Читать книгу Der Assistent 1 | Erotischer Roman - Jones Susan Morrow - Страница 4
ОглавлениеKapitel 2
Natalie steckt den Kopf zur Tür hinein. »Dein Bewerber ist da«, sagt sie fröhlich.
Rebecca steht vom Stuhl auf und zieht das Sakko wieder über. Ein kurzer Blick in das spiegelnde Display des Laptops. Make-up ist noch perfekt, die Frisur ebenfalls. »Kann reinkommen.« Sie nickt Natalie zu und geht zur Sitzecke mit den Cocktailstühlen hinüber.
Auf dem kleinen Tisch stehen Gläser und eine Flasche mit Wasser. Daneben liegen ein nagelneuer, leerer und weißer Notizblock und ein Montblanc-Kugelschreiber. Unter dem Notizblock ruht die Bewerbungsmappe. Sie hat sie gestern Abend im Bett studiert und kann sie nun nahezu auswendig. Sie ist immer gut vorbereitet auf Bewerbungsgespräche, Überraschungen liegen ihr nicht.
Marc Lavie hat ein ordinäres Passfoto von sich eingeklebt. Niemand sieht besonders gut aus auf einem Passfoto, das hat sie schon mit sechzehn gewusst. Blass, leichte Ränder unter den Augen, die dunklen Haare für ihren Geschmack etwas zu lang. Und doch kann sie seine Attraktivität erkennen, die Augen sind schwarz, unergründlich, der Blick fest, im Kinn ein kleines Grübchen. Sein Lebenslauf ist großartig, und seine Referenzen sind hervorragend.
Als er den Raum betritt, ist sie überrascht. Er hat einen eleganten, katzenähnlichen Gang. Groß, stark und kerzengrade geht er die wenigen Schritte bis zu ihrem Sessel. Er lächelt strahlend mit einer Reihe von blitzweißen und schnurgeraden Zähnen. Volle Lippen, fast schon zu sinnlich für einen Mann. Der Teint ist leicht sonnengebräunt, das dunkle Haar etwas unordentlich zerstrubbelt. Der Maßanzug sitzt perfekt und lässt keinen Zweifel zu, dass sich darunter ein gut trainierter Männerkörper befindet. Wie alt war er noch gleich? Plötzlich sind all die Informationen aus seinem gut studierten Lebenslauf verschwunden.
»Guten Tag«, grüßt er immer noch lächelnd und mit nur einem kaum noch hörbaren französischen Akzent. Sein Händedruck ist fest und selbstbewusst.
»Setzen Sie sich«, bittet sie und schlägt so grazil wie möglich die Beine übereinander. Die manikürten Füße in den teuren Sandalen wippen etwas nervös.
»Danke, dass Sie sich Zeit für mich genommen haben, ich kann nur ahnen, wie beschäftigt Sie sein müssen in Ihrem Job«, beginnt er gleich das Gespräch.
Sie lächelt freundlich zurück und nickt. Dann erzählt er. Sie kann gar keine Fragen stellen. Er plaudert einfach drauflos, erzählt von sich, von seinen bisherigen Jobs, von seinem Leben. Zweiunddreißig ist er, hat in Paris studiert, seine Mutter ist Französin, der Vater Kanadier. Er ist zweisprachig aufgewachsen, und noch dazu beherrscht er Italienisch und Spanisch. In ihrer Branche hat er keine Erfahrungen, er hat bisher in modernen Start-ups gearbeitet, ist aber an viel Arbeit und wenig Freizeit gewöhnt, ein selbstgewählter Workaholic. Das kennt sie. Wenn er mal frei hat, macht er Sport oder kocht, das ist sein Hobby. Am liebsten wäre er Koch geworden, aber seine Mutter hat ihm davon abgeraten, familienunfreundliche Arbeitszeiten und wenig Geld, hat sie gesagt. Darüber kann er heute nur schmunzeln, von familienfreundlichen Arbeitszeiten könne man ja heutzutage in jedem Beruf nur träumen.
»Sind Sie verheiratet?«, fragt sie und versucht, nicht von ihrem Notizblock aufzusehen.
»Nein, ich bin frei verfügbar«, sagt er etwas zu kokett, die schwarzen Augen blitzen. Zu forsch, zu frech, zu fantastisch.
Sie errötet. »Ich frage nur ...«, murmelt sie und ärgert sich über ihre dumme Frage.
Sie steht auf und verabschiedet sich mit einem Händedruck von ihm. Als er den Raum verlassen hat, kann sie sein After Shave noch immer wahrnehmen.
Natalie schleicht durch die Tür und schließt diese hinter sich. »Den MUSST du nehmen!«, sagt sie nachdrücklich und reibt aufgeregt die Hände an ihrem kurzen Rock.
