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Das österreichische Küstenland

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Österreich war vor dem Wiener Kongress alles andere als eine Seenation. Allenfalls die spanische Linie der Habsburger, als Kaiser Karl V. im 16. Jahrhundert über ein Reich herrschte, "in dem die Sonne nicht unterging", konnte als ozeanverbunden gelten. Den österreichischen Erzherzögen in Wien, die seit Ferdinand I., einem Bruder Karls V., von 1558 bis 1806 meist auch Kaiser des Heiligen Römischen Reiches Deutscher Nation waren, lag nicht viel an Küstenländern oder gar Kolonien. Nur Triest und ein kleiner Küstenstrich in der Nähe, südlich von Görz, lagen am Meer. Viel attraktiver als eine lange, schwer beherrschbare Küste erschien dagegen das Flair einer „Riviera“ mit Glanz und Gloria: Daher wurde im engeren Sinn oft nur die Ostküste Istriens als „Österreichische Riviera“ und die Stadt Görz als das „Österreichische Nizza“ bezeichnet, was man sich nach den Zerstörungen in den beiden Weltkriegen heute nur mühsam vorstellen kann.

Fiume, das heutige Rijeka, und ein relativ kurzer kroatischer Küstenstrich südlich davon gehörten zwar unter der ungarischen Krone ebenfalls den Habsburgern, blieben aber bis in die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts eher unbedeutend. Auch der Rest der dalmatinischen Küste war für die dort herrschenden Venezianer vorwiegend nur als Lieferant von Baumaterial (Holz und Stein) und für Stützpunkte zur Sicherung ihres Handelswegs durch die Adria in den Nahen Osten interessant. Lediglich die Republik Ragusa, das heutige Dubrovnik, bildete an dieser Küste ein Gegengewicht zu Venedig und konnte sich durch geschickte Diplomatie und hohe Tributzahlungen auch gegen das osmanische Reich behaupten.

Triest war von den Habsburgern als Hafen willkommen aufgenommen, aber nie gezielt erobert oder erheiratet worden, wie es in der Familie Habsburg die Regel war, sondern es hatte sich selbst unter deren Schutzschirm geflüchtet, um der Unterwerfung durch Venedig zu entgehen. Denn die Venezianer waren über rund acht Jahrhunderte die wahren Beherrscher der Adria. Sie betrieben und nutzten die Schwächung ihrer Vorläuferin Byzanz – man erinnere sich an die verheerende Plünderung Zadars (1202) und Konstantinopels (1204) während des Vierten Kreuzzugs – und setzten sich gegen die „lokalen“ Rivalen, nämlich die Patriarchen von Aquileia (1291), die ungarisch-kroatischen Könige (1409) sowie die letzten autonom verbliebenen Küstenstädte durch (1420).

Dass fast gleichzeitig mit der Schlacht auf dem Amselfeld 1389 ein neuer Rivale zuerst auf dem Landweg nach Mitteleuropa und in der Folge auch in die Adria vordrang, ahnte man damals wohl noch nicht. Noch hielt Konstantinopel – bis 1453 – dem osmanischen Druck stand. Immerhin gelang es aber Ragusa/Dubrovnik schon im späten 14. Jahrhundert, sich von der venezianischen Oberhoheit zu befreien und mit Hilfe von Schutzzahlungen an die osmanischen Herrscher fortan von Venedig unbehelligt zu bleiben. Zusammen mit der „Verstopfung“ der venezianischen Handelswege in den Orient erwiesen sich schließlich die Eroberungen der westeuropäischen Mächte in Amerika und Afrika für Venedig als letal.

Gegen Ende des 18. Jahrhunderts war von Venedigs Macht samt seinem Reichtum nicht mehr viel übrig und es fiel Napoleon leicht, die heruntergekommene Stadt auf seinem ersten Italienfeldzug 1797 zu besetzen. Mit diesem Feldzug erwarb sich Napoleon neben der für den Unterhalt der Soldaten wichtigen Kriegsbeute auch den Ruf, zahlenmäßig überlegene Heere besiegen zu können. Es gelang ihm in mehreren Schlachten, die vereinigten Heere von Piemont-Sardinien und Österreich zu schlagen und sogar bis Leoben vorzudringen. Kaiser Franz sah sich zu einem Friedensschluss genötigt und unterzeichnete in der Villa Manin auf dem Campo Formio einen Friedensvertrag, in dem er einige Länder an Frankreich abtreten musste. Dafür überließ ihm Napoleon das ausgelaugte Venedig samt seinen verarmten Provinzen an der adriatischen Ostküste. Das alles holte sich jedoch Napoleon im nächsten Krieg gegen Österreich 1805 wieder zurück. Erst nach der endgültigen Niederlage Napoleons wurden auf dem Wiener Kongress 1815 Venedig und die Lombardei dem österreichischen Kaiser überlassen.

Dieser Zuwachs an Küste machte aus dem europäischen Binnenstaatengebilde Österreich aber nicht schlagartig eine Seemacht. Wesentliche Teile der venezianischen Flotte verkamen erst einmal, vermoderten oder wurden gezielt abgewrackt. Nur langsam setzte sich die Auffassung durch, dass der Seeweg durch die Adria dem Binnenland Österreich neue Handelswege eröffnete, ferner dass diese auch gegen Seeräuber geschützt werden mussten und die neuen Besitzungen vielleicht auch einmal gegen das sich vereinigende und Ansprüche auch auf die Ostküste der Adria stellende Italien zu verteidigen sein würden. Die slawische Bevölkerung und deren Wohlergehen spielten in diesen Überlegungen eine eher untergeordnete Rolle.

