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Wie sind die verschiedenen romanischen Dialekte auf der Iberischen Halbinsel entstanden?

Um diese spannende Frage beantworten zu können, muss ich ein wenig ausholen und einen kurzen Exkurs in die Geschichte der Iberischen Halbinsel einlegen. Ich werde versuchen, mich dabei kurz zu fassen - auch wenn es mir sicher nicht gelingen wird, die Antwort in die Länge eines Tweets zu fassen.

Der Übergang vom gesprochenen Latein zu den romanischen Dialekten (und späteren Sprachen) der Iberischen Halbinsel war ein lang andauernder Prozess, der sich über mehrere Jahrhunderte hinzog. Werfen wir deshalb einen genaueren Blick auf drei wichtige historische Zeitabschnitte der Halbinsel - die römische, die westgotische und die muslimische Zeit -, um diesen langen und sehr spannenden Prozess der Entstehung der romanischen Dialekte besser zu verstehen.

Römische Zeit: Die Römer, die die Iberische Halbinsel vom 3. Jahrhundert v. Chr. bis zum 5. Jahrhundert n. Chr. besetzt hielten, brachten die lateinische Sprache in diese Region. Latein wurde schnell zur vorherrschenden Sprache in Hispania, wie Spanien damals genannt wurde.

Dabei war das Lateinische keineswegs immer exakt gleich, es variierte vielmehr von Region zu Region. Welche Ausprägung das Lateinische annahm, hing von verschiedenen Faktoren ab: aus welcher Region Italiens die Kolonisten oder Eroberer kamen, wann sie Italien verlassen hatten, oder auch welche Sprache von der einheimischen unterdrückten Bevölkerung gesprochen wurde (denn diese beeinflusste die Aussprache und den Wortschatz des dort gesprochenen Lateins). Diese Umstände hatten Auswirkungen auf die spätere Entwicklung des Lateinischen, das verschiedene romanische Dialekte hervorbrachte.

Wenn wir noch weiter in die Vergangenheit zurückblicken, sehen wir, dass auf der Iberischen Halbinsel vor der Ankunft der Römer die sogenannten vorrömischen Sprachen gesprochen wurden, die dann ganz allmählich verschwanden. Nur eine einzige vorrömische Sprache konnte sich halten. Ihr ahnt schon, welche Sprache gemeint ist? Ganz genau, die baskische Sprache – im Spanischen vasco oder vascuence genannt, eine Sprache, die sich deutlich vom Spanischen unterscheidet, da sie nicht aus dem Lateinischen oder dem indoeuropäischen Sprachstamm hervorging.

Westgotische Zeit: Nach sieben Jahrhunderten römischer Vorherrschaft erreichten im 5. Jahrhundert die nächsten Eindringlinge die Iberische Halbinsel: Diesmal waren es germanische Gruppen, meist Westgoten, die die Region bis ins 8. Jahrhundert hinein dominierten. Sie drängten der einheimischen Bevölkerung ihre eigene Sprache jedoch nicht auf, sondern nahmen vielmehr ihrerseits das gesprochene Vulgärlatein an. Dabei hinterließen auch sie ihre Spuren in der Sprache: Aus dieser Zeit stammen einige Wörter germanischen Ursprungs, die sich noch heute in der spanischen Sprache wiederfinden.

Da damals nur wenig zwischen den einzelnen Provinzen kommuniziert wurde, entfernten sich die verschiedenen Formen des Vulgärlateins immer mehr vom klassischen Latein. Auf diese Weise begannen sich nach und nach die romanischen Dialekte zu entwickeln.

Beispiele für spanische Wörter westgotischen oder germanischen Ursprungs:

blanco (von blank, weiß), espuela (von spaúra, Sporn), fresco (von frisk, frisch), ganso (von gans, Gans), jabón (von sapöne, Seife), rico (von riks, reich), ropa (von raupa, Kleidung), tregua (von trĭggwa, Waffenstillstand), yelmo (von heim, Helm)

Muslimische Zeit: Zu Beginn des 8. Jahrhunderts folgten schließlich die nächsten Invasoren: die Araber, die von 711 bis 1492 Teile der Iberischen Halbinsel beherrschten. Wenn man auf die acht Jahrhunderte muslimischer Herrschaft zurückblickt, darf man jedoch nicht unerwähnt lassen, dass schon einige Jahre nach dem Ende der muslimischen Invasion der Iberischen Halbinsel die sogenannte Reconquista, die Rückeroberung begann. Mit der Reconquista dehnten sich die christlichen Königreiche der nördlichen Halbinsel nach und nach Richtung Süden aus und vertrieben dabei die Araber aus den besetzten Gebieten. Bereits 1212, nach der Schlacht von Las Navas de Tolosa, befand sich der größte Teil der Halbinsel in den Händen der christlichen Königreiche.

