Читать книгу Der Assistent 1 | Erotischer Roman - Jones Susan Morrow - Страница 10
ОглавлениеKapitel 8
Die Präsentation verlief großartig. Der Vorstand war begeistert von dem vorgestellten Projektplan und meldete nicht den geringsten Zweifel. »Rebecca, das klingt nach einem richtig großen Erfolg«, lobt der Vorstandsvorsitzende und schüttelt ihre Hand.
»Danke!« Rebecca strahlt und sieht aufmerksamkeitsheischend zu ihrem Assistenten hinüber, der eine hinreißende animierte Präsentation gezaubert hatte, völlig untypisch für das ansonsten so konservative Unternehmen. Dem Vorstand hatte es offenbar gefallen.
Als alle den Sitzungsraum verlassen haben, geht Rebecca zu Marc. »Tausend Dank, die Präsentation war richtig gut!«
Marc lächelt. »Keine Ursache. Du hattest ja den größten Anteil am Erfolg, musstest du doch die Herrschaften mit Worten von deinen traumhaften Beinen ablenken.«
Rebecca wird rot. Jetzt flirtet er doch deutlich mit ihr! Sie spürt das Blut in ihren Wangen und ärgert sich, sie ist die Vorgesetzte und sollte kühl bleiben, ihm deutlich zeigen, dass der Ton unangebracht ist. Und doch treibt ihr das versteckte Kompliment in seinen Worten, das erste, das er ihr je gemacht hat, das Blut in das Gehirn. »Findest du den Rock zu kurz?«
Er lächelt wieder. »Ich würde mir ja selber ein Bein stellen, wenn ich jetzt ja sagte. Also werde ich das selbstverständlich nicht tun.« Dann geht er zum Tisch und baut den Beamer und den Laptop ab, den er mitgebracht hat.
Verwirrt geht Rebecca in ihr Büro zurück. Traumhafte Beine … ja, die hat sie, trainiert sie regelmäßig, so wie den Rest ihres Körpers. Sie ist attraktiv, durchaus, das hat sie erst spät herausgefunden, und direkte Komplimente sind noch seltener, als der Wetterbericht von Abu Dhabi im Fernsehen.
Sie ruft Stacy an und berichtet stolz von ihrem Erfolg. Dann muss sie fragen, verunsichert durch seine Worte: »Findest du meine Röcke zu kurz?«
»Bist du verrückt? Wenn ich so eine Figur hätte wie du, würde ich nur noch nackt rumlaufen!«, ruft Stacy empört durch den Hörer.
Rebecca lacht laut. Das hat sie gebraucht, die erfrischende Fröhlichkeit der Freundin, bestärkend und verstehend. Sie legt auf und wendet sich ihrem Laptop zu. Mit einem leisem »Pling« verkündet die Maschine vom Eingang neuer E-Mails. Doch Rebecca kann sich nicht auf deren Inhalt konzentrieren, beseelt von ihrem Erfolg bei der Präsentation, hängt sie ihren Gedanken nach. Der Ruf in den Vorstand rückt immer näher, da ist sie sich sicher. Spätestens nach Beendigung des Projektes muss das ja passieren, das geht gar nicht anders. Gut gelaunt greift sie erneut zum Hörer und ruft ihre Mutter an.
»Kind! Das ist ja schön, dass du mal anrufst und nicht immer nur E-Mails schreibst!« Typisch Mutter, ohne einen kleinen Vorwurf geht es nicht.
