Читать книгу Gefährlich gute Grooves - John Taylor - Страница 20

Оглавление

14: Ballroom Blitz mit Synthesizern

Ich weiß nicht, ob es an der Zeit lag, in der wir lebten, oder ob es einfach so ist, wenn man siebzehn ist, aber uns schien es so, als passiere musikalisch gerade ungeheuer viel; Punk Rock war in New Wave übergegangen, was ein Sammelbegriff für so ziemlich alles war, was Leute unter zweiundzwanzig machten. Es gab so viele neue Arten von Musik, die uns inspirierten. Siouxsie and the Banshees waren äußerst beliebt. Ich fühlte mich ihnen verbunden, weil ich einmal dabei war, als sie vor sechzig Leuten spielten. Dann kamen hundert zu ihnen, dann tausend, dann bekamen sie einen Plattenvertrag, der sie zu Top of the Pops brachte.

Eine andere Band, die ich aufmerksam verfolgte, waren die Heartbreakers, die Ex-New-York-Doll Johnny Thunders gebildet hatte. Malcom McLaren ließ die Heartbreakers in Großbritannien einfliegen, um mit den Sex Pistols auf deren Anarchy In The UK - Tour zu spielen, und sie sind nie richtig zurückgekehrt. Sie fanden Anschluss zu den britischen Punks und merkten, dass sie ein viel größeres Publikum anzogen als in den Staaten. Es war spannend, Thunders auf der Bühne zu sehen, er wirkte gefährlich und unberechenbar. Diese New-York-Haltung. Vielleicht war es auch sein Heroin-Konsum. Er hatte das gewisse Etwas.

Steve Jones spricht offen über den Einfluss, den Thunders’ Art zu spielen auf ihn hatte. In der Dokumentation The Filth and the Fury gibt es eine lustige Sequenz, in der Filmaufnahmen beider Gitarristen zusammengeschnitten sind. Sie zeigen ziemlich deutlich, wie viel sich Steve von Thunders abgeschaut hatte.

Etwas Ähnliches könnte man mit mir auch machen. Ich lernte Thunders’ typische Übergänge und Gitarrenläufe und übertrug sie auf den Bass, komplett mit dem dazugehörigen spöttischen Grinsen. Zum ersten Mal erlebte ich die Magie eines Thunders-Auftritts an der Universität von Birmingham. Die Vorgruppe war eine Band, von der ich noch nichts gehört hatte, The Police. Damals schmuggelte ich einen Cassetten-Recorder in jedes Konzert, und schaltete die Aufnahme ein, wenn sie zu spielen begannen, auch wenn ich keine Idee hatte, wer da spielte. Es war gut möglich, dass eine Band, die du gestern noch nicht kanntest, morgen deine Lieblingsband war.

Der Sänger von The Police spielte auch Bass, was sehr raffiniert und gar nicht punk-gemäß auf mich wirkte. Nach der zweiten Nummer kam er mit dem überwiegend aus Studenten bestehenden Publikum ins Gespräch. Mir erschien das ein wenig zu vertraut. Ich wusste damals nicht, dass Sting ein Lehrer gewesen war und die Sprache der Studenten weit besser beherrschte als die der Punks.

Sting: „Gleich kommen die Heartbreakers.“

(Jubel von mir und ein oder zwei anderen)

STING: „Wisst ihr, sie können nicht spielen.“

ICH: „Fuck off.“

STING: „Wer hat ‚Fuck off‘ gesagt?“

ICH: „Das war ich.“ (Das wurde alles mit aufgenommen)

STING: „Sie sind wirklich tolle Jungs, aber sie können nicht spielen.“

ICH: „Hau ab, du Wichser!“

STING: „Ihr werdet es sehen. Der nächste Song heißt ‚Fall Out‘! Eins, zwo, drei, vier …“

Er lag falsch, was die Heartbreakers anging. Sie waren überwältigend an dem Abend. Als wir 1993 bei der BBC „Ordinary World“ für Top of the Pops aufzeichneten, stand ich neben Sting und schaute mir auf einem Monitor eine Wiederholung unseres Auftritts an. Ich hatte das Gefühl, ich müsste ihm von jenem Abend erzählen, aber bevor ich den Mund öffnen konnte, wandte er sich zu mir und sagte: „Ich wünschte, ich hätte diesen Song geschrieben.“

Also beließ ich es dabei.