Die Hauptverkehrssprache dieser Zeit war Arabisch. Ein großer Teil der Bevölkerung - die Hispano-Westgoten - sprach jedoch weiterhin Vulgärlatein, das später als mozárabe (Mozarabisch) oder romance andalusî (andalusisches Romanisch) bezeichnet wurde. Auch wenn letztere Bezeichnung weniger gebraucht wird, ist sie eigentlich doch passender, da das von den Hispano-Westgoten gesprochene Vulgärlatein eben nicht arabischen, sondern lateinischen Ursprungs war.

Damals gab es nicht nur ein andalusisches Romanisch, sondern viele verschiedene andalusische romanische Dialekte. Da diese aus dem Lateinischen abgeleitet wurden, waren sie den romanischen Dialekten aus den nördlichen christlichen Königreichen, die nur kurz unter arabischer Herrschaft standen, sehr ähnlich.

Die Christen der Halbinsel, die ihre Religion und ihre romanische Sprache beibehielten (und in unterschiedlichem Maße zweisprachig waren), wurden auch mozárabes (Mozaraber) genannt. Dieses Wort bedeutet soviel wie „arabisiert“ und bezeichnet damit genau das, was mit der Bevölkerung und der romanischen Sprache dieser Zeit passierte. Ein Beleg dafür sind die im heutigen Spanisch noch immer gebräuchlichen über 4.000 Arabismen - Wörter also, die aus dem Arabischen entlehnt sind.

Ein weiterer Beweis für diese spanisch-arabische Sprachmischung sind die moaxajas (Muwaschschahas) genannten Gedichte, die mit einer jarcha (Chardscha), also den typischen Schlussversen einer moaxaja, endeten. Die moaxajas wurden zwar in arabischer oder hebräischer Sprache niedergeschrieben, einige ihrer Schlussverse jedoch sind in andalusischem Romanisch verfasst worden (wenngleich auch hierfür hebräische oder arabische Schriftzeichen verwendet wurden). Diese jarchas, die größtenteils im 11. und 12. Jahrhundert entstanden, sind die ersten Zeugnisse von Gedichten, die in romanischer Sprache verfasst wurden. Dadurch sind sie für die Forschung von besonderem Interesse.

Neben den andalusisch- und nordromanischen Dialekten und dem Baskischen wurde zu dieser Zeit auch nicht nur ein bestimmtes Arabisch gesprochen. Das Arabische war vielmehr ebenfalls in verschiedenen Varianten präsent, da die arabischsprachigen Kolonisten aus unterschiedlichen Orten kamen: gesprochen wurde klassisches Arabisch ebenso wie Ostarabisch, marokkanisches Arabisch und andalusisches Arabisch (also das hispanisierte Arabisch). Daneben hörte man auf der Straße auch Berberisch, eine Sprache, die sich vom Arabischen stark unterschied und von indigenen Ethnien aus Nordwestafrika gesprochen wurde. Auch Hebräisch und Latein waren als Sprachen präsent, wobei das Hebräische von den Juden und das Lateinische vor allem vom Klerus gesprochen wurde.

Beispiele für spanische Wörter arabischen Ursprungs: aceite (Öl), ajedrez (Schach), albañil (Maurer*in), alcalde (Bürgermeister), alcohol (Alkohol), alfalfa (Alfalfa), alfombra (Teppich), algebra (Algebra), almacén (Speicher), almohada (Kissen), arroz (Reis), azúcar (Zucker), jazmtn (Jasmin), marfil (Elfenbein), naranja (Orange), ojalá (hoffentlich)

Im Laufe der Reconquista begannen die andalusisch-romanischen Dialekte (die bereits zahlreiche Arabismen enthielten) zu verschwinden und sich den romanischen Dialekten des Nordens anzupassen: dem Galicisch-Portugiesischen (gallegoportugués), Asturisch-Leonesischen (asturleonés), Kastilischen (castellano), Navarro-Aragonesischen (navarroaragonés) und Katalanischen (catalán).

Und welcher dieser Dialekte der Halbinsel hatte nun das Glück auf seiner Seite und konnte sich am stärksten verbreiten? Kein anderer als der kastilische!

Dieser kurze geschichtliche Rückblick zeigt, wie sich das Latein der römischen Epoche im Laufe der Geschichte veränderte und ganz unterschiedlich gestaltete. Das Ergebnis dieses faszinierenden Prozesses sind die verschiedenen Dialekte und Sprachen, die heute auf der Iberischen Halbinsel gesprochen werden.

Spanisch für Neugierige

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