Читать книгу Sleepy Giant - - Joshi - Страница 4
Оглавление65. Kapitel - Wrapped
Es konnte losgehen. Gleich am nächsten Tag. 17. Harry fuhr von einem Treffen zum nächsten, mit einem Chauffeur, das war ja wohl das mindeste. Reifenquietschen, Türenschlagen, Fahrstuhl-fahren, Telefonate, immer wieder Telefonate mit Warteschleifen, Harrys nun ständige Begleiter. Er musste von einem zum nächsten Hineinplatzen in Chefetagen und entgeistert. dreinblickende Sitzungsrunden unterbrechen, es war keine Zeit zu verlieren. Alles andere musste warten. Jetzt erst einmal die Verhandlungen in Gang bringen. Rein ins Auto, raus aus dem Auto. Werben für seine neue Aufgabe. Verbindungen herstellen zu dem längst verschollen geglaubten Dinosaurier dieser zerstörten Riesenfirma, Jeff Rebound. Dass er noch lebte, blieb streng geheim. Aber - er war die Karte die alle Türen öffnete. Und erstaunlich, wie das Fallenlassen seines Namens, das Erwähnen kleinster Andeutungen, jedes Mal auf`s Neue diese Türen öffnete, wie schnell sie sich doch alle einig wurden. Auf den Schreibtischen ausgebreitet, noch die Morgenzeitungen mit den sich überschlagenden Berichten, kam da einer zur Tür herein, der nur auf die Fotos tippte und sagte: „Das bauen wir jetzt wieder auf. Genau dort. Genau jetzt.“ Denn wohin mit all denen, die mit dem Zusammenbruch der Firma auch ihre Existenzen zusammenbrechen sahen? Sämtliche Angestellten waren ja ebenfalls zum Tode verurteilt, denn wenn auch mit Ausnahme des Hauptgebäudes die dazugehörigen Firmen, über die ganze Welt zerstreut noch bestanden, die Zentralversorgung ihrer Lichtschranken existierte nicht mehr. Natürlich konnte das unmenschliche System einer Lebensgrenze mit 65 Jahren nicht aufrechterhalten werden. Den Firmennamen würde man allerdings beibehalten. Auch das Reboundgebäude wieder an der gleichen Stelle aufbauen, die günstige Stadtlage gab dafür den Ausschlag. Ständig wurde Harry in seiner Limousine mit der neuesten Sach-lage auf dem Laufenden gehalten. Ein Schwall von Papierbögen nach dem anderen überfiel ihn. Auf seinem Rücksitz, ratterte aus schier unersättlichen Fräsmaschinen eine Lage von Papierstößen, bis er einem mit einer vielköpfigen Schlange kämpfenden Seefahrer glich, der vor lauter Neuinformationen beinahe in den Wellen von Papier ertrank. Die gesamte Woche ging das so. Jeff hatten sie in seinem Wig-Wam eine metergroße Stelltafel aufgebaut, die er fröhlich grinsend dem stets Bericht erstattenden Harry, völlig abgekämpft in seinem Chefsakko, Tag für Tag auf`s Neue um ein Kalenderblatt nach vorn klappte. „16...15…14...“ machte er dann immer mit freundlichem Glucksen. Und Rebound wurde nicht müde Harry immer wieder seine Unterstützung zuzusprechen. Und weshalb er sich denn überhaupt wundere? Natürlich empfingen ihn alle mit offenen Armen, seien alle froh wenn tausende ihre Arbeitsplätze behielten, man wisse ja schon jetzt nicht mehr, wohin mit all den vielen Langschläfern. Und wenn Harry so weiter macht, rettet er vielen das Leben. Weshalb sollte ihn da nicht jeder willkommen heißen? Und was ihn persönlich betreffe, wer so lange an seinem Lebens-werk gearbeitet hat, der will nun auch nichts anderes mehr anfangen, versicherte Jeff und dass er sich auf die Zusammen-arbeit mit Harry schon freue, wie stolz er doch darauf sei, und dass es insgeheim schon lange sein größter Wunsch..., dass gerade Harry... und so weiter und so weiter. Einmal mit diesem Gedanken angefreundet, wuchsen in Harry große Pläne „Eine Idee muss erst einmal ihren Weg in den Kopf finden und nicht nur dorthin, sondern in den ganzen, einen umgebenden Körper, sich als die Existenz bestimmende Idee erweisen, spürbar werden, und man muss seinen inneren Kampf zumindest soweit abgeschlossen haben, sich selber die Zeit zu geben in seine großen Aufgaben hinein zu wachsen.