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66. Kapitel – Der Hase

Jeff Rebound, ohne es zu wissen, bewunderte ebenfalls gerade diese Elemente, zu denen Paula sich auf den Weg machte. Zur gleichen Zeit saß Jeff Rebound vor einer riesigen Sanduhr. `Ihr kleinen Körnchen´, dachte er sich, `ihr rieselt und rieselt. Nur für mich und nur ich bin es, der euer Rieseln wirklich zu schätzen weiß´. Seine Lieblings-Taschenklappuhr war für ihn durch seine Bewegungseinschränkungen in weite Ferne gerückt. Wie gerne hätte er wieder an diesen kleinen Rädchen gespielt, den Deckel auf und zu schnappen lassen, einfach nur, um sich zu vergewissern, dass dieses komplizierte kleine Gerät, geschaffen für ihn, von Meisterhand, unumstößlich allen Geschehens auf dieser Welt, funktionierte, verlässlich, genau und dazu noch wundervoll anzusehen. Aber im Moment tat es auch diese schöne Sanduhr. Jeff Rebound war in seinem Ansehen keineswegs geschädigt. Genüsslich ließ er sich die Zeitungsartikel vorlesen, in denen sein Name noch immer einen Klang hatte, auch wenn es der Klang eines verschollen geglaubten war, ein Name der Erinnerung; der Historie. Aber vielleicht war gerade das der Trick. Einmal gegangen, verzieh einem die Nachwelt vieles. Lediglich physisch war er noch nicht auf der Höhe, aber das wollten sie später in Angriff nehmen, so lange sein Zustand sich jetzt nicht verschlimmerte. Er wurde geheim gehalten Und machte er wirklich die beabsichtigten großen gesundheitlichen Fortschritte, dann konnten sie ihn zum richtigen Zeitpunkt wieder auftreten lassen. Der Öffentlichkeit präsentieren. Aus dem Hut zaubern, wie einen Hasen. Im Moment saß dieser Hase aber noch in Wartestellung. Trotz seiner physischen Einschränkungen die Ausgeglichenheit in Person. Das konnte Harry von sich nicht gerade behaupten. Wieder einmal wollte er sich eines Morgens einfinden um über den neuesten Stand zu berichten. Doch sein Chauffeur fuhr ihn statt auf das Gelände der Pyramide zu einem unscheinbaren, aber großen Container am Rande des großen Platzes, auf dem das neue Gebäude der Firma Rebound Effect errichtet werden sollte, jetzt war hier eine riesige Baustelle. Harry schritt auf den Container zu, bemerkte wie der Bausand seine schwarzen Schuhe bestäubte und trat ein. Eine bedrohliche 8 prangte ihm entgegen. Gespannt lächelte ihn Jeff an, aber er war nicht alleine. Und? Wann geht der Bau los? Darf ich dabei sein? Ich kann es kaum erwarten alles von Anfang an mitzuerleben.“ Der hatte Nerven, stöhnte Harry. Wie sollte man in so kurzer Zeit einen Neubau hochziehen von solcher Komplexität? Nur dem rastlosen Arbeiten aller war es zu verdanken, dass überhaupt schon die Pläne fertiggestellt waren. Eigens zu diesem Zwecke hatte man einen Architekten aus der Pyramide kommen lassen, der nun neben Jeff Rebound stand und dessen etwas unkonventionelles Äußeres im ersten Moment nicht gerade viel Vertrauen einflößte. Der Mann war nicht nur wohlbeleibt und in seinem Creme-farbenen Stolaumhang machte er eher einen flatterhaften Ein-druck, sondern darüber hinaus zierten seine kurzgeschorene Kopffrisur mit langen daran herabhängenden Locken allerlei kleine, verwickelte Lämpchen, die abwechselnd aufblinkten, als wollten sie an diesem Kopf die erneute Ankunft einer großartigen Idee verkünden. Hinter den Ohren und in den Halsfalten an den besagten Haarteilen ebenfalls, hingen ihm Unmengen von Filz- Faser-und Bleistiften herab, so dass in seinem unendlichen Redeschwall stets ein zeichentechnisches Gerät zu seiner Hilfe in der Nähe baumelte. Darüber hinaus war der Mann auch noch unsäglich schief gewachsen, was sich durch die zahlreichen Begehungen seiner gewölbehaften Bauten und rondalen Zissoide, einer seiner beifallsheischenden Lieblingsformen, erklärte. Die Zeichnung des Reboundgebäudes bestand aus zwei aneinander gelegten großen Blättern, von denen das obere eine fein aufgegliederte Kuppelform wiedergab und das untere nichts, ein leeres Blatt. Zunächst aber erklärte dieser Architekt in einer leisen, sehr flachen