Rebecca seufzt. »Ja, ich hab grad furchtbar viel um die Ohren, tut mir leid. Aber ich bessere mich, versprochen.« Ihre Mutter lacht und fragt nach ihrem Liebesleben, ob sie denn noch immer keinen Mann ... Immer dieselben Fragen, immer dieselben Antworten. Rebecca erzählt von ihrem Erfolg, beschreibt das Meeting mit den wichtigen Männern in blumigen Worten, hört die Freude der Mutter durch den Hörer, die dem Vater im Hintergrund zuruft und beinahe jedes ihrer Worte an ihn weiterreicht. Und sie kann die stolzen Augen des Vaters durch den Hörer, über die Entfernung hinweg, auf sich spüren – das Glänzen der Augen, die sagen: »Meine Tochter! Das ist meine Tochter!«
Ihr Vater ist schon seit vielen Jahren Frührentner, er hatte in einem Kraftwerk gearbeitet und war schon mit fünfunddreißig Jahren an einer Staublunge erkrankt. Seitdem lebt er so vor sich hin, mal mehr, mal weniger krank, lebt für seine Familie, seine Tochter, die sein ganzes Glück ist und sein einziges Kind, seine Prinzessin, die er vergöttert und verehrt, und auf die er so stolz ist. Ihre Mutter arbeitet seit vielen Jahren im Krankenhaus als Krankenschwester. Nachtschichten und Wochenenddienste haben sie der kleinen Familie entzogen, häufig ist sie allein gewesen mit ihrem Vater, der manchmal so krank war, dass sie ihn trösten und pflegen musste. Ihr Vater hat immer mit tränenden Augen und lautem Husten gesagt: »Kind, lern was Gescheites, damit aus dir was wird. Guck dir an, wie du sonst endest.«
Sie legt das Telefon zur Seite, sieht aus dem Fenster. In der Scheibe spiegelt sich ihr Gesicht, nur schemenhaft. Die feinen Fältchen, die sich in der letzten Zeit eingestellt haben, die Unebenheiten der Haut sind unsichtbar, ein glattes, herbes Gesicht mit einer etwas zu langen Nase und einem etwas zu sehr vorspringendem, kantigen Kinn.
Sie war nie ein besonders hübsches Mädchen gewesen. Als Kind wurden Freundinnen immer bewundert, weil sie so niedlich, so hübsch, so nett zurechtgemacht waren. Sie hatte immer langweilige mittelblonde Haare, die zu große Nase, einen leichten Silberblick, schiefe Zähne gehabt. Niemand nannte sie je hübsch oder gar niedlich, auch die Eltern nicht. Das typisch Weiche in den Gesichtszügen kleiner Mädchen hatte sie nie gehabt. Die Zähne richtete der Kieferorthopäde Jahre später, doch dafür kamen dann Pubertätsakne und ein viel zu großer Busen dazu, der ihr einige Hänseleien der gleichaltrigen Jungs einbrachte. Erst viele Jahre später hatte sie erfahren, dass Männer ihren üppigen Busen durchaus zu schätzen wussten. Da sie sowieso am liebsten zu Hause am Schreibtisch saß und las und lernte, und im Gegensatz zu den Klassenkameradinnen keinen Gedanken an Jungs verschwendete, war es ihr egal.
Ihren ersten Kuss bekam sie mit sechzehn, von einem Jungen aus ihrer Klasse, der als Streber verschrien war und eine hässliche Brille mit Hornrand trug. Aber er war der einzige gewesen, der sich zu ihr hingezogen fühlte. Sie war zu spießig und uncool gewesen. Für Markenkleidung hatten ihre Eltern kein Geld gehabt und Rebecca hatte für die albernen Hobbys der Gleichaltrigen nichts übrig gehabt.
Ihren ersten Sex hatte sie mit achtzehn, gleichzeitig mit ihrem ersten Alkoholrausch auf dem Jahrmarkt im Dorf. Mit einem der beliebtesten Jungs aus der Schule hatte sie es gleich hinter einem Wohnwagen im nassen Gras getrieben und von dem Abend nicht viel mehr zurückbehalten als einen heftigen Kater und eine Blasenentzündung und die große Frage, warum die anderen Mädchen dauernd über Sex sprachen.
Am College traf sie dann Luke, mit dem sie viele Jahre verbrachte. Der Sex war okay, aber spannungslos gewesen, vorhersehbar schon nach kurzer Zeit. Luke war selbst nicht besonders erfahren, und meistens hatten sie zärtlichen, romantischen Kuschelsex. Aber Luke liebte ihre prallen Brüste, und ab und zu erlaubte sie ihm, seinen Schwanz dazwischen zu drängen und sich mit Hilfe ihres Busens selbst zu befriedigen. Sie guckte dann zu, wie er keuchend seinen Penis zwischen ihrem Busen rieb, und wenn ihr danach war, beugte sie ihren Kopf herab, um seine Penisspitze sacht mit der Zunge zu berühren, wenn diese von seinem Rhythmus getrieben kurz zwischen ihren Brüsten auftauchte. Das machte ihn wahnsinnig. Sie hatte den Sex mit Luke geliebt, weil er innig war. Es war jedes Mal, als verschmölzen sie zu einer Einheit, sie waren nur noch ein Körper. Luke arbeitete immer auf einen gemeinsamen Orgasmus hin, und wenn sie merkte, dass sie heute gar nicht kommen würde, dann tat sie so, als hätte sie ihren Höhepunkt gleichzeitig mit ihm. Das machte ihn wahnsinnig stolz und er badete in seinem Adrenalin, wenn er in ihr gekommen war.