Rebecca runzelt die Stirn.
»Wahnsinnstyp, sowas von attraktiv! Und diese Zähne!« Natalie rollt verliebt mit den Augen.
Rebecca lächelt. »Mal sehen«, murmelt sie.
Klopfen an der Tür. Eine Frau mit blondem Lockenschopf guckt hindurch. »Hey!« ruft sie. »Hast du Zeit für Mittagessen, oder wird das heut wieder nix?«
Rebecca sieht Natalie fragend an.
»Dreizehn Uhr nächster Termin«, sagt diese geschäftsmäßig und drückt sich an der jungen Frau vorbei durch die Tür in ihr Vorzimmerreich.
»Ich komme.«
Stacy ist ihre beste und einzige Freundin. Sie haben schon in der ersten Klasse nebeneinander gesessen, und ihre Trennungen im bisherigen Leben waren immer nur kurz. Die längste Trennung hatten sie in den Jahren des Studiums gehabt, da Stacy einen Studienplatz in einer anderen Stadt bekommen hatte. Trotzdem waren sie sich auch in diesen Jahren immer nahe gewesen und hatten einander regelmäßig besucht. Mindestens einmal die Woche hatten sie stundenlang miteinander telefoniert. Als Rebecca ihren ersten festen Job im Unternehmen bekam, holte sie Stacy gleich zu sich. Seitdem arbeiteten sie auch zusammen.
Im Gegensatz zu ihr ist die Arbeit für Stacy nur ein Mittel, den Lebensunterhalt zu verdienen. Sie ist verheiratet und hat eine kleine Tochter, die jetzt in den Kindergarten geht, wenn sie arbeitet. Teilzeit natürlich. Rebecca hatte wenig Verständnis gehabt für die Wahl der Freundin, hatte gejammert, ob sie wirklich so lange gelernt, studiert hatte, nur um anschließend als Assistentin zu verkümmern und ihrem Mann die Hemden zu bügeln. Stacy hatte gelacht und gemeint, jeder sei seines Glückes Schmied, und sie lebe eben für ihre Familie, das Kind mache sie glücklich, und sie war zufrieden, wenn ihr Mann erfolgreich sei, sie selbst hatte das für sich als viel zu anstrengend empfunden. Mutti, denkt Rebecca lächelnd, wenn die Freundin warmherzig beim Essen mit leuchtenden Augen von ihrer kleinen Tochter erzählt, von den Fortschritten, die diese macht, und davon, wie stolz sie auf die Kleine ist. Weiterleben im Kind.
Fünfunddreißig neue E-Mails. Sie seufzt. Eigentlich müsste sie den ganzen Tag vor ihrem Laptop sitzen, nur um alle E-Mails zu lesen und zu beantworten. Manchmal glaubt sie, es gibt Menschen im Unternehmen, deren ganze Arbeit darin besteht, ihr E-Mails zu schreiben.
Vor ihr liegen die Bewerbungsunterlagen von Marc. Sie schlägt die Mappe noch einmal auf und betrachtet das Passfoto. Etwas Düsteres umgibt seine Augen, das war ihr zuvor nicht aufgefallen. Sie sind dunkel, fast schwarz, unergründlich. Er lässt sich nicht in die Karten gucken, denkt sie. Aber hatte er nicht versucht, mit ihr zu flirten? Seit Jahren hat kein männlicher Kollege es gewagt, sie auch nur länger als wenige Sekunden anzusehen, geschweige denn, mit ihr zu flirten. Sie hat den Ruf einer eisernen Lady. Von Stacy weiß sie, dass viele Kollegen das schade finden. »So eine heiße Frau, und sie lässt keinen ran«, mutmaßen viele. Natürlich gibt es auch Gerüchte, dass sie lesbisch sei und das niemanden wissen ließe.
»Die totale Verschwendung«, findet auch Stacy, doch ihre wenigen Versuche, Rebecca mit einem Mann zu verkuppeln, hat diese rigoros abgeblockt.
»Ich will keinen Mann und ich brauche auch keinen«, hat sie energisch behauptet. »Wenn ich jemanden treffe, der mir gefällt, wird sich das sicher ändern, aber bis dahin ...«
Never fuck in the office, denkt sie noch, als sie die Bewerbungsmappe zuschlägt. Doch die perlweißen Zähne und das leicht zerstrubbelte Haar, das tiefe Grübchen am Kinn und die feinen Ohrläppchen liegen wie Nachbilder auf ihrer Netzhaut. Sie seufzt und beginnt ihre E-Mails zu beantworten. Gleich wartet schon der nächste Termin.