Sprache, begleitet von einem ständigen Zischen, mit dafür umso lauteren Zwischenatmern in den Satzpausen das obere Blatt: Harry würde sein Chefbüro im höchsten Stockwerk beziehen. Es nahm fast drei Viertel der Etage ein, denn gleich- zeitig sollten in seinem Büro auch die 12-er-Sitzungen stattfinden, so dass er sich nicht für eine Besprechung oder Information erst in ein anderes Zimmer begeben musste. Wer immer etwas mit Harry besprechen oder entscheiden wollte, Harry war schon da. Ein weiterer Grund für dieses großräumige Zimmer war Jeff Rebound. Sie würden ihn in genau diesem Raum hinter einem Vorhang aufstellen, hinter Harrys großem Chefsessel. „Sss isst gar keine Kuppel.“ zischte der Architekt. „Kuppeln bedeutet zwei gleichartige Bauteile durch ein gemeinsames zu verbinden, etwa zwei Säulen, die ein Gebälk über sich halten. Uns erschien solch Verzierung zu abgegriffen für ein völlig neues Bauwerk. Außerdem waren die ersten entstandenen Kuppeln kretisch-mykenische Grab Kuppeln. Wir hielten diese Verbindung nun doch für zu geschmacklos. Auch die römischen Thermen, für die der Kuppelbau eine große Bedeutung hatte, sind als Assoziation zu ausufernder Macht für einen Firmenboss heutigen Formats viel zu rotzig. Bedenken Sie, meine Herren, dass die Welt auf Sie beide ein Auge hat und wenn sich der alte und vielleicht bald neue Herr Rebound schon wieder so einen Palast dahinzaubern lässt, findet dies wohl kaum das Wohlwollen der Öffentlichkeit.“ Jeff nickt zustimmend. Harry bekam müde Augen. „Zweifelsohne sind die Variationsmöglichkeiten von der Halbkugelkuppel, Zwiebelkuppel und unzähligen mehr, fast grenzenlos. Eine Spitzuppel wie sie im Dom von Florenz entstand, zu Zeiten der byzantinischen Baukunst im 15. Jahrhundert, gewänne schnell den Beigeschmack eines billigen Abklatschs. Ein Gewölbe kann aus einer Schale bestehen, die alles trägt. Und so machen auch wir es. Einzelne, die Tragfähigkeit unterstützende Rippen, lassen sich schon vorher mit einarbeiten. Die verzierende Unterstützung aus den gotischen Bauzeiten des 12. Jahrhunderts schien uns zu verspielt. Deshalb wird unsere planetarische Dachkonstruktion ein fast flächendeckendes Gewölbe werden “, reglos und mit abrupt verstummt stand der krumme Architekt im Raum, als hätte ihm einer den Stecker gezogen. Als die Pause immer länger wurde und man auch nicht ein einziges Augenrollen an diesem Mann erkennen konnte, wollte Harry gerade etwas in die unheimliche Stille einwerfen, da: „Gewölbe bestanden schon immer aus Backstein oder Natur-stein. Stein um Stein wurden in Bögen aneinander gesetzt, auf einen Mittelpunkt hinzu an der Decke. Beton bestand zumeist aus Sand-Kies-Zement und ist ein Gussgestein wie dieser Name aus dem französischen schon sagt, das in eine Schalung gegossen wird, bereits den Römern bekannt als Opus incertum, Vitruv weiß schon 23 vor Christus davon zu berichten. Sie gossen den Beton zwischen zwei Platten oder Mauern aus Ziegeln. Beton lässt sich in jede nur denkbare Form gießen, vorausgesetzt man beachtet die Zugbelastung, Spannbeton ist noch höher belastbar. Aber wenn man eine Wölbung erzeugen will sind all diese Arten sehr rissanfällig. Mit dem Untergang der Römer geriet auch der Beton in Vergessenheit. Später entwickelte man ein vorgefertigtes Baumaterial, den Zement, als weißes Pulver heute jedem ein Begriff, Aber was heißt später? Sogar viel später, erst 1844. Es folgte die Weiterentwicklung zu Stahlbeton. Bis dahin war die einzige Massivüberdeckung von Räumen das Gewölbe. Nichts wog schwerer und schon die Ägypter wussten das. Dem Beton wurde ein Gitternetz beigefügt, die sogenannte Armierung. Nach Zement und Stahlbeton folgte 1904 endlich der Spannbeton, nun wurde noch während der Trockenphase des Betons die metallene Armierung in die gewünschte Form gebracht. In einer Mischung aus Bedenken und Wohlwollen haben wir uns diesen lustigen Experimenten untergeordnet und, meine Herren, sind zu einem corbussier`schen Entschluss gekommen. Für das Gewölbe im obersten Stockwerk verwenden wir keinen Beton, auch keinen Stahl, sondern wir entwarfen ein Gewölbe nur aus Glas. Der freie Blick auf die Gestirne bürgt zwar einige konstruktionsbedingte Schwierigkeiten für dieses allumspannende Glasgewölbe, die wir...