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Triest
ОглавлениеJahrhundertelang, von 1382 bis 1918 - mit wenigen kurzen Unterbrechungen, gehörte Triest zu Österreich und war dessen bedeutendster Hafen. Nach Einrichtung des Kronlandes "Österreichisches Küstenland" war es dessen Hauptstadt. Heute ist Triest Hauptstadt der italienischen autonomen Region Friaul Julisch-Venezien und der Provinz Triest. Die Stadt hat heute rund 200.000 Einwohner; das sind nicht viel mehr als vor hundert Jahren. Wie hat das aber alles angefangen?
104 v. Chr. ist eine illyrische Siedlung auf dem heutigen Burghügel San Giusto belegt. Triest kommt vom illyrisch-keltisch-lateinischen Tergeste. Terg heißt Markt. Triest war also wohl immer schon ein Platz für den Austausch von Waren. Unter Kaiser Augustus (manche Quellen sprechen schon von 52 v. Chr.) wird Tergeste Teil des römischen Imperiums und wichtiger Stützpunkt für Handel und Militär gegen Osten. Bei einem Gang durch die engen Gassen der Altstadt stößt man an der Piazzetta Barbacan auf den Arco di Riccardo, ein Tor der Stadtmauer von 33 v. Chr.
Im frühen Mittelalter gehörte Triest zum Herrschaftsgebiet Karls des Großen und im Hochmittelalter wehrte sich die Stadt wiederholt gegen die Unterjochung durch Venedig. Streitobjekt war die damals größte Quelle des Reichtums: der Salzhandel. Den wollte an der Adria Venedig allein beherrschen. 1203 wurde Triest von Venedig erobert und auch danach wiederholt bedroht. Das trieb die Triestiner 1382 zur „Flucht“ unter den Schutzschirm eines mächtigen Rivalen Venedigs: des Herzogs von Österreich, Leopold III.
Doch die wirtschaftliche Entfaltung Triests wurde durch die Dominanz der „Serenissima“ im Fernhandel über Jahrhunderte gehemmt. Oder soll man eher sagen: durch das Desinteresse der Habsburger am Fernhandel? Erst mit dem Niedergang Venedigs und mit der eigentlich relativ spät einsetzenden Förderung durch die Habsburger (Karl VI., Maria Theresia, Joseph II.) im 18. Jahrhundert stieg die Bedeutung Triests für den Handel mit dem Nahen Osten. Die Ausstattung mit den Privilegien eines Freihafens im Jahr 1719 gilt als markantes Ereignis in der Geschichte der Stadt. Was bedeutete das? – Der Warenverkehr von Schiff zu Schiff und in den dafür vorgesehenen Magazinen an Land war fortan von Zöllen befreit. Unter Maria Theresia wurde diese Zollfreizone auf das Stadtgebiet erweitert. Dazu wurden die Stadtmauern geschleift und auf dem Terrain der Salinen, deren Besitz den Venezianern immer ein Dorn im Auge gewesen war, wurde ein neuer Stadtteil, der Borgo Teresiano, samt dem Canale Grande errichtet, in dem die Schiffe vor Wetter besser geschützt waren als draußen an den Molen. Die Zollfreiheit war übrigens nur ein Mosaikstein im Gesamtbild der gewährten Privilegien. Beispielsweise genossen zugezogene Händler Straffreiheit für anderswo begangene Delikte. Steuerfreiheiten, Schuldenerlässe und Freiheit vor Zugriffen lokaler Behörden ergänzten sich zu einem fruchtbaren Boden für allerlei Unternehmungen, auch wenn dies nach heutigen Vorstellungen moralisch oder öffentlich-rechtlich fragwürdig erscheint.
1775 wurde eine Ostindische Handelskompanie gegründet und 1776 segelte ein gewisser Kapitän Bolts mit dem Schiff „Joseph und Theresia“ entlang der Ostküste Afrikas bis nach Ostindien. Er erwarb von Einheimischen kleine Ländereien und gründete auf diese Weise erste österreichische (Zwerg-)Kolonien, die aber bald wieder in Vergessenheit gerieten. Während der napoleonischen Zeit verlor Triest vorübergehend seinen Freihafenstatus, ein Drittel seiner Einwohnerschaft und 95% seines Handelsvolumens.
