Читать книгу Die Adria entlang von Görz bis Bar - Josef Mugler - Страница 3
Vorwort
ОглавлениеAls Österreichische Riviera wurde einmal jener Küstenstreifen bezeichnet, der rund hundert Jahre, vom Wiener Kongress 1815, bzw. fünfzig Jahre – nach der Abtrennung Veneziens 1866 – bis zum Ende des Ersten Weltkriegs zum Kaiserreich Österreich bzw. zur österreichisch-ungarischen Monarchie gehörte. Manchmal wurde darunter auch nur ein kleinerer Abschnitt dieser Küste, und zwar die Region von Görz über Triest und Pula bis Opatija (Abbazia), verstanden und manchmal sogar nur die steile Ostküste Istriens von Opatija südwärts. Nun (2018) ist es hundert Jahre her, seit diese Küste, die Österreichische Riviera im weitesten Sinn, nicht mehr der österreichisch-ungarischen Monarchie zugehört. Heute ist sie auf fünf Staaten verteilt: Italien, Slowenien, Kroatien, Bosnien-Herzegowina und Montenegro.
Ich will über die Geschichte, die sich an dieser Küste zugetragen hat, erzählen. Unsere Reise beginnt in Görz und führt bis ins heutige Montenegro, wo in einem nördlichen Vorort der Stadt Bar ein kleines Flüsschen namens Željeznica seinerzeit die Südgrenze der Habsburgermonarchie markierte. An diesem Küstenabschnitt der Adria prallten über Jahrtausende Morgenland und Abendland aufeinander. Viele Völker waren daran beteiligt: Illyrer, Griechen, Römer, Byzantiner, Langobarden, Goten, Awaren, Franken, Ungarn, Venezianer, das Völkergemisch der Kreuzfahrer, Albaner, Türken und Nordafrikaner, Franzosen, Engländer, Russen, Deutsche und Österreicher und natürlich die über Jahrhunderte hier sesshaften Italiener, Slowenen, Kroaten, Serben und Montenegriner. Und damit sind gewiss noch nicht alle genannt.
Nach dem Niedergang Venedigs fiel dessen dalmatinisches „Erbe“ an den Kaiser in Wien: zuerst von 1797 bis 1805 und dann nach einem knapp zehnjährigen napoleonischen „Intermezzo“ ab 1815 bis zum Ende der Habsburger Herrschaft 1918. Dieses „österreichische Jahrhundert“ kann sich trotz einiger Bemühungen nicht unbedingt als „glorreiches“ rühmen: Es gelang nur langsam, die bittere Armut außerhalb der vom Handel und Seefahrt begünstigten Küstenstädte zu lindern. Die Ausgangssituation war allerdings auch alles andere als einfach: 1797 gab es in Dalmatien keine einzige Schule oder sonstige öffentliche Unterrichtsanstalt, die Verkehrswege abseits der See beschränkten sich auf bloße Pfade und die Landwirtschaft war extrem unproduktiv (Clewing 2011, S. 435). Knapp hundert Jahre später, 1890, betrug der Anteil der des Lesens und Schreibens Kundigen in Dalmatien immer noch nicht mehr als rund 16% (Clewing 2011, S. 529) und nirgendwo sonst in der Monarchie war Ende des 19. Jahrhunderts der Anteil der in der Landwirtschaft Beschäftigten so hoch, nämlich über 90%, wie im ungarisch beherrschten Kroatien und Slawonien und im österreichisch beherrschten Dalmatien. Bis 1910 wanderten nahezu eine halbe Million Kroaten aus (Sirotković 1975, S. 489).
Viel zu spät kamen wirtschaftspolitische Impulse aus Wien: 1907 wurde ein „Programm der staatlichen Maßnahmen zur wirtschaftlichen Hebung Dalmatiens“ beschlossen, 1909 ein Syndikat und 1910 eine Gesellschaft für den Bau und Betrieb von Hotels und Seebädern in Dalmatien gegründet – diese immerhin unter höchster Patronanz, nämlich des Thronfolgers Erzherzog Franz Ferdinand.