“ er grinste verlegen und kicherte in sich hinein. „...längst gelöst haben.“ Und nach einer langatmigen Pause. „Der Ursprung des römischen und abendländischen Wölbens...“ wieder hielt er ganz plötzlich inne. Dann machte Jeff dem Ganzen ein Ende; mit einem grunzenden „Nun gut!“ und befreite so auch Harry, keiner von beiden konnte schließlich ahnen, wie lange dieser Architekt sonst noch weiter machen würde. Das dumme war nur, er machte einfach weiter: „Glas!" kratzte er dieses Wort in den Raum, dass es Jeff und Harry durchfuhr, als hätte er etwas unanständiges gesagt. „Gerade von der Fläche eines so überbordenden Ausmaßes hat die unartige Eigenschaft sich im Sommer zu erhitzen und im Winter die Kälte hinein zu lassen. Genau, wie man es nicht wünscht. Wir haben uns also ein Winter-und ein Sommerglas in einem erdacht. Kleinste Partikelchen in der Gewölbeform des Glasdachs lassen in die eine Richtung Kühle hindurch in die andere bauen sie einen anhaltenden Wärmestau auf. Je nach Wunsch kann man sie, wie bei einem Lichtschalter nun in der gewünschten Position belassen oder auf Knopfdruck eine Million kleinster Scheibchen drehen. Wird Wärme in den Raum hineingelassen., erhitzt sich das Glas so sehr, dass man sogar eine Heizminderung und damit hohe Kostenersparnis als Zusatz erhält.“ Jeff und Harry hörten gespannt hin. Sehr schön, nickten sie sich zu. Aber bisher war immer nur von dieser Kuppel die Rede, die nun plötzlich keine Kuppel mehr sein wollte und von dieser fünften Etage. Wie sollte der Bau denn nun aussehen? Harry fragte: „Und der Rest? Der untere Bereich? Die vier noch fehlenden Stockwerke der Mitarbeiter?“ Der Architekt beugte sich nach vorne und schien dabei sein Rückgrat auszufahren um den Kopf abzuwerfen, schnappte nach einem seiner Filzschreiber aus der rechten Halsfalte und malte vier Striche von der `Kuppel´ des oberen Blattes nach unten. Dann verband er die vier Striche in einer Ellipse und hauchte ein schwächliches „Ja, das wäre dann wohl alles.“ Als er sein Zeug zusammenpacken und gehen wollte, rief Jeff „Halt!“ Der Architekt, schon an der Tür, drehte sich noch einmal um und entließ ein ungeduldiges „ Was ist denn noch? Wollen Sie nun, dass wir rechtzeitig fertig werden oder nicht?“ Jeff fragte nur. „ Wenn ich es richtig verstanden habe, baut ihr da oben alles fertig und unten nur vier Füße dran? Für ein mehrere Stockwerke hohes Haus ist das aber sehr merkwürdig.“ Wenn er erwartet hatte darauf eine Antwort zu bekommen, so musste er jetzt feststellen, dass der gekrümmte Architekt sich lediglich einmal kurz in einer Welle von oben nach unten durch seinen Körper hindurch sortierte und dann den Raum verließ. „Naja“, machte Jeff etwas ermattet, als der Mann endlich draußen war. „Sind schon merkwürdig diese Pyramidenjungs. Vielleicht bauen sie das Haus ja wirklich von oben nach unten. Eine etwas eigenartige Methode. Egal!“ er wandte sich wieder Harry zu. „Jedenfalls, mein Lieber, öh, Jetzt habe ich eine Überraschung für dich. Wie du siehst, bin ich kurzerhand umgezogen, natürlich streng bewacht und unbemerkt. Das hat einen ganz einfachen Grund. Von hier aus kann ich alles schön beobachten. Und...“ Jeff drückte auf einem seiner provisorischen Ruf-knöpfe herum, wie er es schon früher immer so gerne getan hatte. Und etwas sehr eigenartiges geschah an diesem Morgen. Die Tür ging auf und noch ehe Harry reagieren konnte stand der angeblich getürmte Dr. Detreu in der provisorischen Behausung von Jeff Rebound und eröffnete Harry für den guten Jeff einen diagnostischen Montagvormittag. Diese Montagvormittage, dachte Harry, haben es wirklich in sich. Detreu hatte Rebound zunächst nur optisch in Augenschein nehmen können und percussiv durch Abtasten. Dann musste der die üblichen medizinischen Untersuchungen über sich ergehen lassen. Erschwerend kam