Es war Stacy, die ihr zeigte, wie sie mehr aus sich machen konnte, das harte Gesicht zu weichen Konturen mit Make-up und rosa Rouge verwischen konnte, sodass sie beim Blick in den Spiegel glaubte, durch einen Weichzeichner zu sehen. Sie hatte Rebecca gezeigt, wie man die Augen betont, wie sie ihre vollen Lippen noch stärker zur Geltung bringen konnte und aus den großen, grünen Augen einen verführerischen Augenaufschlag zauberte.
All das Wissen macht heute aus ihr eine durchaus attraktive Frau, das weiß sie. Und ihre Figur hat sie jahrelang trainiert, die kann sich wirklich sehen lassen. Schade, dass niemand in Sicht ist, der ihre Mühen würdigt ...
Das Öffnen der Tür reißt sie aus den Gedanken. »Ja?«
Marc steckt den Kopf zur Tür hinein. »Lust auf eine kleine Pause, zur Feier des Tages?«
Rebecca ist überrascht, aber er hat recht, eine Pause kann sie jetzt gut gebrauchen. »Gute Idee. Wollen wir unten einen Kaffee trinken?«
Marc lacht amüsiert. »Nein, natürlich nicht. Lass mich dich kurz entführen.« Fordernd streckt er seinen Arm nach ihr aus. Ihr wird warm, spürt, wie ein Anflug von lustvoller Aufregung sie durchzuckt. Entführen, mitten am Tag, kleine Pause … Fast kann sie seine spöttischen Lippen auf ihrem Mund spüren, ja, das wäre eine angenehme Pause ... Sie atmet hörbar laut ein, dann reißt sie sich zusammen, lacht unsicher. »Na gut, warum eigentlich nicht.« Sie zieht ihren Blazer an und greift nach ihrer großen Handtasche. Fröhlich geht sie hinter ihm her durch das Vorzimmer.
Natalie zieht die Augenbrauen hoch. »Was habt ihr denn vor, so ausgelassen?«
Marc zwinkert ihr zu und legt geheimnisvoll einen Finger auf seine Lippen. »Geheimnis.«
Rebecca kichert amüsiert unter dem fragenden Blick der Sekretärin, und Marc hält ihr galant die Türe auf.
Auf der Straße angekommen steckt sich Marc eine Zigarette an.
»Du rauchst?«
Er zuckt die Achseln. »Manchmal.« Genussvoll zieht er an der Zigarette, pustet den bläulichen Rauch als Kringel aus und zieht die Zigarette kunstvoll durch die kleine Öffnung im Rauchkringel, um sie wieder an seinen Mund zu führen, wo sich die feinen, feuchten Lippen darum legen.
Etwa fünfhundert Meter gehen sie die Straße entlang, zwischen den hohen Bürogebäuden hindurch. Sie kennt die Umgebung gar nicht, kommt immer mit dem Wagen in das Büro, den sie zielsicher an seinen Platz in der Tiefgarage steuert, keine Zeit für Umwege.
»Wo gehen wir denn hin?« Sie mag Überraschungen nicht. Ein Blick auf die Uhr zeigt ihr, dass es zu früh ist für Feierabend und zu spät für eine Mittagspause. In all den Jahren hat sie das Büro tagsüber nie verlassen, nur ein einziges Mal, als sie krank war und ihr damaliger Chef sie mit vierzig Grad Fieber wütend nach Hause geschickt hatte. Und selbst da hatte sie ein schlechtes Gewissen gehabt und zu Hause mit Laptop und Handy im Bett gelegen – es geht nicht ohne sie.
»Überraschung«, sagt Marc kurz, lächelnd, und nimmt ihre Hand. Die unerwartete Berührung durchfährt sie wie ein Griff auf die heiße Herdplatte. Weich und warm ist seine Hand, die Haut glatt und zart, keine Spur von harter Arbeit, keine männlichen Schwielen, nichts Raues hat sie. Für eine Sekunde durchzuckt Rebecca der Gedanke, wie sich diese Hand auf ihrer heißen Haut anfühlen müsste, streichelnd, sanft und liebevoll. Gänsehaut.
