Читать книгу Der Assistent 1 | Erotischer Roman - Jones Susan Morrow - Страница 7
ОглавлениеKapitel 5
»Guten Morgen!«
Sie bleibt wie angewurzelt in der Tür stehen. Da sitzt er, auf einem der kleinen Cocktailsessel. Laptop, Handy und Notizbuch auf dem kleinen Tisch. Es ist viertel nach acht, sie hat noch nicht einmal ihren morgendlichen Kaffee gehabt. »Hallo«, grüßt sie verdutzt und nicht ganz so freundlich, wie es sich vielleicht eigentlich gehört hätte. »Ich hatte nicht erwartet, dass Sie schon in meinem Büro sitzen.« Sie betont das Wort »meinem« übermäßig stark.
Er lacht ein ansteckendes Lachen. Kein Wort der Entschuldigung oder Erklärung. Wie selbstverständlich sitzt er da, als hätte er nie etwas anderes getan, wie ein Teil der spärlichen Deko in ihrem Büro.
Sie schluckt. Die Anziehungskraft, die seine körperliche Attraktivität auf sie ausübt, kann sie nicht negieren, und gleichzeitig irritiert sie seine Forschheit, seine Selbstverständlichkeit. Respektsperson, denkt sie, die bin doch ich. Sie habe eine natürliche Autorität, hat der Vorgesetzte ihr bescheinigt, als sie endlich befördert wurde, und ein womöglich angeborenes Führungstalent. Nun habe sie die Chance zu beweisen, dass sie auch die Männer, die nur an ihresgleichen gewöhnt sind und noch keine Frau als Vorgesetzte kennengelernt haben, leiten und lenken kann. Und sie ist gut darin, das weiß sie, manchmal steht sie abends vor dem Spiegel und übt Blicke, Gesten, die Respekt einflössen können und doch ihre weibliche Weichheit nicht verbergen, tief in ihr.
»Ich habe gehört, dass hier im Unternehmen alle Du zueinander sagen«, fährt er fort und geht einige Schritte auf sie zu.
Sie schließt die Tür hinter sich.
»Ich bin Marc«, sagt er und hält ihr seine schlanke rechte Hand hin.
Sie ergreift sie. »Rebecca«, erwidert sie und wundert sich über ihre brechende Stimme. Was ist denn los heute Morgen? Und hätte sie nicht sie diejenige sein müssen, die das kollegiale Du anbietet?
»Was kann ich für dich tun?« Mit einem feinen Lächeln, das Grübchen in seinem Kinn vertieft sich auf eine frivole Art, wenn er lächelt, stellt er diese Frage, als sei sie die naheliegendste Frage der Welt, wie die Frage nach dem Wetter, nach dem Befinden.
»Mal langsam!« Sie lacht. »Am besten, du kümmerst dich erst einmal um deinen Arbeitsplatz. Natalie wird dir dabei helfen. Du brauchst einen Zugang zum Firmennetz, einen Schreibtisch – du kannst vorn bei Natalie sitzen«, fügt sie etwas schärfer als geplant hinzu und beobachtet seine Reaktion, die ausbleibt. »Richte dich erst einmal hier ein und lerne das Unternehmen kennen. Alles andere kommt früh genug.«
»Okay«, antwortet er kurz mit ruhiger Stimme. »Meine Forderungen bezüglich Gehalt und Arbeitszeit liegen auf deinem Schreibtisch.« Dann geht er hinaus.
Verdattert steht sie mitten im Raum und fragt sich, was da eigentlich gerade geschieht. Forderungen? Auf ihrem Schreibtisch liegt ein Briefumschlag. Darin findet sie ein DINA4-Blatt, mit Computer beschriftet. Die Gehaltsforderung ist moderat, stellt sie schmunzelnd fest. Bei den Arbeitszeiten schwebt ihm vor, mindestens acht Stunden Freizeit am Tag zu haben, darüber hinaus sei er verfügbar, auch am Wochenende. Er werde täglich um acht Uhr im Büro sein und erwarte, dass sie ebenso pünktlich ist wie er, damit er nicht untätig herumsitzen muss. Na, das fängt ja gut an! Was Natalie wohl dazu sagen würde? Sie traut sich seit zwei Jahren nicht einmal, nach einer Gehaltserhöhung zu fragen, und er stellt an seinem ersten Arbeitstag »Forderungen«. Rebecca stößt die Luft durch die Nase aus und bemerkt, dass sie die Luft angehalten haben muss, als sie seinen Brief las.