“ Rebound hatte gut reden. Er saß ja nur rum. Stets dieses Firmengesäusel. Und diesmal wäre die Konstellation ja auch eine völlig andere. Nicht nur sollten die Möglichkeiten der Pyramide mit einfließen in das Geschäftstreiben, sondern auch eine kosten-sparende Umstrukturierung folgen. Wie, das würde Harry noch früh genug erfahren und dann selbst bei der ersten, der weiterhin beibehaltenen 9.00 Uhr-Sitzungen vorschlagen. Und all diese schönen Worte wie `Umstrukturierung´ und `kostensparend´ müssten selbstverständlich vermieden und anders formuliert werden, riet Jeff Rebound, denn das könne auf diesem Planeten in der heutigen Zeit niemand mehr hören und auch wenn seit Jahrhunderten immer das gleiche geschehe, so glaube doch jeder, dass gerade in seinem Jahrhundert alles zusammenbreche und es gerade jetzt ihm an den Kragen ginge. Und so weiter und so weiter. 13..12..11. Dann knallte Harry die Tür seiner Limousine hinter sich zu und war froh, dass ihn wenigstens der Chauffeur nicht mit Reden in Anspruch nahm. Dieser Chauffeur hatte allerdings ein anderes Ärgernis auf Lager. Er ließ ständig das Radio laufen, der einzige Nachteil an ihm, leider ein sehr großer, denn Radio hören in dieser Stadt kommt einer Selbstverstümmelung der eigenen fünf Sinne gleich. Von morgens bis abends versuchen piepsende, lachende, bis zur Unkenntlichkeit gutgelaunte Radiosprecher einem den Tag zu versauen, dass man einen wie Bloke besser nicht mit einer Waffe ausstatten durfte. Selbst Harry, der von dieser modernen Musik so viel verstand wie die Musiker selbst, musste schon seine ganze Konzentration aufbringen, um nicht eine äußerste Abneigung gegen diese doch eigentlich so schöne Erfindung zu gewinnen. Das Radio. Wie viele von denen da wussten eigentlich, welchem Erfinder sie es danken sollten? Wen es einmal so getrieben habenmusste, dass er diese Idee in die Tat umsetzte, damit sie nun jeden Tag so vielen Unschuldigen mit ihrer Fröhlichkeitstortur auf die Nerven gehen durften? Bei solch umfangreichen Unternehmungen wie der Erfindung des Radios konnte einer allein es kaum gewesen sein. 1864 hatte ein Engländer mit dem klangvollen Namen Maxwell die große Ehre den Nährboden für die heute so beliebten Radiosendungen bereiten zu dürfen. Damals noch interessierte die Sprachübertragung. Immerhin hatten sie nur 130 Jahre gebraucht um diese Ambitionen völlig zunichte zu machen. Denn was sie heutzutage im Radio senden, hat genauso viel Inhalt, wie die darauf zutreffende Bezeichnung. Der Hit. Gegen das Radio und besonders gegen diesen Chauffeur war Harry machtlos. Er lümmelte sich auf das Lederimitat seiner Hinterbank des Wagens und ließ es über sich ergehen. Gott sei Dank hielten die gelben Ohrstöpsel wenigstens etwas von diesem Akustikmüll von ihm ab Der neueste Hit, und Hit bedeutete, dass man den ganzen Tag nur diesen blöden Hit zu hören bekam, war ausnahmsweise mal ein kleiner Gag der Stadtpolizei. Die hatte einen dieser Sprechsänger heimlich abgehört, seine Telefonate mitgeschnitten und dann von ein paar zerfledderten Idioten in einem Ton-Studio, aus dem man die Reste des Restalkohols auch mit modernsten Absauganlagen nicht mehr entfernen konnte, mit Musik unter-legen lassen. Dieser Sprechsänger war gerade auf dem Weg zu einer steilen Karriere. Er hieß Linton Eric Moench, genannt LEM, und weigerte sich in diesem Telefonat standhaft ein Interview in einer Fernsehshow wahrzunehmen. Er behauptete den Termin völlig verschwitzt zu haben und dass es ihm wirklich leid täte, aber jetzt könne er auch nicht mehr vorbeikommen, denn er säße doch gerade zu Hause, mit seiner Acoustik-Gitarre in der Hand und seinen Freunden und die Sonne scheint, also das übliche was man so sagt, wenn es einem wirklich aufrichtig leid tut, aber man wirklich nicht mehr kommen kann. Der Hintergrund dieser Verweigerung gipfelte in der aufgestellten Behauptung LEMs, dass Interviews mit einem Sprachkünstler ja die Umrundung des eigenen Kreises bedeuteten, denn er habe ja nun schon alles in seinen Songs gesagt und man solle dann doch lieber noch einmal seine Songs spielen. Und außerdem, ein Musiker in einer Fernsehshow? Das sei ja regelrecht die Rückumrundung des Rückkreises des Kreises, denn wen interessiert schon bei Musik die Optik? Auch auf die Frage hin, warum er denn erst zugestimmt hätte, und auf seine Antwort, dass