Ein weiterer Wendepunkt kam, als ich Human League zum ersten Mal sah. Nick und ich hörten sie als Vorgruppe von Siouxsie and the Banshees und Penetration im Mayfair Ballroom im Bullring-Einkaufzentrum. Wir sahen andächtig zu. Sie hatten keinen Schlagzeuger, keine Gitarren.

Stattdessen hatten sie drei Synthesizer und eine Drum-Machine. Der Plan, irgendwo für Nick einen Synthesizer aufzutreiben und zu seinem Instrument zu machen, erschien uns jetzt weit aufregender, als wenn ich versucht hätte, ihm das Gitarrespielen beizubringen.

Nicks Mum Sylvia kaufte in Woodroffe’s Music Store für zweihundert Pfund den ersten Wasp-Synthesizer, den es in Birmingham gab. Es war die beste Investition ihres Lebens.

Für fünfzehn Pfund erstanden wir außerdem eine Kay-Rhythmus-Box. Darauf waren Standardrhythmen wie Mambo, Foxtrott, Slow Rock oder eingestellt. Nick kontrollierte also die Harmonien, gab das Tempo vor und drückte die Knöpfe der Rhythmus-Box, Steve Duffy sang und spielte Bass, ich war an der Gitarre. In dieser Besetzung machten wir in dem Raum über dem Spielzeuggeschäft von Nicks Mum mit einem Cassetten-Recorder unsere ersten Aufnahmen.

Das dabei entstandene „Album“ bekam den Titel Dusk And Dawn. Die Band nannten wir Duran Duran.

Woher kam dieser Name? Jeder Fan weiß das. Aus dem Film Barbarella mit Jane Fonda als hinreißendste Weltraum-Detektivin, die die Galaxie je gesehen hat. Ihre Mission: „Finde Durand-Durand und … erhalte die Sicherheit der Sterne.“

Warum also nicht eine Band mit dem Namen Durand-Durand? Weil du im Film weder das „ds“ am Ende noch den Bindestrich hören kannst, und die Website imdb.com gab es damals noch nicht.

Der arme alte, von Milo O’Shea gespielte Duran(d) hat die Lustorgel gestohlen – eine Maschine, die Frauen exzessive Freuden verschafft. Wer wollte ihm das vorwerfen? Woody Allen machte darauf später eine Parodie und erfand das Orgasmatron. Barbarella ist ein Meisterwerk des Euro-Kitsch, und wir waren immer stolz auf unsere Verbindung damit.

Für unseren Live-Auftritt in unserem College-Saal am 5. April 1979 um 18 Uhr – eigentlich war das noch Vorlesungszeit – holten wir Steves Freund Simon Colley mit ins Boot, der Klarinette und gelegentlich Bass spielte. Ich habe mir neulich eine Aufnahme davon angehört. Kaum vorstellbar, dass diese Band den Madison Square Garden gefüllt hätte, aber als lärmende Shoe-Gazer im Stile von My Bloody Valentine oder The Jesus and Mary Chain hätten wir eine ganz andere Karriere machen können.

Zwanzig oder dreißig unserer Freunde kamen, um uns zu unterstützen. Um die Bedeutung der Songs zu unterstreichen, projizierten wir abstrakte Bilder auf eine Leinwand. Human League hatten das auch gemacht.

Die Musik entwickelte sich weiter und wir entwickelten uns mit. Wir waren der Zeitgeist. Seit Shock Treatment hatten wir alle aktuellen kulturellen Strömungen angezapft. Dem wütenden Krach aus drei Akkorden waren wir langsam entwachsen. Wir strebten nach etwas Anderem, Frischem. Multimedia, Mode, Tanz, Kunst: Wir wollten alles in einem Mix.

Auf dem Cover von Dusk And Dawn war die mit langer Belichtungszeit aufgenommene Schwarz-Weiß-Fotografie einer New Yorker Straßenflucht zu sehen. Autolichter schlängelten sich die Park Avenue auf und ab. In die obere rechte Ecke setzten wir ein Foto von uns Dreien, auf dem unsere Gesichtszüge seltsam abwesend waren. Vielleicht war es Kunst, vielleicht hatte ich es beim Fotokopieren am College aber auch einfach mit dem Kontrast übertrieben.

