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ОглавлениеKAPITEL 4
KINDHEIT UND JUGEND
4.1. Kindheit in ärmlichen Verhältnissen
Johann Baptist Jordan durchlebte eine arme, aber behütete Kindheit. „P. Jordans Eltern waren einfache Leute, die viel mit der Lebensnot zu kämpfen hatten, sich aber redlich und regsam durchschlugen“59, schrieb Pfarrer Eduard Fehringer aus Gurtweil am 2.10.1918 und gab so gut wieder, wie die Eltern von Johann Baptist Jordan in der Erinnerung der Gemeinde weiterlebten.
Besonders beeinträchtigt wurde das Leben der Familie, als vermutlich im Sommer 1855 der Vater Lorenz Jordan bei seiner Aushilfe als Pferdeknecht im Gasthaus Engel (auch oft „Post“ genannt wegen der Poststelle) in Rheinheim schwer verletzt wurde. Johann Baptist Jordan war zu dieser Zeit 7 Jahre alt, sein älterer Bruder Martin 12 und sein jüngerer Bruder Eduard zählte gerade erst 4 Jahre. Die lange Krankheit und die bleibende Behinderung zehrten an den Kräften von Lorenz Jordan, der am 19.5.1863 im Alter von 44 Jahren starb.
Mesner Johann Müller erzählte am 3.1.1926 als alter Mann: „Der Mutter war es fast nicht möglich, sich genügend der Kinder anzunehmen. Der Mann war beständig leidend und konnte nur mühsam gehen, und das Verdienst war gering. Die ganze Arbeitslast ruhte auf der Mutter.“60
Witwe Regina Schlosser-Vonderach schrieb am 27.12.1924: „Sein armer Vater hatte dazu noch einen Stelzfuß u. konnte deswegen nicht gut arbeiten. Mit großer Mühe konnte er kaum den Polizeidienst im Dorf versehen und starb schon, als Baptist noch ein kleiner Knabe war. Seine Mutter, jetzt in noch ärmlicheren Verhältnissen, war nun auf strenge Arbeit angewiesen, und fand keine Zeit zur Beaufsichtigung und Erziehung ihrer 3 Söhne, die sich so selbst überlassen bleiben, aber Baptist war der Liebling seiner Mutter, aber auch ihr Sorgenkind, weil er ein sehr wilder Knabe war.“61
4.2. In der Volksschule
Mit sechs Jahren begann für Johann Baptist mit dem Eintritt in die Schule ein neuer Lebensabschnitt. Die damalige Schule in Gurtweil (erbaut 1828) war eine Einklass-Schule mit etwa 70 Schülern. Seit Frühjahr 1846 bis Herbst 1877 unterrichtete Lehrer Franz Xaver Boll (15.9.1813-17.9.1884). Er war nach Aussage des Gurtweilers Pfarrer Josef Anton Laub (geb. 26.9.1783, Pfarrer in Gurtweil vom 11.12.1851 bis zu seinem Tod am 14.6.1855) „nicht übermäßig begabt, doch sehr gewissenhaft und fleißig. Er tat mehr, als gesetzlich verlangt wurde, war religiös und in seinem Familienleben musterhaft. Im Orgelspiel und Gesang genügte er für eine Gemeinde, die keine hohen Anforderungen stellte. … Er betrieb noch etwas Landwirtschaft, da er eigenes Feld und Schulgüter hatte.“62 Die ordentliche Schulzeit lief „von Martini bis Georgi" (bzw. „Weisser Sonntag").63 Der Unterricht erfolgte in drei Klassen (Gruppen). Im Sommer war nur an drei halben Tagen der Woche Schule. Die Mädchen wurden mit 13, die Knaben mit 14 Jahren entlassen.64
Über Jordans Schulzeit sind uns nur Erinnerungen von Mitschülern aus späterer Zeit erhalten. „Er zeichnete stets; wenn er in der Rechenstunde an die Tafel musste, nahm er stets zwei Kreiden. Während er mit der einen Hand die Aufgaben anschrieb und ausrechnete, malte er mit der Kreide in der anderen Hand etwas hin zur Freude und Belustigung der Mitschüler."65 Sein Bruder Eduard bezeugt: „In der Schule war er stets der Beste. Hie und da musste er auch Unterricht geben. Während der Lehrer seinen Arbeiten nachging, zeichnete Jordan rasch mit einigen Zügen ein Männlein oder sonst etwas an die Tafel. Schnell löschte er es wieder aus. Alles, was ihm gefiel, malte er ab. Kinder und selbst der Lehrer mussten oft lachen.“66 Berichtet wurde auch, dass der kleine Johann Baptist gelegentlich die Schule geschwänzt hat oder während des Unterrichtes eine Hummel aus einem Schächtelchen fliegen ließ oder gar eine Ringelnatter mit in die Schule brachte.67
