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ОглавлениеIntro: Brighton, 29. Juli 1981
Montagabend im Brighton Dome, in zwei Wochen erscheint unsere dritte Single, „Girls On Film“. Vor einem Monat war mein
21. Geburtstag.
Das Licht geht aus und „Tel Aviv“ setzt ein. Wir haben diesen beschwörenden, orientalisch angehauchten Instrumental-Track von unserem neuen Album für die Eröffnung ausgewählt, damit das Publikum merkt, dass die Show gleich anfängt.
Aber seltsam, wir hören gar keine Musik. Was ist da draußen los? Der Sound der Menge. Immer lauter. Größer. Sie rufen nach uns.
Kreischen.
Und dann heißt es, hinter dem Sicherheitsvorhang entlang: raus auf die Bühne. Ein Anflug von Angst. Wir werfen uns nervöse Blicke zu. Schneiden Grimassen. „Träume ich?“
Wir stöpseln unsere Instrumente ein; der Bass läuft, die Drum-Beats sind da, die Gitarren zu den Keyboards gestimmt.
Fertig.
„Tel Aviv“ erreicht den Schlussteil. Auf geht’s.
Der Vorhang hebt sich vor unserem neuen Leben.
Bis unter das Dach reichen die PA-Türme, die unsere Instrumente verstärken. Doch ihre ganze Power ist machtlos gegen die sexuelle Energie, die aus dem jugendlichen Publikum auf uns zu wogt.
Ihre Kraft ist fast greifbar. Ich spüre den ganzen ersten Song hindurch, wie sie sich meiner Arme, Beine und Finger bemächtigt. Unablässig branden ihre Wellen auf die Bühne.
Wir haben keine Chance, uns Gehör zu verschaffen, aber das macht nichts. Es hört uns sowieso niemand zu. Sie sind gekommen, um sich selbst zu hören. Um gehört zu werden. Und was sie zu sagen haben, ist: „Nimm mich, MICH! Ich gehöre dir! John! Simon! Nick! Andy! Roger!“
Als unser erster Song mühsam stolpernd zum Halten kommt, sehen wir uns gegenseitig hilfesuchend an. Aber irgendwie hat der nächste Song schon ohne uns angefangen. Wir haben die Kontrolle verloren. Sitze werden zertrümmert. Kleider heruntergerissen. Es gibt Verletzte. Zusammenbrüche. Eine Szene wie von Hieronymus Bosch. Alle weiblichen Teenager Großbritanniens erleben zeitgleich ihre Jugend-Krise, genau jetzt, mehr oder weniger im Takt unserer Musik. Der Wahnsinn ist ansteckend. Wir sind der Auslöser für ihre Explosionen, eine nach der anderen, tausendfach.
Wir sind zu Idolen geworden, zu Ikonen. Objekten der Anbetung.