Mit der Rückkehr in die österreichische Hegemonie 1813 bzw. „endgültig“ durch die Schlussakte des Wiener Kongresses 1815 setzte allerdings bald wieder ein Aufschwung ein. Mit dem Raddampfer Carolina wurde 1818 die erste Linienschifffahrt in der Adria, von Triest nach dem nunmehr ebenfalls österreichischen Venedig aufgenommen. Die Verwertung der genialen Erfindung des aus Böhmen stammenden Forstbeamten Joseph Ressel versäumte Triest allerdings. 1829 wurde ihm die Vorführung des neuen Antriebs durch eine Schiffsschraube mit dem Schiff „Civetta“ innerhalb des Hafenbereichs wegen Gefährdung der Sicherheit untersagt.
Im April 1833 gründete der Triestiner Kaufmann Karl Ludwig Freiherr von Bruck nach Londoner Vorbild den Österreichischen Lloyd. Diese Gesellschaft beschloss 1836 den Bau von sechs Dampfschiffen und am 16. Mai 1837 lief der Lloyd-Dampfer „Arciduca Ludovico“ mit 53 Passagieren an Bord zu seiner ersten Fahrt nach Konstantinopel aus.
Der erste Lloyd-Dampfer "Arciduca Ludovico" (Illustration von Robert Ruß, Kronprinzenwerk, Band Das Küstenland, 1891, S. 315)
In der Folge wurden in Triest die Versicherungsgesellschaft „Assicurazioni Generali“, das Arsenal und mehrere Werften gegründet. Bis 1914 steigerte der Österreichische Lloyd die Zahl seiner Schiffe auf 65 und die Zahl der Beschäftigten auf 6.000. Dazu kamen noch einige kleinere Reedereien und die von Fiume (Rijeka) aus operierende Ungaro-Croata mit immerhin weiteren 49 Schiffen im Jahr 1914.
Doch mit dem Hafen ging es in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts trotz des Lloyd wieder mehr bergab als bergauf. Die Wirtschaftskrise im Gefolge des Börsenkrachs von 1873 verstärkte diesen Trend. 1875 appellierte der Präsident der Triestiner Handelskammer Brüll an den Kaiser, „unseren Handel wieder aufblühen zu machen, der jetzt leider in entschiedenem Rückgange begriffen ist“ (Coglievina 1875, S. 9).
Während der Revolutions- und Abspaltungsversuche der Lombardei, Veneziens und Ungarns im und um das Jahr 1848 blieb Triest den Habsburgern treu und erhielt dafür den Titel „Città fedelissima“ – die Allertreueste. Nach der Gründung des italienischen Nationalstaates 1861 ergriff die Irredentismus-Bewegung aber doch auch Triest. Beim Besuch des Kaisers Franz Joseph 1875 titelte die Zeitung „Adria“ noch: „Noi vogliamo essere Austriaci“ (wir wollen Österreicher sein) und auf der Piazza Giuseppina wurde im Beisein des Kaisers das imposante Denkmal für den in Querétaro hingerichteten Kaiser Maximilian von Mexiko, den Bruder Franz Josephs, enthüllt.
1882 feierte man das Jubiläum der 500-jährigen Zugehörigkeit Triests zu Österreich ebenfalls in Anwesenheit des Kaisers. Dabei entging Franz Joseph nur knapp einem Bombenattentat durch Guglielmo Oberdan. Im Prozessverfahren bemühte sich angeblich das österreichische Gericht, dem Beschuldigten Verwirrung und fehlende Tötungsabsicht zu unterstellen, was aber am hartnäckigen Bekenntnis von Oberdan gescheitert sein soll. Die Hinrichtung bewirkte seine Verherrlichung als Opfer der österreichischen Unterdrückung.
Der Schock über die Zustände in Triest – wirtschaftlich und politisch – saß tief. Der Kaiser sprach ein Machtwort: „Es muss etwas für Triest geschehen!“ Auf die allgemeine Ratlosigkeit hin soll Franz Joseph den Stadtplanern gesagt haben: „Machen Sie es so wie in Wien, nur ein bisserl kleiner!“
An den unbefriedigenden Zuständen konnte auch die neue Bahnverbindung nach Wien wenig ändern: Am 27. Juli 1857 hatte Kaiser Franz Joseph persönlich den Schlussstein für die durchgehende Bahnverbindung von Wien nach Triest gesetzt. Bis dahin „verkehrten“ zwischen Wien und Triest bis zu 40.000 Pferde täglich, welche vor allem von ungarischen Magnaten geliefert wurden. Kein Wunder, dass diese kein Interesse an Kanal- und Bahnbauten über ihr Territorium hatten, sodass zunächst (nach den napoleonischen Kriegen) der Wiener Neustädter Kanal nicht weitergeführt werden konnte und danach die Bahn über den schwierigen Semmering und das hügelige Gelände der Steiermark und Krains geführt werden musste. Der Bahnstrecke folgte 1878 die Eröffnung des im Wesentlichen noch wie damals aussehenden Gebäudes des Südbahnhofes (heute: Trieste Centrale), dessen Architekt jener Wilhelm von Flattich war, der auch den Wiener Südbahnhof geplant hatte.