Die Titel der Songs lauteten „Soundtrack“, „Aztec Moon Rich“, „Take (The Lines And The Shadows)“, was einer von Simons Titeln sein könnte, „Hold Me/Pose Me“, „A Lucien Melody“ und „Hawks Don’t Share“.

Ich war so stolz auf diesen ersten Versuch, ein Album zu machen, dass ich mich entschloss, ihn als mein Jahresprojekt einzureichen. Jeder Student bekam einen Platz in der Haupthalle zugewiesen, um die Früchte seiner Arbeit auszustellen. Ich bedeckte meine Wandfläche mit einem glänzend schwarzen Müllsack und legte eine einzelne Cassette davor auf einen Tisch. Es sah ziemlich gut aus.

Es war ein gewisses Maß an Chuzpe nötig, keine Miene zu verziehen, während College-Dozenten und Mitstudenten mein Exponat umkreisten.

Ich hatte Steve Duffys Modell der freien Deutung noch übertroffen.

Professor Grundy nahm die Cassette hoch und betastete sie vorsichtig.

GRUNDY: „Und was haben wir hier?“

ICH: „Es ist das, was ich die letzten sechs Monate gemacht habe.“

GRUNDY: „Und was wollen Sie damit bezwecken?“

ICH: „Einen Plattenvertrag bekommen.“

GRUNDY: „Es hat aber nicht direkt etwas mit Ihrem Studium zu tun, oder?“

ICH: „Warum sollte es? Haben Sie uns nicht angeregt, freier darüber zu denken, was Kunst ist und was nicht? Das hier ist Kunst, weil ich es sage.“

GRUNDY: „Nun, ich bin froh, dass Sie in Ihrer Zeit hier etwas gelernt haben, Nigel.“

Das war mein letzter Tag an der Hochschule. Ein paar Wochen später bekam ich einen Brief, in dem stand, dass ich in keinem der BA-Studiengänge aufgenommen worden war.

Insgeheim war ich froh darüber. Ich wollte nur Musik machen, die Ideen, die wir als Band hatten, weiterentwickeln, und so oft wie möglich spielen.

Aber das musste ich Mum und Dad beibringen, da ich weiterhin zu Hause wohnen wollte.

Ich sprach mit ihnen mit weit größerer Demut, als ich sie meinem Professor gegenüber an den Tag gelegt hatte. Was ich vorhatte – keinen Job zu haben –, widersprach allem, was sie kannten. Für sie war meine Musik bestenfalls ein Hobby, etwas, worüber man lächelte, und nichts, woraus man einen Beruf machen konnte.

Es half mir nicht gerade, dass Dad mit Siebenundfünfzig entlassen worden war – er nannte das Vorruhestand. Wenn ich damit durchkäme, würden wir für eine Weile Stütze beantragen müssen.

„Ich brauche einfach etwas Zeit, Mum, Dad. Das ist es, was ich wirklich tun möchte.“

„Ich weiß nicht. Jack, was meinst du?“

Ihre Enttäuschung war spürbar. Beide träumten davon, dass ihr Sohn zur Universität geht. Es war ein großer Brocken, den sie da schlucken sollten.

Ich brauchte Argumente. „Ich sage ja nicht, dass ich gar nichts machen will. Ich werde nicht zu Hause herumhängen. Ich werde an der Musik arbeiten. Aber ich muss es Vollzeit tun.“ Dad war ziemlich neben der Spur. Nach dem Debakel bei der Arbeit, das zu seinem „Vorruhestand“ geführt hatte, war er ratlos und wie gelähmt. Der Rebell in ihm wollte mich unterstützen.

„Ich denke, wir können es versuchen. Aber nur ein Jahr.“

Das war alles, was ich brauchte. Das fühlte ich. Ich konnte kaum an mich halten. In einem Gefühlsausbruch, wie er in Nummer 34 selten war, umarmte ich sie und weinte, weil ich um die Bedeutung dessen wusste, was gerade passierte.

Dass Mum und Dad mir trotz ihrer Bedenken vertrauten und mich zwölf Monate lang mein Ziel verfolgen ließen, war das beste Geschenk, das sie mir je gemacht haben.

Es gab keine Zeit zu verlieren.


Gefährlich gute Grooves

Подняться наверх