Auch sonst ist von so manchen Bubenstreichen die Rede. „In seinen Jugendjahren hat er zwar manchen Bubenstreich geleistet; doch bösartig war er nie; er war halt recht lebenslustig, wie eben Knaben in dem Alter sind.“68 „Stets war er aller Possen voll (d.h. humorvoll und machte gerne irgendeinen Scherz). Sein Charakterzug war stets: leutselig und fröhlich und lebenslustig.“69
Zu seiner Lieblingsbeschäftigung gehörte für Johann Baptist Jordan das Fischen in der nahen Schlücht. Mit den bloßen Händen holte er seine Beute aus dem quellfrischen Wasser. „Durch das Fischen in der Schlücht verdiente er sich manchen Pfennig" und „Durch seine Erfolge beim Fischen kam die Fischerei in die Familie. Damit ernährte er seine Angehörigen in manch bitteren Zeiten der Not.“70
In die Schulzeit Jordans fällt auch die Eröffnung des Waisenhauses in der nach der Säkularisation verwahrlosten Propstei von Gurtweil, im „Schloss“. Pfarrverweser Hermann Kessler (8.6.1828-23.10.1867), der die Pfarrei Gurtweil von 1855 bis 1863 betreute, gewann die Schwestern vom Kostbaren Blut aus Ottmarsheim im Elsass für die Betreuung von Waisenkindern. Zum Jahresende 1858 waren bereits 12 Schwestern im Einsatz für etwa 60 Mädchen. Im Jahr 1873 mussten die Schwestern die Niederlassung in Gurtweil verlassen.71
4.3. Firmung am 20.9.1860 in Waldshut (?)
Obwohl kein Firmzeugnis vorhanden ist, nimmt P. Timotheus Edwein72 an, dass Johann Baptist Jordan am 20.9.1860 in der Pfarrkirche zu Waldshut von dem Würzburger Diözesanbischof Georg Anton von Stahl gefirmt worden ist.
Zur seelsorglichen Pflicht der Pfarrer gehörte, die „schul- und christenlehrpflichtige Jugend“ rechtzeitig zur hl. Firmung zu führen. Lag in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts das Firmalter noch bei 14 Jahren, so wurde es seit 1850 immer mehr üblich, die Jugend frühestens nach der ersten hl. Beichte, schon vor Empfang der Erstkommunion, zur Firmung zu führen. Allerdings bestand keine strenge kirchliche Verpflichtung, das Sakrament der Firmung zu empfangen. Für den Empfang der höheren Weihen ist sie jedoch Voraussetzung.
Auf Anfrage antwortete das Erzbischöfliche Ordinariat Freiburg i. Br. am 22.7.1952: „Die Erzb. Regentie hat uns wie folgt berichtet: ‚Nach genauer Durchsicht der Registratur hat sich kein Firmzeugnis für Joh. Bapt. Jordan vorgefunden. Es sind nur Firmzeugnisse für die Weihejahre 1880-1885 vorhanden, zu welcher Zeit vielleicht besondere Gründe bestanden, sie erst im Seminar einzufordern.‘ Von dem Erzb. Stadtpfarramt Waldshut haben wir folgenden Bescheid erhalten: ‚In unseren Kirchenbüchern findet sich nirgends ein Eintrag über die Firmung des P. Franziskus Jordan. Bei der nahen Entfernung von Gurtweil nach Waldshut ist anzunehmen, dass Jordan als Lehrling nicht in Waldshut, sondern in Gurtweil bei seinen Eltern wohnte und von Gurtweil aus zur hl. Firmung nach Waldshut geführt wurde.“73
Am Hochrhein sind folgende Firmungen nachgewiesen: in Waldshut 1851, 1860, 1871, 1876 und 1888; in Tiengen 1833, 1876 und 1887; in Gurtweil 1.7.1871 (zu dieser Zeit befand sich Jordan auf dem Gymnasium in Konstanz). In Konstanz wurde am 25.3.1873 das Sakrament der Firmung durch Erzbistumsverweser Lothar von Kübel an 370 Firmlinge gespendet, darunter auch 68 Gymnasiasten. Doch ist der Name von Johann Baptist Jordan nicht genannt.
So steht für P. Timotheus Edwein fest, dass Johann Baptist Jordan am 20.9.1860 in Waldshut die Firmung vom Würzburger Bischof Stahl erhielt, da Erzbischof Hermann von Vicari aus Altersgründen keine Firmreisen mehr unternehmen konnte. Pfarrer Kessler, der Johann Baptist Jordan zur Erstbeichte geführt hatte, hat auch den geweckten Jordan, noch vor der ersten hl. Kommunion, zur Firmung geführt. Baptist war damals, mit 12 Jahren, unter den jüngsten Firmlingen aus Gurtweil.