Trieste Centrale, einst das Ende der Südbahn am Meer (2015)
Angeblich wurde diese Bahnverbindung, die von der privaten Südbahngesellschaft betrieben wurde, wegen der hohen Tarife nicht gut angenommen. Eine Staatsbahn sollte Abhilfe schaffen. Also baute man vom Triestiner Südbahnhof entlang der Riva ein Gleis bis Sankt Andrä am Südende der Stadt („Riva-Bahn“) und weiter hinauf in den Karst nach Hrpelje/Erpelle (heute Hrpelje-Kozina). Diese „Hrpelje-Bahn“ hatte auf 27 Kilometern fast 500 Höhenmeter zu überwinden. Von Hrpelje Richtung Laibach fuhr man zunächst auf dem schon vorhandenen Ast der Südbahnverbindung mit Pola weiter, die in Divača auf die alte Südbahntrasse nach Triest traf. Auch diese ab 1887 zur Verfügung stehende Bahnverbindung brachte nicht die erhoffte Steigerung des Güterverkehrs.
Daher tauchte bald unter dem Namen „Neue Alpenbahn“ die Idee einer weiteren (dritten) Bahnverbindung auf, die Triest über Görz und Kärnten an Westösterreich und Süddeutschland anbinden sollte. Diese bereits im Zusammenhang mit Görz beschriebene Bahn war eingleisig und führte ab 1906 über Sežana und Villa Opicina an den Abhängen des Karst herab und von Süden in die Stadt hinein zu einem neuen Hafengelände und dem dort errichteten Staatsbahnhof. Das führte dazu, dass Triest trotz schwierigem geografischem Terrain am Beginn des 20. Jahrhunderts von zwei Seiten her an das mitteleuropäische Bahnnetz angebunden war.
Dass es nicht und nicht zu einer wirtschaftlichen Wende kam, war daher weniger einer unzureichenden Verkehrsanbindung als vielmehr der Ineffizienz des Hafens zuzuschreiben. Der 1867 begonnene Ausbau des neuen Hafens, der heute „alter Hafen“ (Porto vecchio) heißt, an der Endstation der Südbahn wurde erst 1883 fertig. Gegen Ende des 19. Jahrhunderts wurde ein Hochseeschiff in Hamburg in nur 36 Stunden be- und entladen, während man in Triest dafür angeblich mehr als zwei Wochen brauchte (Neumann-Spallart 1882, S. 45). Hamburg ließ in der Tat Triest als Haupthafen für die österreichische Wirtschaft immer weiter hinter sich. Und für die sprunghaft gestiegene Zahl der Durchreisenden, die in Triest eine Schiffsreise antraten oder von einer zurückkehrten und hier einmal übernachten mussten, war noch am Beginn des 20. Jahrhunderts die verfügbare Bettenzahl zu knapp.
Heute erinnern nur Ruinen, desolate Hallen mit Billighandelsläden und verlotterte Lagergebäude an das einstige „Welt-Logistikzentrum“ – und die eine oder andere Gedenktafel an Menschen, die hier unter nationalsozialistischer Herrschaft oder danach als Heimatvertriebene (Esuli) aus Istrien und Dalmatien zusammengepfercht waren und eines unbekannten Schicksals harrten. Vereinzelt wird einer der vielen ambitionierten Revitalisierungspläne für das 500.000 Quadratmeter große Areal tatsächlich verwirklicht, wie im Fall des Magazzino 26 anlässlich der Errichtung einer Außenstelle der Biennale von Venedig zur 150-jährigen Wiederkehr der Vereinigung Italiens (1861-2011).