er so etwas nie behauptet und wohl deshalb auch nie jemand seine Sprachkunst richtig verstanden, einer Endlosumrundung endloser Kreise nicht enden wollender Umrundungen gleich. Es war nicht zu verhindern, dieser Song wurde ein Hit. Zumal LEM behauptete, je mehr er sich selber zuhöre, desto fremder würde er sich und desto erstaunter sei er jedes Mal auf's neue, was er zu sagen habe. Und auch seine Bewunderer wurden nicht müde nun endlich den Durchbruch einer Epoche zu feiern, wie nahtlos er sich doch einfüge in das Radio als Endlosschleife und dass dort nur noch hinein dürfe, wer diese Schleife nicht unterbreche, auch wenn sie sich immer schneller drehte, so dass zwangsläufig ein paar kleinere Inhalte über Bord geworfen werden müssten, der Schere zum Opfer fielen, und damit die zeitraubende, quälende Suche nach Konturen vorbei wäre in endgültig angestrebten Verschmelzungen, was denn echt und was erfunden, so dass einer steilen Karriere des LEM nun wirklich nichts mehr im Wege stand. Und außerdem war den Jungs im Tonstudio noch ein richtig toller Titel zu diesem zerstückelten Song eingefallen: `Should have Wrapped´. Paula dagegen betrachtete das Ganze mit nur wenig Anteilnahme. Besser gesagt: Sie betrachtete es gar nicht. Und wenn, dann benötigte es schon einen Galileo der ihr ein Fernrohr hätte bauen müssen von einer solchen Reichweite die eine Entfernung von 3000 Kilometern mühelos überbrücken konnte. Paula hatte bereits nach dem ersten ihr an die Ohren dringenden Klang des Namens Rebound Effect ihre Koffer gepackt. Und? War weg. Nicht nur war sie mit dieser Entwicklung der Dinge nicht einverstanden, auch wenn es vielleicht im Moment den Anschein hatte, als bliebe wirklich nichts anderes übrig, als müsste Harry auf Jeff Rebounds Vorschlag eingehen, denn obwohl die Lichtschranken zerstört waren, so gestattete man Harry dennoch eine Art Bewährung. In seinem guten Glauben war er sicher, dass Jeff sein Wort halten würde. Und einmal als Leiter der Firma präsentiert, stünde Harry im Rampenlicht und damit jederzeit so eindeutig auf der Abschussliste, dass er, auch nach Durchgehen der vielleicht rechtzeitig wieder aufgebauten Lichtschranken, nicht einfach sagen konnte: „So, macht’s gut, das war’s!“ Und genau das hatte Paula als Abschied zu Harry gesagt. Und er war viel zu gefangen in seinen organisatorischen Aufbauarbeiten, als dass er noch die Kraft aufgebracht hätte, ihr zu widersprechen. Paula ging. Sie hatte sich für diesen Mann in größte Gefahren begeben, immer in der Hoffnung, das alles hätte ein Ende. Und was machte Harry? Genau das Gegenteil. Kein Ende, sondern ein Anfang. Ein Neubeginn. Und es schien ihm das Unumgänglichste der Welt, dass er gefangen war in diesem Zyklus der nicht enden wollenden Verpflichtungen. Nur wenig Zeit verwendete Paula auf Versuche, Harry vom Gegenteil zu überzeugen. Wenn mit Harry leben, dann nicht so. Dann mit ihm lieber gar nicht. So!? Frauen sind also inkonsequent, ja? Und was waren dann Männer? Genau. Wichtig Unersetzbar. Selber Schuld, dachte Paula. Sie schaute aus dem Fenster, dem kleinen runden Fenster eines Flugzeugs das im Begriff war das aufpeitschende Meer zu überqueren. Eine Gegend von Wasser und Fluten, für die Menschen nicht geschaffen sind, in der sie niemals existieren könnten, keinen Raum fänden um doch nur wieder ihre kleinen unwichtigen Spielchen zu spielen. Ihre Spielchen von Neid, Selbstbetrug und ihrem begrenzten Denken das gerade noch bis an‘s Ende eines Monats reichte. Wie armselig das doch alles war. Und es genügte schon völlig, dass man das nicht mitmachte. Mehr brauchte es nicht, um dem zu entkommen. Die Sonne ließ die unendlichen Tropfen des Meeres flimmern wie Diamanten auf einem seidenen, blauen Tuch und jede Sekunde dieses Anblicks schenkte ihr mehr, als erschöpfende Diskussionen mit diesem Tölpel. Dieses Meer würde sie für immer von ihm trennen, und sie wollte noch weiter, weiter zu den Elementen, in denen sie die schönsten Minuten ihres Lebens verbracht hatte, ausgerechnet mit diesem Harry. Selber Schuld, dachte Paula, selber schuld.