Die Sekretärin steht schon in der Tür, frisch und strahlend wie immer, mit dem kleinen silbernen Tablett in der Hand. »Den Kaffee hat Marc gekocht«, sagt sie bedeutungsschwanger. »Nicht, dass ich hier noch arbeitslos werde … Da hast du dir ja eine echte Perle ausgesucht.«
Rebecca lächelt. »Das wird sich noch zeigen«, murmelt sie und nimmt auf ihrem bequemen Drehstuhl Platz, um den Laptop einzuschalten.s
Das neue Projekt wird irrsinnig groß. Eine hohe Verantwortung, ein Budget von einhundertfünfzig Millionen Dollar. Das ist ihr Baby. Sie hatte die Idee dazu, und nun soll sie es tatsächlich durchführen. Die offizielle E-Mail vom Vorstand prangt noch geöffnet auf ihrem Bildschirm. Mit zitternden Fingern liest sie die Mail immer und immer wieder, während sie den heißen Kaffee trinkt. Das wird ihr eine hervorragende Reputation bringen, weit über das Unternehmen hinaus. Es muss ein Erfolg werden, das ist so wichtig wie nichts sonst im Moment. Sie schließt die Augen und sieht sich als gefeierte Managerin, der Vorstandsvorsitzende überreicht ihr eine Urkunde und teilt vor versammelter Mannschaft mit, dass sie, Rebecca Moon, endlich wohlverdient in den Vorstand des Unternehmens berufen wurde. Als erste Frau in der Geschichte des Unternehmens, als jüngstes Vorstandsmitglied aller Zeiten. Die Presse macht Fotos von ihr, alle rufen ihren Namen, wollen ein Interview.
»Rebecca, wie schafft man es als Frau in einem solchen Großunternehmen die männliche Konkurrenz hinter sich zu lassen?«
»Ach, das ist kein Geheimnis – Fachkompetenz, viel Fleiß und Disziplin, dann schafft man es auch als Frau.«
»Rebecca, werden Sie im Vorstand einiges verändern?«
»Oh ja, ich werde tun, was in meiner Macht steht, um dieses Unternehmen noch erfolgreicher zu machen als es jetzt schon ist. Ich habe viele Ideen und werde diese natürlich auch im Vorstand einbringen …«
»Träumst du?« Die dunkle, ungewohnte Stimme reißt sie aus ihren Interviewfantasien.
Unwirsch öffnet sie die Augen. »Hast du geklopft?«, fragt sie den Mann mit den fast schwarzen Augen stirnrunzelnd, der direkt vor ihrem Schreibtisch steht. Warum hat sie ihn nicht reinkommen hören?
»Nein«, sagt er kurz und lächelt.
Irritiert zwinkert sie nach oben.
»Brauchst du vielleicht Hilfe bei der Organisation des ersten Meetings?«
Jetzt spürt sie, dass ihr Mund offensteht, dämlich, wie ein kleines Schaf, das die Zitze der Mutter sucht. Sie ärgert sich über ihre Reaktion. »Woher weißt du ...?«
»Natalie«, sagt er kurz.
Rebecca nickt verstehend. Natürlich, ihre Sekretärin war ja alles andere als ein stilles Wasser, es würde nicht viel geben, was er nicht bereits am Ende der Woche wisse, das war ihr klar.
»Ich sage dir, wenn ich etwas für dich zu tun habe«, erwidert sie. »Jetzt muss ich mich erst einmal um meine E-Mails kümmern.«
Er nickt und geht geräuschlos, mit geraden und aufrechten Schritten, aus dem Raum.
Rebecca seufzt. Einerseits ist es ja schön, einen neuen Mitarbeiter zu haben, der so voller Energie zu sein scheint, dass er sofort durchstarten möchte. Andererseits spürt sie das Verlangen, seinen Eifer zu bremsen. Er erscheint ihr bedrohlich, beängstigend. Warum nur? Normalerweise liebt sie eifrige und fleißige Menschen. Schließlich ist sie selbst eine von ihnen, von Ehrgeiz getrieben, die Gedanken stets auf das Wesentliche fokussiert, schnell und gründlich in ihrer Arbeitsweise, sie kann Prioritäten setzen und trotzdem nichts liegenlassen. Bisher hat sie das immer alles geschafft. Aber irgendetwas an seiner Art ist ihr nicht geheuer, und sie hofft, mit ihrer Wahl eines Assistenten keinen Fehler begangen zu haben ...