hinzu, dass er seine Arme nur ein wenig und seinen Unterkörper überhaupt nicht bewegen konnte. Harry sah Rebound den ganzen Vormittag nicht mehr und konnte so weitere Vorstellungsgespräche für die zu vergebenden Positionen abhalten. Bei allen anderen Belangen sollte Jeff Rebound später geheim hinter dem Vorhang zugegen sein, aber Vorstellungs-gespräche, wusste Harry, das kann ich. Nun saßen sie ihm gemeinsam gegenüber. Detreu, der Arzt mit den anerkannt großen Fähigkeiten und sein ehemaliger Boss, also genau wieder das gleiche Gespann das Harry vor dem Firmen-zusammenbruch so viele Schwierigkeiten bereitet hatte. Und nun sollten sie alle drei gemeinsam zusammenarbeiten? Schwer vorstellbar. Und was machten die beiden? Sie schienen eher belustigt, offensichtlich gerade weil die Zeit immer knapper wurde. Das makabre Duo hatte fröhliche Scherze auf den Lippen wie `Ohne Gebäude auch keine Lichtschranken´ oder `was man im Kopf hat, sollte man auch nutzen´. Der Aufbau des neuen Firmengebäudes begann. Tag und Nacht arbeiteten sie. Die Bereitschaft der Bewohner der Pyramide war dabei von fast gespenstischem Ausmaß, denn sie schienen ganz andere Methoden zu kennen – schneller – effektiver – eben all diese Worte, mit denen sich Jeff Rebound schon morgens die Zähne putzte. Aber im Moment konnte er nicht einmal das ohne fremde Hilfe bewerkstelligen. Von seinem Container aus beobachtete er, wie der Bau Fortschritte machte. Das bereitete ihm so viel Vergnügen, dass es ihn etwas entschädigte. Eine gelungene Ablenkung über die Schwierigkeiten hinaus, der kleinen täglich zu verrichtenden Dinge. Es war wirklich erstaunlich. Harry kam aus dem Kopf-schütteln kaum noch heraus. Unendliche Details wurden bedacht und was ging, installierten sie sofort. Der Fertigbau vollzog sich von oben nach unten, so konnte man vor dem Platz der großen langen Straße die auf dieses Gebäude wieder hinführte wie es früher der Fall gewesen war nun eine Art freistehendes, über-dimensionales Puppenhaus mit Etagen erkennen durch die man hindurch sehen konnte. Nach zwei Tagen war das gesamte Gerüst erstellt. Die eigentliche, oberste Etage, eine riesige, fast orchestrale Kuppel mit Glasumspannungen wurde in einem fertigen Stück einfach oben drauf gesetzt, wie der Deckel einer Kaffeekanne. Fertig war die Chefetage. Als Harry einen Rund-gang durch die unteren Etagen machte, freute er sich über die Schnelligkeit des Wiederaufbaus. Tatsächlich bestanden die einzelnen Stockwerke zuerst nur aus Verstrebungen, was aber niemanden daran hinderte, bereits wieder einfache Büroarbeiten aufnehmen zu lassen und obwohl überall noch fieberhaft eingerichtet wurde, Möbel hin-und-her geschoben, Teppiche eingezogen und Namensschilder angebracht, so war die Struktur dieser Firma schon wieder deutlich zu erkennen. Und mit den Konstruktionsvorschlägen der Architekten aus der Pyramide bekam das Innere des Gebäudes ein noch praktischeres und offeneres Gesicht. Allein das Problem Türklinken, in denen sich Bloke schon damals mit seinen Ärmeln verheddert hatte, wurde nun ein für alle Mal geklärt. Türknaufe mit exakt ausgerechneter Rückschwingung für den Selbstverschluss-Mechanismus nach Einschwenken der Tür, so dass das lästige Schließen er Hand entfiel. Ebenso die Belastung künstlicher Raumausleuchtung. Die Glühbirne gab es immerhin schon seit 1878, bis ein Jahr später auch ein gewisser Edison sie patentieren ließ. Aber in Büroräumen mit kaltem Neon war dieses Licht längst zu einer Plage geworden. Hinweg mit diesem Kopfschmerz verursachenden Kunstlicht. Prismen, kleine Pyramiden, würden an den Fensterseiten angebracht, um das Licht zu brechen und eine Sonnenblendung zu vermeiden, des weiteren verstellbare Lamellen, zur Lenkung der Sonnenstrahlen und Vermeidung unnötigen Lampengebrauchs hinter herunter gelassenen Jalousien. Sie hatten auf die Dioptrinmesswerte der Anwesenden eines Raumes abgestimmte Sensoren entwickelt, die die künstliche Raumausleuchtung je nach Zahl der Anwesenden fast unmerklich verändern konnte, aber nie zu überanstrengender