Um 1900 bestand die Bevölkerung Triests zu ca. 75% aus Italienern, 18% Slawen (vorwiegend Slowenen, welche in der Umgebung bei weitem die Bevölkerungsmehrheit bildeten), 5% Deutschsprachigen und einem multikulturellen Rest. „Es ist doch eine italienische Stadt. Aber sie darf nicht. Daher der Unwille, den man überall spürt. Es ist eine Stadt, die eine unwillige Existenz führt… Der Staat tut alles, um die Stadt zu verkrüppeln, und wundert sich dann, wenn sie nicht wächst. Auf jede Forderung der Stadt antwortet er: Werdet zuerst Patrioten, dann wird man etwas für euch tun! Während sich die Leute natürlich denken: Tut erst etwas, wofür es sich lohnt Patrioten zu sein!“ So sah das seinerzeit Hermann Bahr (Bahr 1909, S. 9).
Als am 3. November 1918, also erst nach Ende der Kampfhandlungen im Ersten Weltkrieg, der Weg für die italienische Marine nach Triest frei gemacht werden musste, legte als erstes der Zerstörer Audace am Molo San Carlo an, der dafür seit 1922 Molo Audace heißt. Bald entstand das folgende Bonmot: „Was den Österreichern in Jahrhunderten nicht gelungen war, gelang den Italienern in wenigen Minuten: nämlich aus den Triestinern gute Österreicher zu machen.“
Der Molo Audace, früher Molo San Carlo (2009)
Der Anker des Audace ist übrigens am Fuß jenes Leuchtturms ausgestellt, der in den zwanziger Jahren des 20. Jahrhunderts als „Faro della Vittoria“ auf den Fundamenten einer alten österreichischen Festung zum Gedenken an die „Caduti sul Mare“ (die gefallenen Marinesoldaten im Ersten Weltkrieg) erbaut wurde. Im Friedensvertrag von Saint Germain wurde Triest 1919 offiziell samt einem Großteil Istriens und des Friaul Italien zugesprochen und unter der Herrschaft Mussolinis wurde die slawische Bevölkerung unterdrückt oder vertrieben.
Dies bekamen auch die slowenischen Einwohner Triests zu spüren. Die Serie der Gewalttaten begann mit der Zerstörung des „Narodni dom“ (vulgo „Hotel Balkan“) an der heutigen Piazza Dalmazia am 13. Juli 1920 und setzte eine Spirale der Gewalt in Gang. Der Triestiner Hafen wurde in der Zwischenkriegszeit aber auch für rund 150.000 Juden zur „Porta di Sion“ (Tor Zions): Transithafen nach Palästina – bis zur Besetzung Triests durch deutsche Truppen nach der Kapitulation Italiens am 8. September 1943. Die italienischen Rassengesetze von 1938 hatten zuvor schon die jüdische Einwohnerschaft zum Rückzug aus Wirtschaft und Kultur gezwungen.
Ende April 1945 traf die jugoslawische Armee im Raum Triest ein. Der Kampf um Triest und Istrien entbrannte von neuem: diesmal zwischen Jugoslawien und Italien. Titos Truppen und Partisanen herrschten vierzig Tage in der Stadt und Umgebung, bevor alliierte Truppen die Kontrolle übernahmen. Istrien fiel in der Folge an Jugoslawien und damit setzte die „Vertreibung der Vertreiber“ ein. Nur eine Zone, die ungefähr von Duino bis Novigrad (Cittanova) reichte, wurde 1947 zum „Free Territory of Trieste“ erklärt. Bis zur geplanten Einsetzung eines UNO-Gouverneurs wurde dieses Territorium in zwei Zonen getrennt verwaltet: die italienisch dominierte Zone A von Duino bis südlich von Muggia, wo heute die Grenze zu Slowenien verläuft, und die jugoslawisch dominierte Zone B im Anschluss daran. Nachdem die Einsetzung des UNO-Gouverneurs immer wieder scheiterte, wurden im Jahr 1954 die beiden Zonen Italien und Jugoslawien auch offiziell angegliedert.
Von all diesen Wirren ahnt man nichts, wenn man heute auf der prächtigen Piazza dell‘ Unità d’Italia, der früheren Piazza Grande steht. Der Platz ist zum Meer hin offen und an den übrigen drei Seiten von prächtigen Gebäuden umrahmt. Die Häuser, welche den Platz vom Meer trennten, wurden in den achtziger Jahren des 19. Jahrhunderts entfernt, was ihm erst die heutige „Grandezza“ verlieh.