»Hier entlang.« Er zieht sie in eine kleine, düstere Seitenstraße.
Sie legt den Kopf in den Nacken und betrachtet die merkwürdig schmalen, hohen Fassaden der alten Häuser, die rechts und links die Straße säumen. »Hier war ich noch nie. Bist du sicher, dass du hierher kommen wolltest? Hier ist doch nirgendwo ein Kaffee?«
Er geht gezielt auf eine Haustür zu. Das Haus ist aus den vierziger Jahren, die Fassade an vielen Stellen abgebröckelt, die Fenster offenbar noch im Originalzustand, Einfachverglasung und halb vermoderte Holzfenster. Eine große, schwere Holztür versperrt den Eingang. Er drückt auf einen der vielen Klingelknöpfe an der Tür, wartet, ihre Hand noch immer in seiner, hält sie fest, dass sie nicht fortlaufen kann.
Sie atmet schwer. »Marc, wirklich, für solche Späße hab ich keine Zeit ...« Verärgert. Was soll das?
»Ssh«, zischt er durch die Lippen, als sich auch schon die schwere, alte Holztür öffnet.
Die junge blonde Frau von heute Mittag steht im Türrahmen und strahlt. »Willkommen!« Sie beugt den Kopf vor und haucht ihm einen Kuss auf die Wange, erst rechts, dann links.
Mit einem Finger streicht er sacht über ihre Wange und dreht sich zu Rebecca um. »Rebecca«, sagt er nur, richtet den Blick wieder auf die blonde Frau, die sie freundlich anlächelt.
»Entschuldigung«, murmelt sie, kann das Gefühl in ihr nicht einordnen, sie ist verärgert, sie ist nervös, sie ist verwirrt, sie ist ängstlich, warum eigentlich?
»Ich wusste nicht, was er vorhat, sonst wäre ich nicht mitgegangen!« Sie fühlt sich schrecklich, fehl am Platz, überflüssig. Was denkt er sich dabei, sie zu seiner Freundin mitzunehmen, die offenbar auch noch in einem völlig heruntergekommenen Viertel der Stadt in einem ebenso heruntergekommenen Haus wohnt? »Ich sollte besser gehen«, sagt sie noch schnell und dreht sich um.
Doch er greift schnell nach ihrem Handgelenk und zieht sie wieder zu sich. »Du bist eingeladen«, sagt er bestimmend und deutet mit dem Kopf auf den düsteren Hausflur vor ihnen.
Die junge, blonde Frau nickt eifrig. »Selbstverständlich. Ich habe alles vorbereitet für euch, wie du gewünscht hast«, sagt sie beflissen.
Marc lächelt. »Danke.«
Rebecca staunt. Was ist hier los? Was passiert hier? Und wer ist die junge Frau, wenn nicht seine Freundin? Aber vor allem – was hat sie, Rebecca, hier zu suchen? Sie fühlt sich unwohl, als sie den dunklen Flur betritt, ein Eindringling in eine andere Welt, sie gehört hier nicht her. Die alte Holztreppe ist ausgelatscht und knarrt bei jedem Schritt, die Wand ist mit Graffiti beschmiert, vor einer Tür steht eine volle Mülltüte, sie kann die Reste von Lebensmitteln in dem engen Treppenhaus mit der schmalen Treppe riechen. In der dritten Etage öffnet die junge, blonde Frau eine alte Holztür und geht in eine Wohnung. Sie folgen ihr. Rebeccas Handgelenk im festem Griff seiner Hand. Die hohen Decken sind mit altmodischem Stuck verziert. In der Mitte des Wohnzimmers, das sie nun betreten, prangt ein großer alter Lüster mit glitzernden Kristallen, schwere dunkelgrüne Samtvorhänge umrahmen die alten Holzfenster, durch die sie einen Ausblick auf die Hinterfassade anderer Häuser hat. Die Luft ist erfüllt von einem scharfen, unbekannten Duft, der sie neugierig macht.