Überhelle oder Verdunkelung führte. Ach ja, das Raumlicht. Wärmere Lichtfarben waren sehr beliebt, da sie Gesichter gut aussehen lassen. Die Einrichtung, alles um einen herum wirkt behaglicher. Die Lichtfarbe stellte sich als sehr entscheidend heraus. Ist die Farbtemperatur höher, erscheint das Licht weißer, es musste also auf ein indirektes Licht zurückgegriffen werden. Sie entschieden sich deshalb für eine Angleichung an das normale Tageslicht durch veränderbare Substanzen. Plasmalampen war das Zauberwort. Viele der Neuerungen verlangten die uneingeschränkte Mitarbeit derjenigen, die täglich mit den Neuerungen Umgang hatten, der Angestellten. Während die einen stolz waren als erste an ihrem Arbeitsplatz zu erscheinen, noch vor den anderen, die erst bei vollständiger Fertigstellung dazukommen durften, entstand bei diesen wiederum ein anderes Gefühl der Wichtigkeit. Sie wurden etlichen Tests unterzogen um die Neuerungen genau auf sie abstimmen zu können. Stolz erzählte jeder jedem der es hören wollte, was doch alles für einen getan wurde, bevor man überhaupt anfangen konnte seinen Arbeitsplatz einzunehmen und gerade dieses Interesse am Wohlbefinden jedes einzelnen war es, für das jeder gerne kleine Opfer brachte. Unangenehme medizinische Ausleuchtungen, Druck-und Belastungsmessungen, Toleranzwerte zu den verschiedenen Tageszeiten aber auch scheinbar einfache Frage-und Auswahl-spielchen war jeder bereit über sich ergehen zu lassen. In einigen Testräumen wurden einfache Bestecksorten aufgereiht. Jeder sollte nun wählen, was ihn am meisten anspräche. Es stellte sich heraus, dass der Großteil bei der Wahl von Küchenmessern für solche mit holzfarbenen Griffen lädierte. Holz ließ sich leicht übersetzen mit natürlich, also lebensbejahend. Interessanter-weise überwogen bei den Kaffeekannen dagegen die künstlichen Materialien und runde, bauchige Formen. Hier schien Porzellan oder Töpfernähe signalisierender Ton vollkommen aus der Mode geraten. `Hm´, machte Detreu immer wieder und hmm-te sich so durch die Testreihen. Und selbstverständlich wurden die eigentlichen Streitpunkte an einem Arbeitsplatz, das Lüften von Fenstern und `wer denn nun schon wieder den Kaffeefilter vergessen hatte weg zu werfen´, genau diese kleinen, aber den Arbeitsalltag bestimmenden Dinge, nicht auch noch angegangen, denn nichts ist unkreativer als eine perfekte Umgebung, ohne Ecken und Kanten, nichts die Bereitschaft schmälernder, als dass man keine Ausreden für seine tagesformbedingten Hochs und Tiefs hatte Die Zusammenarbeit. mit der Pyramide entwickelte sich fast zu einem Parallelen Wettrennen. War etwas in dem Gebäude neu installiert, musste auch etwas neues für Jeff konstruiert werden, denn natürlich galten für ihn nur Sonderanfertigungen. Erhielten die Fenster Raum-und Außenluftregulatoren, legte man Jeff verschämt ein Spray für den Rachenraum auf den Nachttisch. Wurden die Stühle in der Firma auf die Körpergröße-und Fülle jedes einzelnen abgestimmt, reichte Jeff sein behelfsmäßiges Fauteuil plötzlich auch nicht mehr aus. Erhielten die Flure schmutzabweisende und rutsch-un-gefährdende Noppen mussten auch Spezialschuhe für Jeff her, obwohl der doch nicht einmal laufen konnte, geschweige denn aufstehen. Aber, wie Detreu betonte, Fernziele des Genesenden fördern das Erreichen der Nahziele. Die freistehenden Büros begannen bereits wieder zu arbeiten: Computer neben Bohrmaschinen, Telefonate neben Hämmer-arbeiten und als der große Vorhang geliefert wurde, zog als erster in die oberste und fünfte Etage niemand geringeres ein, als Jeff Rebound Gefolgt von Harry. Ach ja, Bloke. Harrys Freund aus alten Zeiten. Man konnte es sich schon fast denken. Ihm überließ Harry großzügig die Entscheidung was er machen wollte, so als ob Harry, wie Paula es vor ihrer Abreise noch formulierte, hier überhaupt irgendetwas zu sagen hätte, was immer sie damit meinte. Und Bloke entschied sich für den Verbleib auf dem Gelände der Pyramide. Diese Rhythmen, diese Musik, das alles wollte er noch besser kennenlernen, im