Die Piazza dell' Unità d'Italia (2009)
Dem Meer gegenüber steht die prächtige Fassade des Rathauses. Davor sprudelt seit 1750 ein Brunnen, der die damals bekannten vier Kontinente darstellt und an die von Maria Theresia veranlasste Wasserleitung für Triest erinnert. Hinter dem Rathaus landeinwärts steigt der Hügel von San Giusto an, auf dem die Kathedrale und die Festung thronen. Neben der Kathedrale findet man in einem aufgelassenen Friedhof ein Lapidarium, unter anderem mit dem Grabstein für Johann Winkelmann, dem Kunsthistoriker, der 1768 auf der Durchreise in Triest einem Raubüberfall zum Opfer fiel.
An diesem Hang liegt der älteste Teil der Stadt, der erst in den letzten Jahrzehnten renoviert wurde. Nördlich der Piazza Grande, wo sich einmal die Salinen von Triest ausbreiteten, liegt die ehemalige Maria-Theresien-Vorstadt (Borgo Teresiano) mit dem rund 300 m langen Canale Grande, in dem die Segelschiffe auch bei rauer See be- und entladen werden konnten. Südlich der Piazza liegt der Borgo Giuseppino, benannt nach Kaiser Joseph II., der im Rahmen der zweiten Stadterweiterung im 18. Jahrhundert entstand.
Heinrich Freiherr von Ferstel, auch Architekt einiger Palais und der Universität in Wien, plante den Palast des „Österreichischen Lloyd“ (des heutigen „Lloyd Triestino“) an der Südflanke der Piazza Grande, wo sich vorher der Fischmarkt befunden hatte, „in jenem sinnlosen und grundlosen Ringstraßenstil, der wie eine tote Sprache klingt. Ich habe einen alten ungarischen Pfarrer gekannt, der eine Vorliebe hatte, lateinisch zu reden. Gulasch essen und lateinisch reden. Und genau so wirkt dieser Bau. Und dann bin ich immer traurig, beim Lloyd“, klagte seinerzeit Hermann Bahr (1909, S. 12). Aber schön, wenn auch ein bisserl protzig, ist er doch, der Palast im Verein mit den anderen Palästen, hier an der Piazza Grande, pardon: Piazza dell‘ Unità d’Italia!
Der Lloyd-Palast (1988)
Immerhin pflegt Triest heute die Erinnerung an habsburgische Zeiten durch mehrere Denkmäler für die ehemaligen „Unterdrücker“: für Kaiser Leopold I. auf der Piazza della Borsa, Kaiser Karl VI. auf der Piazza Unitá und Kaiserin Elisabeth vor dem Südbahnhof (Trieste Centrale). Und jetzt dazu auch wieder Kaiser Maximilian auf der Piazza Venezia, nachdem er viele Jahre im Park von Miramar "abgestellt" war.
Kaiser Maximilian auf der Piazza Venezia (2015)
Italien ehrte nach dem Ersten Weltkrieg „natürlich“ auch „seine“ Freiheitskämpfer, die freilich aus österreichischer Sicht üble Hochverräter waren, wie etwa der aus Istrien stammende österreichische Staatsbürger und Überläufer zur italienischen Flotte Nazario Sauro, der 1916 in Pola hingerichtet wurde und vor der Stazione Marittima (Hafenterminal) an der Riva Bersaglieri ein Denkmal aufgestellt bekam. Das Hafenterminal aus 1933 ist heute ein Kongresszentrum. Und aus der alten Pescheria (Fischhalle) aus 1913, ein paar Schritte weiter, ist inzwischen die Ausstellungshalle Salone degli Incanti (Salon der Zaubereien) geworden. Nur das kurioserweise im selben Gebäude untergebrachte Aquarium durfte bleiben.
Triest hat eine Kaffeehaustradition ähnlich wie Wien. Schließlich kam der Wiener Kaffee zu einem Gutteil über den Hafen Triest. Der „Viennese“ ist ein Kaffee mit Milchschaum ähnlich der Wiener Melange. Die Kaffeehäuser waren Treffpunkte von Schriftstellern, deren berühmtester James Joyce war, der hier seinen Ulysses begann. Als Fundgrube für alte Literatur gilt das Antiquariat, das der Schriftsteller Umberto Saba in der Via San Nicoló begründete.