Jetzt ist keine Zeit, darüber nachzudenken. Sie ruft ihre drei wichtigsten Abteilungsleiter an und trommelt sie zu einem Meeting in ihrem Büro zusammen. Erste Vorbesprechung bezüglich des neuen Projektes. Marc soll dazukommen, damit die Kollegen ihn gleich kennenlernen. Während des Termins sitzt er stumm da, den Laptop auf dem Schoß in dem kleinen Cocktailsessel, und protokolliert eifrig mit, was Rebecca mit den Kollegen bespricht. Kein Wort sagt er während des gesamten Meetings, er sieht sie nicht einmal an. Sie ist etwas enttäuscht. Schließlich demonstriert sie hier gerade ihre ganze Macht. Da sitzen gestandene Männer mittleren bis gehobenen Alters, die ihr unterstehen und die andächtig an ihren vollen Lippen kleben, da wäre mindestens etwas Bewunderung oder stummer Beifall aus den schwarzen Augen fällig gewesen. Als der älteste der Abteilungsleiter ausholt und die Planung seiner Abteilung zum Projekt erklärt, schweifen ihre Gedanken ab. Ihre Augen bleiben an dem Grübchen an Marcs Kinn hängen. Zu lange schon ist es her, dass sie ein solches Grübchen angefasst, geküsst hatte. Zu lange schon ist es her, dass so starke, drahtige Arme sie umfasst hatten. Viel zu lange ist es her, dass sie in den sinnlichen, vollen Lippen eines attraktiven Mannes gefangen war, dass sie sich ihm hingegeben hat.
Sie denkt an Luke, ihren letzten Freund. Sie hatten zusammen studiert, einige Jahre lang. Ihre Eltern waren glücklich, Luke studierte auch Chemie und hatte für den Geschmack ihrer Eltern eine rosige Zukunft vor sich. Sie konnten den Tag nicht erwarten, an dem ihre Tochter ihnen verkünden würde, dass sie heiraten wollen. Zwar waren sie stolz auf das, was ihre Tochter erreicht hatte, aber trotzdem würden sie sich freuen, wenn sie eine Familie gründete. Den Gefallen tat sie ihnen nicht. Ein Jahr nach dem Studium war Luke noch immer arbeitslos und saß deprimiert zu Hause oder hangelte sich von einem unbezahlten Praktikum zum nächsten. Sie war gerade von der Praktikantin zur Marketingassistentin ernannt worden und verdiente ihr erstes richtiges Gehalt. Und hatte Blut geleckt.
Schon früh hatte sie die Strukturen in dem alteingesessenen Unternehmen verstanden und hatte begriffen, wie man hier am einfachsten nach oben rücken könnte. Sie arbeitete zehn Stunden am Tag und saß auch am Wochenende zu Hause am Computer, um im Internet zu recherchieren oder Kalkulationen zu berechnen. Sie kaufte sich teure Kostüme und teure Schuhe von ihrem Geld und verbrachte die wenige Freizeit am liebsten mit Kollegen und natürlich Vorgesetzten. Luke wurde immer deprimierter, sodass sie ihn irgendwann nicht mehr ertragen konnte, seine Erfolglosigkeit und seine Untätigkeit machten sie krank. Als sie sich von ihm trennte, beging er einen erfolglosen Selbstmordversuch. Das tat ihr weh, das hatte sie nicht gewollt und auch nicht erwartet. Sie räumte ihm eine zweite Chance ein, bestand aber darauf, dass er sich einen Job suchen müsse. Das tat er, nach einigen Wochen waren seine Bemühungen von Erfolg gekrönt. Luke blühte auf. Auch er ging in seiner Arbeit auf, arbeitete bis zu zwölf Stunden täglich und war auch am Wochenende häufig im Büro. Sie war glücklich und zufrieden. Beide hatten große Pläne und hehre Ziele. Sie passten gut zueinander, sie waren ein echtes Powerpaar geworden. Ihr letzter gemeinsamer Urlaub führte sie in die Karibik, eine Kreuzfahrt. Drei Wochen lang Sonne, Sex und lauwarmes, strahlend blaues Wasser. Sie fühlte sich wie im Paradies und glaubte endlich zu wissen, wofür sie sich die Strapazen der vielen Arbeit antat. Sie lebten wie Könige. Drei Wochen lang waren sie glücklich, und Luke unkte, das sei fast wie vorgezogene Flitterwochen.
