann. Ich könnte mir die Augen lasern lassen, aber Kontaktlinsen haben den Vorteil, dass man seine Augenfarbe ändern kann. Es gibt irre Muster. Zurzeit habe ich farblose Linsen drin.«

Quinal war sprachlos. Wenn er richtig gezählt hatte, besaß der Fremde nicht vier Augen, wonach es anfangs ausgesehen hatte, sondern sechs, und daheim hatte er noch mehr davon. Das war unglaublich, aber wahrscheinlich brauchte man als Drachentöter so viele Augen, falls einem mal eins ausgebrannt wurde.

Geräusche ließen sie herumfahren. Zwischen den Bäumen knackten trockene Äste, Blätter raschelten. Ein Tier, das Ähnlichkeit mit einer Hirschkuh besaß, rannte am Wald entlang. Es hatte zotteliges rotes Fell und schmale Hörner. Dann ertönte ein Grollen auf dem Fluss. Ein dicker Stamm trieb im Wasser, darauf saß ein Bär und fixierte die Hirschkuh mit hasserfüllten Augen. Den Wanderern schenkten die Tiere keine Beachtung. Sie waren in ihr eigenes Spiel vertieft – eine Jagd auf Leben und Tod.

»Nun sieh sich einer diesen Bären an«, rief Clopper kopfschüttelnd. »Verfolgt seine Beute auf einem Floß. Ein intelligenter Bursche.«

Draußen auf dem Fluss lief der Baumstamm auf eine Kiesbank. Die Hirschkuh sah es, eilte mit langen Sprüngen hinzu und spießte den Bären mit ihrem stilettspitzen Geweih auf, ehe der davonlaufen konnte. Der Hirsch röhrte triumphierend und entblößte messerscharfe Reißzähne.

»Ein Roter Damkiller«, erklärte Quinal. »Man kann sie leicht mit Hirschen verwechseln, was oftmals schlimme Folgen hat. Der Bär wollte übers Wasser fliehen. Damkiller können nicht schwimmen.«

»Dumm war es nicht, was er da vorhatte«, murmelte Clopper zerknirscht. Sie sahen zu, wie der Damkiller seine Beute ans Ufer zerrte und im Wald verschwand. In der Ferne schrien hungrige Jungtiere. Für Clopper hörte es sich wie das Blöken frisch geschorener Lämmer an, aber er behielt seine Meinung für sich. Dieser Planet ging ihm allmählich auf die Nerven. Wenigstens hatte die Begegnung etwas Gutes. Sie wussten jetzt, wo sie den Fluss überqueren konnten. Der Baumstamm lag noch immer auf der Kiesbank. Bärenblut klebte an der Borke.

Am anderen Ufer erhob sich sanft ein Hügel. Clopper deutete auf dessen Spitze und schlug vor, dass sie dort oben ihr Lager aufschlugen. Quinal schüttelte unbehaglich den Kopf.

»Das ist kein guter Platz, um zu rasten, Meister.«

»Natürlich ist es das. Man sollte immer versuchen, auf einem Hügel zu schlafen, weil da das Regenwasser besser abläuft. Das lernt man schon in der Grundausbildung.«

Er erklomm die Anhöhe. Quinal folgte ihm, wirkte aber alles andere als glücklich. Oben angekommen blickte sich der Frogo zweifelnd um.

»Du warst nie beim Militär, stimmt’s?«, sagte Mike. Er schlug seinem Begleiter kameradschaftlich auf die Schulter. »Macht nichts, es wird heute Nacht sowieso keinen Regen geben. Die Temperaturen bleiben angenehm, da muss ich nicht mal mein Zelt aufblasen. Wir können auf Decken schlafen und uns Geschichten erzählen.«

Clopper tippte auf seinen Handgelenkcomputer. Das Gerät, das wie eine zu dick geratene Armbanduhr aussah, enthielt eine Wetterstation, Wärmesucher, Kurzstreckenradar, Bewegungsmelder, Pulsfrequenzmesser und einen Taschenrechner mit den Grundrechenarten, Prozenttaste und Wurzelfunktion. Auch eine Weltzeituhr war eingebaut, die auf Helgoort aber nur eine Zeit anzeigte, weil noch niemand diese Welt in Zonen eingeteilt hatte. Die Satellitennavigation war unbrauchbar, da es im Orbit des Planeten keine Satelliten gab. Deshalb war Clopper froh, den kleinen Tasmanier dabei zu haben, der den Weg zum Drachenfels kannte.