4.4. Das besondere Erlebnis der Erstkommunion am 7.4.1861
Ein besonderes Ereignis wurde für Johann Baptist Jordan der Empfang der Erstkommunion74 am Weißen Sonntag (= 7. April) des Jahres 1861. Johann Baptist stand damals bereits im 13. Lebensjahr. P. Pankratius Pfeiffer, erster Nachfolger des Gründers als Generalsuperior, schreibt in seiner Biographie: „Bei der ersten hl. Kommunion, auf die ihn Pfarrverweser Keßler, ‚ein sehr frommer und eifriger Priester‘, ‚der Gründer des Klosters in Gurtweil‘, vorbereitete, fiel Jordan an der Kommunionbank durch sein unruhiges Benehmen auf. Als er nachher vom Pfarrverweser streng getadelt wurde, entschuldigte er sich, dass er nichts dafür könne; ‚eine weiße Taube sei ihm um den Kopf geflattert, die dann zum Himmel geflogen sei‘. Von diesem Tage war er wie umgewandelt.“75
Eine weitere unabhängige Quelle sind für P. Pankratius Pfeiffer die Mitteilungen, die ihm Pater Jordan über seine Person und seine Erlebnisse machte, als er noch Neupriester [= 1896] war. „Wald beten. / Bis 12 J.[ahre] leichts.[innig] / Beicht streng / 1. Komm[union] gut. / Vater tot / Umgewandelt / An verborgenen Orten beten /“ Später [= 17.4.1929] führte er die Stichworte näher aus: „Bis zum 12. Lebensjahr war er leichtsinnig. Von da ab wurde er anders. Mit der hl. Beicht nahm er es immer streng. Nach der ersten hl. Kommunion und dem Tod des Vaters war er wie umgewandelt. Er ging oft in den Wald oder an verborgene Orte, um zu beten.“77
Offensichtlich hat sich in dem jungen Johann Baptist Jordan einiges verändert, wobei verschiedene Begebenheiten eine Rolle spielen wie die regelmäßige Beichte, der Empfang der Firmung und nicht zuletzt der Tod des Vaters (19.5.1863).
Die geistliche Erfahrung des Erstkommunionerlebnisses führte die Wandlung, die durch Beichte und Firmung vorbereitet und eingeleitet war, in die Tiefe und zur Vollendung. Jetzt ist Johann Baptist so anders geworden, dass er sich selbst in seiner ersten Lebensphase bis zum 12. Lebensjahr als „leichtsinnig“ charakterisiert. Man wird deshalb im Erstkommunionerlebnis einen „Durchbruch“78, aber so zugleich „die eigentliche und volle Wende“79 sehen dürfen. Das Ereignis der Erstkommunion „prägte den jungen Schüler entscheidend, sowohl religiös als auch charakterlich. Der frühere Lausbub wurde der ernste Jüngling, der seinen weiteren Arbeiten gewissenhaft nachging.“80
Den bleibenden Wandel bezeugte auch der jüngere Bruder von Johann Baptist, Eduard Jordan: „Von der ersten hl. Kommunion ab war er wie umgewandelt. – Zur Beichte ging er sehr pünktlich und genau, alle drei bis vier Wochen. – Pfarrverweser Kessler und später Dekan Cajetan Gessler waren stets für ihn eingenommen, besonders seit seiner Ersten hl. Kommunion. – Nach der Ersten hl. Kommunion ging er nirgends hin, und nach der Schulentlassung sah man ihn nie im Wirtshaus. Mit den Mädchen gab er sich nicht ab, auch nicht in seinen Gesellenjahren.“81
Andererseits nahmen teilweise seine Schulkameraden Jordans ernstere Lebensweise spöttisch auf die Schippe. „Später wurde er noch oft aufgezogen, besonders wie er mit seinem Priesterberuf ernst machen wollte: ‚Flattert dir wieder eine Taube um den Kopf?’“82
Mehr und mehr zog sich Johann Baptist in den Wald zurück oder an einsame Orte, um zu beten. Oder er vertiefte sich in gute Bücher, Heiligenlegenden und Kalender, die er bei dem ledigen frommen Valentin Maier83 (geboren 14.1.1837), der in der Klopfsäge gegenüber Jordans Elternhaus arbeitete und später bei Herder in Freiburg angestellt war, entleihen konnte.
Wahrscheinlich wäre der junge Johann Baptist Jordan damals schon liebend gerne in eine weiterführende Schule gegangen, um sich dann dem Studium der Theologie zu widmen und Priester zu werden. Doch daran war nicht zu denken. Zunächst hieß es, etwas Geld zu verdienen für sich und die Familie.