Was den österreichischen Machthabern vorrangig erschien und auch gelang, war: den Menschen ein wenig mehr Ordnung und Sicherheit durch Verwaltung, Militär und Polizei zu bringen. Natürlich regt sich dazu sofort auch Kritik: War dieses Mehr an Ordnung nicht gleichzeitig auch ein Mehr an Unterdrückung, ein Vorenthalten von Freiheit und Selbstbestimmung, von Idealen, die gerade im Verlauf des 19. Jahrhunderts die Menschen zunehmend bewegten, aber in der fernen Reichshaupt- und Residenzstadt Wien als Aufbegehren und Untreue verstanden wurden?
Wohl gab es Bemühungen um Gleichberechtigung der Völker (über den Ausgleich von 1867 mit Ungarn hinaus) beispielsweise auf sprachlichem Gebiet (Artikel 19 des Staatsgrundgesetzes vom 21.12.1867). Doch prallte die Umsetzung oft an der starren Haltung der lokalen Mehrheitsbevölkerung ab, welche statt einer Mehrsprachigkeit jeweils ihre eigene Sprache, egal, ob sie nun die deutsche, italienische, slowenische oder kroatische war, in Verwaltung und Schulen durchzudrücken versuchte (Clewing 2011, S. 522). Und das 20. Jahrhundert hat erst recht Konflikte und Kriege entfacht, um deren Aufarbeitung noch heute und wahrscheinlich noch einige Zeit in die Zukunft hinein gerungen werden wird. Denn noch vor einem Vierteljahrhundert haben hier Menschen zu Waffen gegriffen, ihr Leben geopfert und sogar grausame Kriegsverbrechen begangen.
Trotz gewissenhafter Recherchen mag sich angesichts der Fülle des Materials der eine oder andere Irrtum eingeschlichen haben, wofür ich um Nachsicht und um Hilfe bei der Aufklärung bitte. Die manchmal zusätzliche Verwendung italienischer und deutscher Ortsnamen ist natürlich nur dem historischen Kontext zuzuschreiben, denn Venedig hat als Beherrscherin der Adria über rund 800 Jahre die meisten dieser Namen geprägt, die dann in der „österreichischen“ Zeit, vor allem wenn es keine deutschen Bezeichnungen gab, bequemerweise übernommen wurden.
Eine große Herausforderung stellte für mich auch dar, das richtige Mittelmaß zwischen unterhaltsamer Lesbarkeit und historischer Detailgenauigkeit zu finden. Deshalb habe ich einerseits auf viele Fakten, die dem Wissenschaftler erwähnenswert erscheinen mögen, verzichten müssen, andererseits aber auch unbewiesene Geschichten und Gerüchte, die über Generationen tradiert wurden, eingestreut. Auch sie prägen schließlich das Empfinden, Befinden und Selbstverständnis einer Region.
Was mich bewegt hat, diesen „historischen Reiseführer“ zu schreiben, war die Liebe und Begeisterung für eine wunderbare Region und deren von viel Leid geplagte Bewohner. Und noch etwas: Das Meer nimmt im Fühlen und Denken vieler Österreicherinnen und Österreicher nach wie vor einen besonderen Platz ein. Oft habe ich in Österreich schon sagen gehört: "Bei uns ist es am schönsten – nur das Meer fehlt!" Und auf den Segelbooten vor der Küste kann man zeitweise beinahe ebenso viele österreichische wie andere Flaggen sehen.
Ich habe (fast) alle Orte, die im Folgenden vorkommen, zusammen mit meiner Frau Elisabeth, einige auch zusammen mit unserem Sohn Andreas bereist. Wenn nicht eine andere Quelle angegeben ist, stammen die Fotos von einem von uns dreien. In Klammern ist das jeweilige Jahr der Aufnahme ersichtlich. Für eine befriedigende Wiedergabe wäre natürlich ein Lesegerät wünschenswert, das die Bilder in Farbe, unverzerrt und in guter Auflösung zeigen kann. Die Illustration dieses E-Books ist für mich ein erster Versuch. Falls dieser noch nicht perfekt gelungen sein sollte, kann ich nur um Nachsicht bitten und versprechen, dass ich an der Verbesserung arbeiten werde.
Ich danke vor allem meiner lieben Frau für viele wertvolle Anregungen und Textkontrollen sowie ihren Zuspruch, dieses Werk auch zu vollenden und zur Veröffentlichung zu bringen.
Josef Mugler