Triest hat ein auf hohem Niveau bespieltes Opernhaus: das Teatro Communale Giuseppe Verdi, das 1801 fertiggestellt wurde. Das Theater steht nur wenige Schritte nördlich der Piazza Unitá und gegenüber gelangt man durch die Galerie des Tergesteo-Palastes auf die Piazza della Borsa, die vom klassizistischen säulengeschmückten Gebäude der Alten Börse und Sitz der Handelskammer beherrscht wird.
Triest hatte auch einige Straßenbahnlinien, wovon eine noch in Betrieb ist: Diese fährt seit 1902 teilweise mit Zahnradunterstützung steil den Berg nach Opicina hinauf. Von der Station bei einem Obelisken, der hier in Erinnerung an den Besuch von Kaiser Franz aufgestellt wurde, hat man einen herrlichen Ausblick auf Stadt und Umgebung. „In früherer Zeit, als man noch zu Fuß oder Wagen reiste, war es eine unverbrüchliche Übung aller Triest-Reisenden, im gegebenen Momente von der Reichsstraße abzubiegen und den Obćinahügel hinaufzusteigen, wo sich der erste Seeblick erschließt, und wo man 1830 den vielgenannten Obelisken errichtete…“ (Petermann 1899, S. 76). Von hier aus kann man am Berghang einen Fahrweg entlang wandern, der einst nach Kronprinzessin Stephanie (Gattin von Kronprinz Rudolf) benannt war. Davor war die Straße nach Napoleon Bonaparte benannt. „Napoleonica“ wird sie auch heute wieder genannt, obwohl sie eigentlich Via Vicentini heißt – nach jenem Ingenieur, der diese Straße projektierte. Der Ausbau nach diesen Plänen wurde aber nie vollendet.
Der Obelisk an der gleichnamigen Station der Straßenbahnlinie 2 (2015)
Man sieht von diesem beliebten Spazierweg auf den Faro della Vittoria hinunter und weit über den Golf hinaus aufs offene Meer. Gegen Ende der „Ausbaustrecke“ kommt man an senkrecht abfallenden Felswänden vorbei, in welche die Trasse hineingesprengt wurde. An einer dieser Felswände ist ein Doppeladler mit der Jahreszahl 1821 eingemeißelt. Etwa einen Kilometer vor dem Ort Prosecco zweigt ein Waldweg auf den Monte Grisa ab. Auf dem Monte Grisa steht eine imposante „Wallfahrtskirche“, die 1966 fertiggestellt wurde und deren Erbauung auf ein Gelübde des Bischofs von Triest für die Rettung der Stadt im April 1945 zurückgeht. Tatsächlich war Triest von Anfang Mai bis Mitte Juni 1945 in der Hand der Truppen des Marschalls Tito. Die Kirche war ursprünglich der Völkerverständigung geweiht, wurde aber im Lauf der Jahre – nicht zuletzt auch durch das Geschenk einer Marienstatue aus Fatima – zu einer Marienwallfahrtsstätte. In der Unterkirche stehen zahlreiche aufwändig gestaltete Altäre, die an die Gemeinden der nach dem Zweiten Weltkrieg aus Istrien vertriebenen italienischen Bevölkerung erinnern. Vom Monte Grisa aus kann man oberhalb, parallel zu Napoleonica durch den Karstwald zum Obelisken und zur Station der Tram zurückwandern.
Triest hat seine Hafenanlagen mehrfach erweitert. Der „alte Hafen“ (Porto vecchio oder Punto franco vecchio) wurde, wie schon erwähnt, im 19. Jahrhundert an der nordwestlichen Stadteinfahrt angelegt, wo auch die Bahnlinie aus Wien 1857 im Südbahnhof (heute Trieste Centrale) endete, und war damals der „neue Hafen“. Die wirklich neuen und großen Hafenanlagen samt Ölhafen und Industriezone befinden sich an der Südseite der Stadt. Die Süderweiterung des Hafens begann mit dem Bau der Bahnverbindung über Hrpelje (1887) und wurde im Zusammenhang mit dem Bau des neuen Bahnhofs für die „Neue Alpenbahn“ (italienisch „Transalpina“; 1906) weitergetrieben. Für diesen neuen „Staatsbahnhof“ und den angrenzenden Hafen, der bis 1918 Porto Francesco Giuseppe hieß, wurde dem Meer auf Piloten ein weitläufiges Gelände abgerungen, das seit 1923 Campo Marzio (Marsfeld) heißt. Seit 1959 fahren keine Personenzüge mehr in den Staatsbahnhof und der vorhandene Rest des Bahnhofsgebäudes dient seit 1985 als Eisenbahnmuseum.