Unter dem Lüster steht ein großer, weißer Tisch, dessen Füße mit vergoldeten Löwentatzen verziert sind. Louis XIV-Stühle stehen um den Tisch herum, und auf dem Tisch befindet sich ein großer, alter vergoldeter Samowar, aus dem der fremde und doch so einladende Duft dringt. Kitsch, wie in einem schlechten Film. Wie kann man so leben, umgeben von so viel unnützem Kram und Tand, der Vergoldung, der alten Lampe?
»Setz dich.« Marc hat einen der Stühle für sie zurechtgerückt, lächelnd steht er dahinter, einladend.
»Danke«, sagt Rebecca fassungslos und lässt sich auf das dunkelgrüne Samtpolster des Stuhls fallen.
Er nimmt am anderen Kopfende Platz und wartet.
Die Frau namens Angelique geht in den Nebenraum und kommt mit einem silbernen Tablett voller kleiner Törtchen zurück. »Was darf ich dir anbieten? Ich wusste nicht, ob du überhaupt Süßes isst. Daher habe ich verschiedene Varianten gemacht, mit Obst, mit Sahne, mit Alkohol …« Sie lächelt und hält Rebecca das Tablett mit den kleinen Köstlichkeiten unter die Nase.
»Die hast du selber gemacht?«, staunt sie und sieht verwirrt zu Marc hinüber, der die Hände unter dem Kinn verschränkt hat und mit leicht amüsiertem Blick und schiefem Mundwinkel zu den beiden Frauen hinübersieht.
»Ja, Marc liebt meine selbstgemachten Törtchen«, sagt die junge, blonde Frau strahlend und wirft ihm einen beifallheischenden Blick zu.
Rebecca wählt ein Obsttörtchen, das Angelique ihr bereitwillig auf den Teller legt. Ein kleiner duftender Kuchen, belegt mit Erdbeeren, Ananas und einer nach Vanille und Anis duftenden Creme. Die junge Frau geht um den Tisch herum. Er zieht ihren Kopf zu seinem herunter und flüstert etwas in ihr Ohr. Das Mädchen kichert verlegen, macht zu ihrem großen Erstaunen einen kleinen Knicks und legt Marc ein Sahnetörtchen auf den Teller. Dann stellt sie das Tablett wieder auf dem Tisch ab und kehrt zu Rebeccas Platz zurück, um ihre Teetasse zu nehmen.
»Ich habe Tee gekocht, meine Spezialität. Marc liebt ihn, und er ist überaus entspannend und gesund«, erklärt sie und füllt aus dem Samowar einen dampfenden, grünlichen Tee in die zierliche Porzellantasse.
Rebecca ist sich sicher, dass sie in dieser merkwürdigen Stimmung weder etwas essen noch etwas trinken kann, nimmt aber die Tasse dankend entgegen. Sie stellt fest, dass nur zwei Gedecke auf dem Tisch sind.
»Trinkst du keinen Tee mit uns?«, fragt sie die junge, blonde Frau, die gerade auf dem Weg in den Nebenraum, offenbar die Küche, ist.
Die läuft rot an und schüttelt heftig die blonden Locken. »Nein, nein, ich lasse euch jetzt natürlich allein.« Sie huscht hinaus und zieht die Tür hinter sich zu.
»Bon appetit«, sagt Marc und beißt genüsslich in sein Sahnetörtchen.
Rebecca will aufstehen, Empörung durchfährt sie. Sie erwartet eine Erklärung, was soll sie hier, was hat das zu bedeuten, wer ist die Frau und warum hat er sie hergebracht?
Er lacht heiser. »Setz dich wieder hin«, sagt er mit fester und bestimmender Stimme. Rebecca ist so verdutzt über den Tonfall, dass sie ohne weiter nachzudenken gehorcht.
»Angelique ist eine gute Freundin von mir. Sie macht die besten Törtchen und den besten Tee. Trink ihn. Ich habe sie gebeten, dies hier für uns vorzubereiten, zur Feier des Tages.« Er beißt erneut in sein kleines Sahnetörtchen und leckt aufreizend langsam einen Rest Sahne von seinen vollen Lippen.