Moment allerdings war Bloke selbst für Harry nicht ansprechbar, denn er hatte eine leichte Grippe, nichts schlimmes, nur so etwas wie einen kleinen Virus. Gegen Mittag kamen Detreu und Rebound wieder zurück. Besser gesagt Detreu schob seinen etwas unwirschen Rollstuhlpatienten vor sich her. Rebound sollte nun regelmäßig eine bestimmte Medikation erhalten und viele weitere `fürsorgliche´ Neuerungen. Detreu erklärte es beiden: „Wir haben keine Schädigung am Rückenmark feststellen können. Möglich, dass hier eine psychische Ursache vorliegt. Auch wissen wir nicht, was dieses Beben dieses Fluggeräts auf Menschen wirklich verursachen kann. Folgenden Vorschlag habe ich zu unterbreiten und Jeff kennt ihn bereits, ich wiederhole ihn aber für Sie beide jetzt noch einmal! Wir werden Jeff in eine Art Gittergestell aufstellen, genau gesagt, wir bauen ein Gittergestell auf, in das wir ihn hineinsetzen oder hängen. Er muss viel Gymnastik bekommen. Harry, lassen Sie sich dadurch nicht stören, dass täglich mehrere Stunden in bestimmten Einheiten jemand vorbeikommt und die Muskulatur von Jeff durchbewegen muss, sogenannte isometrische Übungen. Das heißt, die Muskulatur und Gelenke werden zwar beansprucht, aber ohne Kraftanstrengung ihres Besitzers. Das verhindert, dass sich Gelenke versteifen, die Sehnen ohne Belastung verkürzen und die Muskulatur zu weit zurückgeht, um es mal so unkonventionell auszudrücken. Witzig, nicht wahr? Stellen Sie sich das mal vor: Muskulatur, die zurückgeht. Die Leute reden schon komisch. Aber, interessanterweise, ist es das was sie verstehen. Mit Atrophie kann da ja keiner was anfangen, außer natürlich unser guter Jeff. Gott sei Dank sind seine geistigen Kräfte und Fähigkeiten unbeeinflusst geblieben. Für die Augen werde ich spezielle Kontaktlinsen kommen lassen.“ „Bitte?“ fragte Harry. „Ich habe gar nicht bemerkt, dass Jeff schlecht sehen kann.“ Detreu konterte. „Kann er ja auch nicht. Er sieht sogar ganz hervorragend. Warten Sie’s ab. Ich zeige Ihnen dann wie man sie einsetzt.“ Harry sah ihn ungläubig an. Einsetzen? Ich? Der stellt sich das so einfach vor. Er ist Arzt, für ihn ist es das einfachste der Welt. Aber ich? Ich kann doch nicht an den Tränensäcken dieses Mannes herum manipulieren? Detreu überging solche Bedenken glatt, er verließ sich auf seine Erfahrung, und die hieß, dass viele am Anfang sich so etwas nicht zutrauten. Angehörige weigerten sich sogar oft, ihrem Vater oder ihrer Mutter die Haare zu waschen oder das Essen zu reichen. Aber mit der Zeit ging es. Siemussten nur einen bestimmten Punkt überschreiten. Auch Harry würde das schon schaffen. So kam Detreu, gerade in Bezug auf die Augensehhilfen langsam zum Ende. „Wir haben da noch ein paar niedliche Gags im Labor, eine längere Versuchsreihe ist allerdings unvermeidbar.“ Rebound schnaubte etwas. „Ach ja“, fühlte sich Detreu erinnert. „Ein kleines Problem gibt es noch: Die Atmung. Hier ist eine einfache Absaugvorrichtung sehr hilfreich. Aber keine Angst, Harry, wir schicken jemanden vorbei, der sich regelmäßig darum kümmert. Das Theater mit diesen vielen Schläuchen müssen Sie nun wirklich nicht auch noch erlernen. Sollte Jeff tatsächlich die zu erwartenden Fortschritte machen ist diese Vorrichtung wohl nur von kurzer Dauer. Und noch eins. Die fehlende linke Hand wird zunächst durch eine Prothese ersetzt, aber wenn Sie das im Moment nicht wollen, Jeff, wie Sie es vorhin andeuteten, so ist es in diesen vier Wänden ja auch nicht unbedingt notwendig, hätte lediglich seine ästhetischen Beweggründe.“ Jeff Rebound wirkte gefasst, fast regungslos hatte er den Erläuterungen Detreu `s zugehört. Harry war immer noch hauptsächlich damit beschäftigt, sich auf seine neue Aufgabe vorzubereiten. Das Auftauchen von Detreu erhöhte auch die Chancen, dass sich die Lichtschranken nun wieder aufbauen ließen. Denn merkwürdigerweise, waren die Lichtschranken wohl für Detreu gar nicht so das entscheidende Thema, obwohl doch Tausende von Mitarbeitern mit davon betroffen waren. Merkwürdigerweise war das Hauptthema jetzt erst einmal Jeff Rebound. Und wie dieser Rebound so dasaß, kam er Harry fast etwas gruselig vor und so fragte er, auch wenn es vielleicht etwas vermessen war: „Meinen Sie damit, Detreu, dass Jeff auch über Nacht hier bleibt?