Das Bahnhofsgebäude wird landseitig flankiert vom Meeresmuseum (für Schifffahrt und Fischfang), in dem auch Josef Ressel angemessen gewürdigt wird, und seeseitig von Freizeitanlagen: einem neuen Fitnesszentrum und alten, aber renovierten Badeanstalten. Im Bagno alla Lanterna wird gewissermaßen als Kuriosität auch heute noch eine Mauer bewahrt, welche die Badenden nach Geschlechtern trennt. Am Ende der hier beginnenden Mole Fratelli Bandiera steht der alte Leuchtturm (Lanterna) des Triestiner Hafens aus 1830, der für seine Reichweite berühmt war, aber heute längst nicht mehr in Betrieb ist.
Die an das Campo Marzio anschließenden Anlagen geben ein Zeugnis von den Höhen und Tiefen des Industriezeitalters. Entlang der Nordseite der Bucht von Muggia wechseln einander Hafenkräne und Fabriksschlote ab, die nicht immer den besten Erhaltungszustand erkennen lassen. Mitten drin liegt die ehemalige Risiera (Reisschälfabrik) von San Sabba, die nach der Kapitulation Italiens im Zweiten Weltkrieg von deutschen Truppen, der SS und Hilfstruppen aus dem Osten in ein Anhalte- und Vernichtungslager verwandelt wurde. Wer nicht gleich hier zu Tode kam und im inzwischen abgetragenen Krematorium verbrannt wurde, wurde von hier in die Vernichtungslager des Deutschen Reiches weitergeleitet. Eine Gedenkstätte erinnert heute daran.
Doch das war noch nicht alles an Grausamkeiten, an die gedacht werden muss: Oben an den Hängen des Karst, ungefähr zwischen dem lieblichen Val Rosandra und dem imperialen Gestüt von Lipica, liegt der Ort Basovizza. Hier befindet sich ein Denkmal an die Opfer der Foibe. Das sind tiefe Felsspalten, in die die jugoslawischen Besatzer im Mai und Juni 1945 tausende Italiener, Kriegsgefangene und Kollaborateure teils noch lebendig, teils aneinander gefesselt hinabstießen. Der 10. Februar ist seit 2004 Gedenktag für diese Opfer der Foibe.
Das Val Rosandra (Rosandratal) ist mit seiner seltenen Flora und Fauna und seinem dreißig Meter hohen Wasserfall eigentlich ein kleines Naturwunder. Es beherbergt aber auch Reste der römischen Wasserleitung, welche Tergeste im Altertum versorgte, und eine in die Felsabhänge gebaute kleine Kirche: Santa Maria in Siaris. Sie ist wahrscheinlich die älteste Kirche im Karstgebiet von Triest und stammt aus der Zeit um 1200.
Reste der römischen Wasserleitung im Val Rosandra (1992)
Seit den siebziger Jahren des 20. Jahrhunderts werden hier auch wieder Ölbäume gezogen, nachdem der Jahrtausende alte Bestand im Rekordwinter 1929 großteils erfroren war. Das Olivenöl aus dem Val Rosandra ist drauf und dran wieder die alte Berühmtheit zu erlangen.
Wenige Kilometer nördlich des Val Rosandra und des Ortes Basovizza liegt, schon jenseits der heutigen Staatsgrenze, Lipica mit seinem berühmten, im Jahr 1580 gegründeten Pferdegestüt. Die (traditionellerweise italienisch bezeichneten) weißen Lipizzaner entstanden aus einer Kreuzung andalusischer Hengste mit einheimischen Stuten und dienten den Habsburgern als Paradepferde. Am berühmtesten wurden sie durch ihre Dressur in der Wiener Spanischen Hofreitschule. Im Ersten Weltkrieg wurden die Pferde in das Gestüt Piber in der Steiermark gebracht. Die Zucht in Lipica musste danach neu aufgebaut werden.
Südlich des Val Rosandra kann man, ebenfalls schon auf slowenischem Staatsgebiet, einen Abstecher zur mittelalterlichen Burg von Socerb machen, von der aus ein schöner Blick auf den Golf, das Hafen- und Industriegebiet und die Stadt Triest selbst möglich ist.