59 Eduard Fehringer, 2.10.1918. AGS.0100.01/J10.
60 Johann Müller, 3.1.1926. AGS.0100.01/G18.1.180.
61 Schlosser-Vonderach, 27.12.1924. AGS.0100.01/J23.
62 Beringer, Geschichte des Dorfes Gurtweil, S. 188; Dorfchronik Gurtweil. 2003, S. 210.
63 Martini = 11. November. Georgi = 23. April. Weisser Sonntag = Sonntag nach Ostern.
64 Beringer, Geschichte des Dorfes Gurtweil, S. 183-195.
65 Johann Müller, 3.1.1926. AGS.0100.01/G.18.1.168.
66 Eduard Jordan, August 1924. AGS.0100.01/G.18.1.18.
67 Regina Schlosser-Vonderach, Dezember 1924. AGS.0100.01/G18.1.56, 62, 63.
68 Johann Müller, 3.1.1926. AGS.0100.01/G18.1.185.
69 Eduard Jordan, August 1924. AGS.0100.01/G18.1.16,21.
70 Eduard Jordan, Januar 1925. AGS.0100.01/G18.1.76 und Regina Schlosser-Vonderach, Januar 1925 in: AGS.0100.01/G18.1.82.
71 Edwein in DSS XIII-II, S. 83-84.
72 Edwein in DSS XIII-II, S. 85-87, 113.
73 Quoad testimonium confirmationis. Ordinariat Freiburg i. Br., 22.7.1952. AGS.0100.01/C6.
74 Alfred Schneble versuchte darzustellen, wie in der salvatorianischen Literatur zwischen 1930 und 1956 das Kommunionerlebnis geschildert wurde und welche Quellen die Verfasser verwendet hatten. Schneble Alfred, Über Jordans Erstkommuniontag. Eine quellenkritische Untersuchung, in: Historica SDS Nr. 54 (Januar 1975) 1-14.
Diese Aussage hatte Witwe Schlosser-Vonderach in ihren Erinnerungen vom 27.12.1924 gemacht. „Den Kommunionunterricht erteilte ihm der Hochw. Herr Pfarrverweser Kessler, ein sehr frommer und eifriger Priester, der der Gründer des Klosters in Gurtweil ist. Bei seiner ersten hl. Kommunion, an der Kommunionbank fiel Baptist auf durch unartiges Betragen, u. Herr Pfarrverweser Kessler tadelte ihn nachher streng, aber Baptist antwortete ernst, er könne nichts dafür, denn über seinem Kopfe sei eine weiße Taube gewesen, u. sie sei hinauf geflogen bis zum Himmel! Herr Kessler nahm sich von jetzt an seiner besonders an. Auch ein lediger, frommer Mann, namens Valentin, der dicht neben seinem Vaterhaus am Mühlbach in der Klopfsäge angestellt war, u. in seinem kleinen Stübchen Heiligenlegenden u. fromme Bücher hatte, od. an kalten Tagen oft zu Jordans in die Stube kam, machte auf den jungen Baptist großen Eindruck, und mit großem Interesse las er in der Legende, u. fing nunmehr einen anderen Lebenswandel an. Er zog sich mehr und mehr zurück von seinen Kameraden, wurde sehr fromm und ging jeden Sonntag zur hl. Kommunion. Sein sehnlichster Wunsch war jetzt, Priester zu werden, aber seiner großen Armut wegen durfte er nicht daran denken, und seine Mutter sagte zu ihm: ‚Ich könnte dir zum Studium keine 20 Pfennig geben!’“76
75 Pfeiffer Pankratius, P. Jordan und seine Gründungen. S.12.
76 Erinnerungen von Schlosser-Vonderach, 27.12.1924. AGS.0100.01/J23.
77 Pfeiffer, 17.4.1929. AGS.01000.01/J85.
78 Overmann Michael, Das Kreuz im Leben und Geist des Gründers der Salvatorianer P. Franziskus vom Kreuze Jordan. Diplomarbeit, Passau 1986, in: Forum SDS 26 (1991/2) 231-412, hier: S. 268.
79 Horn Stephan, Das Wachsen der Berufung bei P. Franziskus. Sein geistlicher Weg bis zur Gründung der salvatorianischen Ordensgemeinschaften, in: Forum SDS 24 (1989/1) S.29, Anm.2.
80 van Meijl Peter, Die Apostolische Visitation im Institut P. Jordans. Rom 1993. DSS XX.I, S.138.
81 AGS.0100.01/G18.1.19, 20, 64, 83, 92.
82 Regina Schlosser-Vonderach und Ida Frässle, Dezember 1924. AGS.0100.01/G18.1.61.
83 Edwein in DSS XIII-II,75-76.112; und Pfeiffer, S.13.