Das Wort ließ ihren Magen verkrampfen, Flitterwochen. Heiraten, Kinder kriegen, Karriere beenden, mit anderen Müttern über Blähungen, Backenzähne und Masern plaudern, mit Thermoskanne und Kaffee auf Spielplätzen sitzen und abends dem Mann aufgeregt erzählen, dass das Kind allein auf das Klettergerüst gekrabbelt ist. Mehr hatte man ja nicht zu berichten als Hausfrau und Mutter. Sie stellte sich vor, wie sie seine Wäsche wusch, seine Hemden bügelte, wie er abends beim gemeinsamen Abendessen mit den Kindern stolz vom Büro erzählte, dass er befördert worden sei und sie bald wieder so viel Geld hätten wie damals, als sie noch beide gearbeitet hatten. Seltsamerweise fand sie die Gedanken gar nicht so schlimm, wie sie befürchtet hatte. Warum nicht? Und sie könnte ja trotzdem arbeiten gehen, moderne Frauen machten das doch auch. Sie war stark und voller Kraft, jung. Sie würde es schaffen können, Familie und Karriere, Doppelbelastung, das würde sie endgültig fordern und sie würde allen beweisen können, was in ihr steckte.
Am letzten Abend tranken sie viele Cocktails an der Bar, bevor sie in die Schiffskabine gingen. Die war groß, mit eigenem Bad und einem großen Bett. Im Rhythmus des sanft vor sich hinschwebenden Schiffes liebten sie sich. Sie vergrub ihr Gesicht in seiner Halsbeuge und seufzte, als er in ihr kam.
»Ich liebe dich«, flüsterte sie selig.
»Ich liebe dich auch, Susan«, flüsterte er zurück.
Zu Hause hatte sie rotgeweinte Augen und packte einen Großteil ihrer Kleidung in einen großen Koffer. Luke saß stumm auf dem gemeinsamen großen Bett und sah sie mit seinem Dackelblick an. Sie meldete sich krank im Büro und fuhr zu ihren Eltern aufs Land. Die trösteten sie. Eine Woche lang lag sie in ihrem alten Jugendbett in ihrem alten Jugendzimmer, weinte sich die Augen aus und ließ sich Tee und heiße Milch mit Honig von ihrer Mutter bringen. Dann rappelte sie sich wieder auf und kehrte nach Seattle zurück, zog kurzzeitig bei Stacy ein und suchte sich eine eigene Wohnung, ihre Wohnung, das Penthouse mit den vielen, großen Fenstern, das sie mit eleganten Möbeln einrichtete. Die Demonstration ihres Erfolges, sichtbar für alle, die ihr Domizil je betreten würden.
Ein Jahr später hatte sie sich bereits zur Abteilungsleiterin hochgearbeitet, Luke war verheiratet mit der schwangeren Susan, einer Arbeitskollegin. Rebecca weinte nicht mehr, nicht um ihn und auch um sonst keinen. Danach war niemand mehr wirklich in ihr Leben gekommen, einige belanglose Affären, lust- und sinnlose Männer, die ihr für einen kurzen Moment zeigten, dass sie sie begehrten, bis sie wieder vergessen konnte, dass sie dieses Gefühl brauchte, dass sie sich danach sehnte, starke Arme um sich zu fühlen und das Begehren in den Augen funkeln zu sehen, das ihr sagte, wie schön sie war, wie erregend, wie anziehend.
Sie seufzt leise.
»Rebecca? Was hältst du davon?«
Sie blickt auf. »Hm?«
Der ältere Abteilungsleiter sieht sie beifallheischend an.
Sie schaut auf ihren leeren Notizblock und murmelt: »Ja, da müssen wir dann nochmal im Detail drüber reden.«
Der Abteilungsleiter sieht enttäuscht aus. Als sie aufblickt, sieht sie in Marcs grinsendes Gesicht, das Grübchen tief und zitternd, und wird rot.