Als markante Ereignisse dieser zaghaften Zuwendung zur Adriaküste können genannt werden: 1833 wurde auf Betreiben des Triestiner Kaufmanns Freiherr von Bruck nach Londoner Vorbild der Österreichische Lloyd gegründet. Nachdem sich ein Großteil der italienisch dominierten Flotte im Revolutionsjahr 1848 gegen die Habsburger gestellt hatte, holte man für den Wiederaufbau der Marine einen Experten aus Dänemark, Admiral Dahlerup, der 1854 von dem politisch durchschlagskräftigen jüngeren Bruder des Kaisers Erzherzog Ferdinand Maximilian, dem späteren unglücklichen Kaiser von Mexiko, abgelöst wurde.

Am 3. Juli 1866 besiegte Preußen im Entscheidungskampf um die Vorherrschaft in Deutschland die österreichische Nordarmee bei Königgrätz in Böhmen, während die gleichzeitig vom kurz zuvor (1861) neu gegründeten Königreich Italien angegriffene Südarmee standhielt. Vor allem der unerwartete Sieg der immer noch rückständigen Kriegsmarine unter ihrem Befehlshaber Wilhelm von Tegetthoff über die überlegene italienische Flotte bei Lissa, dem heutigen Vis, am 20. Juli 1866 bewirkte, dass einige vorwiegend italienisch besiedelte Landesteile noch für rund ein halbes Jahrhundert, bis zum Ende des Ersten Weltkriegs, dem österreichischen Kaiser erhalten blieben. Allerdings nicht Venezien: Denn trotz der Siege zu Lande und auf See musste Österreich auf Druck Preußens nach der Lombardei (1859) sowie Modena und der Toskana (1860) nun auch Venezien an Italien abtreten.

„Küstenland“ ist eigentlich ein Kunstwort, das 1849 von der österreichischen Verwaltung eingeführt wurde, und zwar für Gebiete, die entweder bereits seit Jahrhunderten (z.B. Triest seit 1382, Görz seit 1500) habsburgisch waren oder es nach dem Ende der Republik Venedig 1797 erstmals wurden. Das trifft beispielsweise auf die Inseln Veglia (Krk), Cherso (Cres) und Lussin (Lošinj) zu, die vorher zum venezianischen Dalmatien gehörten.

Diese Gebiete wurden nach dem napoleonischen „Zwischenspiel“ durch die Ergebnisse des Wiener Kongresses von 1815 bis 1849 Teil des neu geschaffenen Königreichs Illyrien und danach bis 1861 als „Küstenland“ ein eigenes Kronland des Kaiserreiches Österreich. 1861 wurde die Bezeichnung „Österreichisch-illirisches Küstenland“ eingeführt, die sich aber praktisch nicht durchsetzte. Nach dem Ausgleich mit Ungarn war das Küstenland von 1868 bis 1918 Kronland der österreichischen Reichshälfte der österreichisch-ungarischen Monarchie (Cisleithanien). Die Grenze zur ungarischen Reichshälfte verlief östlich von Opatija (Abbazia) zwischen Volosko (Voloska) und Rijeka (Fiume).

Das Küstenland gliederte sich in folgende drei Gebiete:

die gefürstete Grafschaft Görz und Gradisca,

die Markgrafschaft Istrien mit den Inseln Veglia (Krk), Cherso (Cres) und Lussin (Lošinj) sowie einigen kleineren benachbarten Inseln und

die reichsunmittelbare Stadt Triest, die auch Hauptstadt des Küstenlandes war und weiter als heute in das slowenische Sprachgebiet hineinreichte.

Die österreichische Küste, also die Küste des Kaiserreichs Österreich bzw. nach dem Ausgleich mit Ungarn der k.u.k. österreichisch-ungarischen Monarchie war allerdings viel länger. In ihrer weitesten Ausdehnung, das war in den Jahren von 1797 bis 1805 und von 1815 bis 1866, begann diese Küste im Westen am Po, genauer am südlichsten Arm des Po-Deltas, dem Po di Goro, und reichte am östlichen dalmatinischen Ufer der Adria zuletzt, das heißt nach einer geringfügigen Gebietserweiterung auf dem Kongress von Berlin 1878, bis zu einem kleinen Flüsschen, das heute am nördlichen Stadtrand von Bar im Staat Montenegro in das Meer mündet und den Namen Željeznica trägt.

Unsere Reise beginnt am westlichen Rand jenes Küstenstreifens, der ab 1866 die Grenze zum neu entstandenen Königreich Italien bildete. Sie verlief quer durch das heutige Friaul und in Küstennähe entlang des Grenzflusses Aussa, der westlich von Grado in die Lagune von Marano mündet. Dieser Verlauf entsprach ungefähr der Grenze der habsburgischen Besitzungen seit dem 15. Jahrhundert, vor der Einbeziehung der Lombardei und Veneziens auf dem Wiener Kongress 1815.

Die wichtigste Stadt in diesem Grenzraum auf österreichischer Seite war Görz. Von Görz fahren wir - mit einem Abstecher ins venezianische Palmanova - über Aquileia nach Grado und weiter nach Triest. Dann geht es entlang der Küste Istriens bis zur ehemaligen Grenze zu Ungarn zwischen Volosko und Rijeka. Die zum österreichischen Küstenland gehörigen Inseln Krk, Cres und Lošinj werden später zusammen mit dem kroatischen Küstenland behandelt. Denn sie sind verkehrsmäßig heute vor allem durch die Brücke von Krk sowie durch Schiffs- und Buslinien primär mit Rijeka und nicht wie zur österreichischen Zeit mit Triest verbunden.

Die Adria entlang von Görz bis Bar

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