“ „Rund um die Uhr, jawohl. Bis die Genesung so weit fortgeschritten ist, dass wir weitere Verbesserungen wagen können. Aber das...“ und er drehte sich leicht, aber milde lächelnd, zu dem zuhörenden Mann im Rollstuhl um, „...ist im Moment noch Zukunftsmusik. Es ist nicht meine Aufgabe, unnötig Hoffnung zu wecken. Wir wollen uns zunächst mit kleinen Zielen begnügen, also auch mit kleinen Schritten. „Ich!“ schnaubte Rebound. Und auf Detreus etwas pikiertes Anheben seines Kinns hin: „`Wir´ sagen die Ärzte doch immer nur zu ihren Patienten, aber es geht ja wohl hier um mich, Detreu, oder sitzen `wir´ vielleicht beide in diesem Stuhl?“ Detreu näherte sich ihm, legte die rechte Hand, in den Knien etwas einfedernd, auf die Stuhllehne und antwortete ruhig: „In diesem Falle, mein lieber, meine ich wirklich...`wir´!“ Am nächsten Morgen begannen Harry und Jeff bereits alles durchzukauen. Was immer passieren sollte, bläute ihm der Dicke ein: Jede gefällte Entscheidung ist auch revidierbar, kein Problem, aber Harry sollte lieber einfache Ausdrücke wählen, wie: `Rückgängig zu machen´. Revidierbar klingt zu sehr nach `regierbar´. Und bei schlechter Akustik verstünden womöglich einige nur noch etwas von einem `Zahlungshochsitz für Spätheimkehrer´. „Was?“ fragte Harry. „Na,...`Bierbar´ und es heißt nicht `was´, sondern `bitte? ´. Immer bitte sagen. Nie sagen `ich hau dir in die Fresse´, sondern immer fragen `Bitte? ´ „Lassen wir das, Harry. Im Moment jedenfalls hast du einen großen Vertrauensvorschuss, denn es warst ja du, der dafür gesorgt hat, dass alle wieder ihre alte Arbeit bekamen, wenn auch zu etwas veränderten Bedingungen. Nun gut, sie erhalten etwas weniger Geld, aber zu den Tricks dass es ihnen nicht auffällt kommen wir später. Und außerdem“, er sagte es fast beiläufig, ganz leicht, die Worte hüpften wie ein unbeschwertes Reh. „Sie leben ja jetzt auch wieder länger.“ Sein kindliches Grinsen, das Baby-Gesicht, zeigte deutlich: Er hatte sich fest vorgenommen, dass es beiden auch Spaß machen sollte. „Ach ja, Harry. Die offizielle Annullierung der steckbrieflichen Suchaktionen deinerseits entbindet dich natürlich nicht von deinem Posten. Wie gesagt. Es ist ein `Deal´ und du wirst sehen, wir werden diese Firma wieder aufbauen, wundervoll groß und wundervoll schnell und, Harry, du wirst schon sehr bald Gefallen daran finden. Es wird eine wahre Freude sein, mit zu erleben, wie etwas entsteht, wächst, man einmal erreichten Standard halten kann, oh ich freue mich schon darauf. So habe ich es mir immer gewünscht. Und deine Freunde von der Pyramide werden wir noch richtig für diese Sache begeistern und sie dann jederzeit für kleine Verbesserungen gewinnen.“ „Und wenn sie nicht wollen?“ Rebound schüttelte grinsend, aber schmerzverzerrt den Kopf: „Wollen? Sie werden wollen müssen. Auch dafür habe ich schon eine Lösung!“ In der ersten offiziellen 12-er Sitzung, von Presse und Öffentlichkeit mit großer Spannung erwartet, erschienen auch einige Regierungsmitglieder. Während der geheim gehaltene Jeff Rebound hinter seinem Vorhang gespannt wie ein kleines Kind mithörte, wurde Harry als neuer Boss der Firma Rebound Effect vereidigt, eine Vertragsunterzeichnung mit großem Tomtös und Tara folgte und die geladenen Gäste wurden darüber in Kenntnis gesetzt, wie der neue Mitarbeiterstab der leitenden Abteilungs-manager auszusehen habe, den ganzen Tag brauchten sie dafür. Ein genaues Konzept wurde als bald versprochen, Reden wurden geschwungen und auch Harry musste sich als Redner beweisen und brachte gleich einen Vorschlag ein, dass er für die Zukunft gerichtet, Geschäftsgebäude sowieso als überflüssig betrachte „Warum,...?