Quinal trug eine Karte aus Wildleder bei sich. Die Wälder, Flüsse und Berge, an denen sie sich orientieren mussten, waren mit buntem Garn aufgestickt worden. Rechts unten befand sich ein Monogramm: TvT. Das hieß Tifar von Turkistan, wie der Frogo erklärte. Clopper fand es merkwürdig, dass jemand diese Karte in zeitraubender Handarbeit angefertigt hatte, wo die Befreiung der Prinzessin doch ein eiliges Kommandounternehmen sein sollte.

»Jeder Prinz hat so eine Karte«, antwortete Quinal. »Es hat auch jeder sein eigenes Monogramm. Die Amme der Prinzessin hat uns die Karten überreicht.«

»Kam dir dieser ganze Aufwand nicht komisch vor? Ihr hättet fragen sollen.«

»Vielleicht. Aber niemand war bereit, mit der Amme zu diskutieren. Lucina ist eine unangenehme Frau.«

Das konnte Clopper verstehen. Er kannte auch ein paar solcher Frauen. Meist saßen sie am Empfang bei den Vorsprechterminen. Sie hatten ihn schon manche gute Rolle gekostet. Wenigstens sah die Landkarte besser aus, als wenn der König jedem eine handgekritzelte Skizze gegeben hätte.

»Mach’s dir bequem«, forderte Clopper seinen Begleiter jetzt auf und deutete ins Gras. Das Froschgesicht blickte sich noch immer verunsichert um und wies dann auf einen grün marmorierten Felsbrocken, der in der Mitte des Hügels lag.

»Das ist ein Feenstein.«

»Kann schon sein. Ich kenne mich mit Steinen nicht aus.«

»Diese Steine bündeln die Erdmagie, Meister. Wir sollten hier nicht verweilen.«

»Du meinst wegen der Erdstrahlung?« Clopper winkte ab. »Darüber habe ich eine Sendung gesehen. Es ist nicht bewiesen, dass uns Erdstrahlen am Einschlafen hindern. Das meiste davon ist Einbildung. Von Mobilfunkstrahlen haben sie Jahrzehnte lang behauptet, dass sie unsere Hirne braten, und nun sieh dir an, wie weit wir es gebracht haben.«

Clopper hielt zwei Dosen Bohneneintopf in die Höhe. Sobald man die Lasche aufriss, wurde der Inhalt erhitzt. Nach fünf Sekunden hatte der Eintopf die richtige Temperatur, um gegessen zu werden. Er war weder zu heiß noch zu kühl, und die Finger verbrannte man sich an der Dose auch nicht. »Pobier’ mal!« Clopper reichte Quinal eine Portion.

Der Frogo aß zögernd. Er schielte immer wieder zu dem Feenstein, aber die Bohnen schmeckten, und er sagte nichts mehr. Offenbar hatte er neuen Respekt vor dem Mann von der Erde entwickelt, dessen Volk trotz permanenter Bestrahlung mit hirnabtötenden Wellen einen selbst erwärmenden Eintopf erfunden hatte.

Nach dem Essen zündete Clopper seine Zigarre an, paffte ein paar Züge und benutzte die leere Konservenbüchse als Aschenbecher. Er beschloss, die Büchse zu behalten, um seinen Müll darin zu sammeln. So musste er morgen früh, wenn sie das Lager aufgaben, bloß Quinals Dose vergraben, falls das Froschgesicht sie nicht als Souvenir behalten wollte.