Rebecca schluckt und greift zu der kleinen Teetasse. Der Tee dampft und riecht fremdländisch, exotisch, lecker. Sie nimmt einen kleinen Schluck, vorsichtig. Die heiße Flüssigkeit rinnt ihre Kehle hinab, sie spürt den ganzen Weg, den der warme Saft in ihrem Körper zurücklegt, bis er sich wie ein wohltuender Schleier auf ihren Magen legt. Ein Gefühl innerer Ruhe überkommt sie, entspannt, gelöst, wohlig warm. Sie schmeckt Ingwer, er ist scharf, aber wohltuend, er öffnet die Poren und die Bronchien, sie kann atmen, schmecken. Gierig trinkt sie erneut. Erinnerungen an die Großmutter tauchen auf, sie sieht die alte Dame in ihrer kleinen Wohnung, einer Puppenstube ähnlich, mit Biedermeiermöbeln und feinen gehäkelten Zierdeckchen. Auch die Großmutter hatte einen Samowar, und wenn darin der Tee brodelte, der den Erwachsenen vorbehalten war und den sie als Kind nie kosten durfte, lag eine ganz besondere, geheimnisvolle Stimmung in der kleinen Stube. So wie hier.
Marc ist ganz still am anderen Ende des Tisches und genießt ebenso wie sie seinen Tee. Sie nippt wieder an der Tasse und schließt die Augen. Ihre Hände, ihre Füße, ihre Arme, ihre Beine, ihr Gesicht – der ganze Körper wird plötzlich warm, eine innere, beruhigende Wärme durchdringt ihren Körper und hüllt sie ein wie eine warme Decke. Sie könnte weinen, so wohl fühlt sie sich.
Schließlich öffnet sie die Augen wieder. Marc beobachtet sie schmunzelnd vom anderen Ende des Tisches. »Hab ich zu viel versprochen?«, fragt er.
Rebecca schüttelt den Kopf. »Es ist wunderbar«, sagt sie leise und stellt die leere Teetasse ab, dann lässt sie sich von ihm hinausbegleiten, hinaus aus der wohligen Wärme dieser anderen Welt, zurück auf die kleine, enge Straße, in der keine Autos fahren und nur wenige Menschen gehen.
»Danke, dass du mich eingeladen hast«, sagt sie.
»Gern«, erwidert er ernst.
Rebecca sinkt in ihren Bürostuhl und schaut auf den Laptop. Siebenundsechzig neue E-Mails warten auf sie.
Jetzt nicht. Zu nah und zu intensiv ist die Atmosphäre noch in ihr. Wer ist die junge Frau, die vor ihm einen Knicks macht und für ihn Tee kocht, Törtchen backt, weil er es sich so wünscht? Seine Freundin offenbar nicht, nur eine gute Freundin, kann das wahr sein?
Vielleicht ist sie seine kleine Sex-Sklavin, denkt sie grinsend und klickt ziellos auf der Tastatur herum. Ja, das würde zu ihm passen. Eine kleine Sklavin, die alles für ihn tut. Sie stellt sich vor, wie Marc in der Mittagspause in das schmale, alte Haus geht, vor der schweren Wohnungstür steht und laut und vernehmlich anklopft, bis die junge, blonde Frau ihm öffnet und ihn demütig einlässt.
»Willkommen, Meister«, haucht sie und küsst ihn.
Er setzt sich auf einen der mit Samt bezogenen Stühle und winkt das Mädchen zu sich, sie kniet sich vor ihn, öffnet den Reißverschluss seiner Hose und beginnt, sein Geschlecht mit dem Mund zu liebkosen. Er trinkt währenddessen aus der zierlichen Teetasse und sieht ganz ungerührt aus, die Kopfbewegungen des Mädchens werden immer schneller und heftiger, keine Miene verzieht er dabei, ungerührt lässt er das Mädchen seinen Dienst verrichten. Dann sieht er zu einer Person am anderen Ende des Tisches und lächelt. »Ist es nicht wunderbar?«
Am anderen Ende des Tisches sitzt sie, Rebecca.
Ihr wird heiß. Mit hochrotem Kopf blendet sie die Bilder aus ihrem Kopf aus. Was ist nur los? Ständig taucht er auf, in ihren Gedanken, die Geheimnisse, die ihn umgeben, heizen offenbar ihre Fantasie an, wie in einem schlechten Kitschroman. Und er schürt sie mit seinem Schweigen, seinen Blicken, den ganz kurzen, blitzartigen Einblicken in sein Leben, die er ihr offenbar wohldosiert zukommen lässt, wenn ihm danach ist.
Kopfschüttelnd rutscht sie auf dem Stuhl herum und widmet sich ihren E-Mails.