“ so fragte er die erstaunten Gesichter „soll ein Mitarbeiter der Firma Rebound Effect seinen Weg zur Arbeit so weit gehen? Genügt es nicht, dass er morgens aufsteht und schon da ist? Wir werden sehen “ Auch der anhaltende Applaus für diese etwas blauäugige Vorstellung signalisierte deutlich, dass alle froh waren, dass hier nicht in alten Gleisen gefahren wurde. Harry wirkte wie aus einem Guss, als er sich reden hörte, wie er es selbst kaum von sich vermutet hätte, und er war mit sich sehr zufrieden und fragte sich, was wohl dieser Jeff Rebound, die ganze Zeit der Sitzung über hinter seinem Vorhang hängend, nachher zu ihm sagen würde. Würde er voll des Lobes sein? Oder Harry sagen: `Du schwätzt zu viel ´ oder würde er vielleicht gar nichts sagen? Und die Reaktion von Jeff Rebound war so wie sie die nächsten Tage über sein würde, Abwarten. Abwarten. Wenn es von Herzen kommt, immer raus damit Harry. Sonst findest du nie deinen eigenen Stil, und das ist viel schlimmer, als Fehler zu machen. Denn der Mensch beurteilt nie die Taten, nie den Menschen. Und nur wer seinen eigenen Stil hat, bleibt auch in Erinnerung. Ein bisschen darf das ganze hier schon nach mir wirken, dem alten Rebound, aber nur ein bisschen, der alten Tage wegen. Bei den altbewährten Mitarbeitern löst so etwas immer sehr schnell schöne Erinnerungen aus, das wird dir behilflich sein, Harry. Denn eigentlich sagen sie immer, war es vorher irgendwie doch besser. Irgendwie. Keiner von denen weiß mehr was genau er damit meint.“ Rebound versuchte sich aufzurichten, aber auch das gelang ihm nur irgendwie. „Nimm dir ein Buch aus alten Zeiten Harry und du wirst es sehen. Sieh mal dort hinten, in dem Regal, hol das mal vor, hat mir dieser zerzauste Kerl aus der Pyramide gegeben, du weißt schon, der, der immer so staubig ist und den guten Tee kocht, der aus diesem verwinkelten Gebäude mit den vielen Türmen.“ Harry nahm das kleine Buch hervor und schlug es auf. „Lies vor!“ forderte ihn Rebound auf. Und Harry begann zu lesen. „Naja, hier steht...oh, ist ein Buch von 1928, ganz schön alt.“ „Ja weiter “, drängelte Rebound. Harry las irgendetwas vor, aber es war nicht ganz was Rebound hören wollte, also musste Harry noch einmal von vorne beginnen, mit dem ersten Kapitel und tatsächlich, da stand es: „Vorwort...“ „Quatsch!“ protestierte Rebound „Weiter!“ Harry setzte erneut an: „Vorwort: Wir leben in einer ewig hastenden Zeit. Ereignisse überstürzen sich.....“ Rebound nickte und lachte ihm fröhlich zu. „1928,.....1. Mai 1928. Witzig, was? So ist das. Die gleichen Worte wie heute, aber eine ganz andere Zeit. Verrückt, nicht wahr? Die Fotografie gibt’s ja auch erst seit - Moment mal, also, naja, so um 1883 jedenfalls hatte Van Gogh seine kreativste Phase, um 1916 malte Monet fröhlich in seinem Garten herum und war da nicht mal so einer? So ein, Darguerre, wenn ich mich recht erinnere? Aber da gab‘s wohl Krach mit diesem Talbot. Alles so um 1839 rum. Alles noch Schwarz-Weiß Und 1903 kam dann Lumiere und entwickelte den Dreifarbenprozess? Farbbilder 1903, nicht schlecht dafür, dass es überall noch Kaiserreiche gab. Da hatten nur wenige ein Auto, der Normalfall waren Pferdekutschen. Aber die Zeiten wurden schon damals als hektisch und Schnelllebig empfunden. Und deshalb: Gib ihnen ein Gefühl, Harry. Das ist das was sie sich wirklich behalten. Das Gefühl. Sie wissen nicht mehr wie du aussiehst und was du gesagt hast, aber das Gefühl, dass es irgendwie gut war, das behalten sie sich, das bleibt.“ Naja, dachte Harry, soll er ruhig seine komischen, nichtssagenden Weisheiten ablassen. Hauptsache, die Stimmung ist gut. Es fing an richtig spannend zu werden und Harry wollte unbedingt die Eindrücke dieses wichtigen ersten Tages mit jemandem teilen, also rief er Susan an. Und, nun gut, es dauerte ein wenig, aber dann ließ sie sich doch überreden zu einem Abend im Armadillo-Club, wie er es sonst nur mit Paula gemacht hatte. Und vielleicht war später sogar noch ein kleiner Abstecher drin, ins vollkommen neu aufgebaute `Mind of Babe Laze´, dem Tanzclub mit dem beliebten Emblem, dem gähnenden Faultier.

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