Nach dem Genuss der Zigarre schmeckte Clopper der Kaugummi nicht mehr, und er warf ihn ebenfalls in die leere Konservendose. Dann bog er den Deckel zu und zog sich seinen Rucksack heran, um die Waffen zu inspizieren.

Cathy hatte ihm zwei kompakte Maschinenpistolen mitgegeben, bei denen das Magazin gleichzeitig als Griff diente. Außerdem verfügte er über eine Greifhakenschleuder, K.o.-Tropfen, Knicklichter und andere nützliche Kleinigkeiten. Clopper unterzog den Raketenwerfer einer eingehenden Prüfung, weil er mit dieser Waffe gegen den Drachen antreten wollte. Er stellte sich vor, wie er dem Monster die Lenkrakete zwischen die Augen setzte. Aber dann seufzte er enttäuscht. Der Werfer verschoss Wärme suchende Munition. Und nach allem, was Clopper gelesen hatte, waren Drachen Kaltblüter. Cathy Glory hatte wieder einmal ganze Arbeit geleistet.

Quinal hatte sich die ganze Zeit ruhig verhalten, und als Clopper jetzt hochsah, erkannte er warum. Der Frogo war mitten in der Bewegung erstarrt. Seine rechte Hand verharrte vor seinem weit geöffneten Mund. Die Bohnen auf dem Löffel waren kalt. Quinal stierte auf den Feenstein, über dem ein Licht angegangen war. Es hatte einen grünlichen Schein und knisterte leise. Clopper richtete die Sensoren seines Computers auf das Phänomen, doch die Anzeige blieb leer.

»Ein Feenwesen«, flüsterte Quinal, der in diesem Augenblick seine Sprache wieder fand.

»Unsinn, da ist nichts.«

»Ich kann es sehen. Wir befinden uns an einem Ort der Kraft. Diese Steine bündeln Magie und ermöglichen es den Geistern, mit der Welt der Lebenden in Kontakt zu treten.«

»Mein Scanner zeigt nichts. Also ist da auch nichts.«

»Siehst du das Licht denn nicht?«

»Natürlich sehe ich das Licht, aber es bedeutet nichts. Wir sind den ganzen Tag nach Norden marschiert, also ist das vielleicht ein Nordlicht, aber kein Geist. Es gibt keine Geister, weißt du.«

In diesem Augenblick begann der Geist zu sprechen. Eine sanfte Stimme erfüllte die Luft, und Cloppers Armbandcomputer meldete einen schweren Ausnahmefehler. Mike verfluchte Jim Gates und dessen Softwareimperium, die nicht in der Lage waren, fehlerfreie Produkte herzustellen.

»Eilt, ihr Helden, ehe es zu spät ist«, zirpte das Feenwesen. »Das Böse ist in unsere Welt gekommen, in einer fliegenden Festung auf Speeren aus Feuer. Dunkle Krieger treten durch das blaue Tor …«

»Schon klar«, lachte Clopper. »Sie nehmen Leute mit und stecken ihnen Sonden in den Arsch. Welch ein Schwachsinn! Könnte aus einem Fred-Zumpel-Film stammen.«

Das grüne Licht nahm die Gestalt einer jungen Frau mit herben Gesichtszügen und Schmetterlingsflügeln an. Quinal lauschte gebannt, obwohl die Fee bestenfalls eine billige Kopie von Tinkerbell war. Aber natürlich hatte der Frogo die neuen Verfilmungen von Peter Pan nicht gesehen und besaß daher keine Vergleichsmöglichkeiten.

»Was müssen wir tun?«, hauchte er.

»Nur der Held, der niemals prophezeit wurde, kann das Böse aufhalten«, zirpte die Fee.

»Das reicht!«, rief Clopper. Er nahm seinen MusiPlayer und stopfte sich die winzigen Lautsprecher in die Ohren. Wenn er sich schon ein irres Feenwesen anhören musste, dann wenigstens Brittany Honeydotter, die spitze Titten hatte und ordentlich geschminkt war.

Mike wälzte sich auf die Seite und schlief sofort ein.

Der Drachenjäger

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