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Acht

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Arnoult biß ein Stück von der Tartine ab, die ihm Madame Bousset auf einem Teller angerichtet hatte. Dazu trank er einen Schluck des inzwischen kalt gewordenen Tisane. Dann öffnete er die Reisetasche und entnahm ihr eine Jeans und ein blaues Sweatshirt. Arnoult kleidete sich an, wählte zum Schluß ein Paar Nike-Turnschuhe und schaute dann, mit sich und der Welt wieder zufrieden, in den Spiegel des wackligen Kleiderschranks. Sein eisgrauer Bart, das borstige grauschwarze Haar und die wettergegerbte Haut, mit den vielen Falten und Runzeln, ließen ihn wie einen Weltumsegler aussehen, wenn da nicht die Narbe gewesen wäre. Jetzt sah sie aus wie eine wachsbleiche Schlange, die auf seiner Stirn prangte und seinem Gesicht einen irritierenden, verletzlichen Ausdruck verlieh. Niemand käme auf die Idee, in dem Mann mit der Baseballkappe der Los Angeles Lakers, die er jetzt tief in die Stirn zog, damit sie das Wundmal verdeckte, einen Polizisten zu vermuten.

Arnoult ging mit ausladenden Schritten, die Hände in den Jeanstaschen versteckt, die Taschenlampe fest umklammert, pfeifend über den Place du Marché, eine enge Gasse hinunter und stand nach wenigen Augenblicken am Hafenbecken von St. Cyr. Zwei Ausflugsboote, die tagsüber die Touristen in die Calanques von Cassis und Bandol brachten, dümpelten träge auf dem blauschwarzen Wasser, in dem das Mondlicht glitzerte. Eine sanfte Brise wehte über dem Hafen, Passanten streiften ihre Wolljacken über und Arnoult zog die Lakerskappe noch tiefer ins Gesicht. Er blickt sich um. Von den Caféhausbesuchern, die lachend und scherzend an den Tischen direkt hinter der Mole saßen und die laue Nachtluft genossen, hatte er nichts zu befürchten. Er konnte die Petite Fleur mit blo-ßen Augen erkennen. Die Positionslampe einer Yacht, die mit leise tuckerndem Motor den Hafen verließ, beleuchtete den schlanken weißen Rumpf des Schiffes, das immer noch neben dem Kabinenkreuzer vor Anker lag. Arnoult ging mit festen Schritten eine Steintreppe hinunter, die ihn auf einen metallenen Gittersteg führte, der wie ein H geformt war und das Hafenbecken in vier Segmente aufteilte. Am äußersten nördlichen Rand war die Petite Fleur festgemacht. Zielstrebig lief Arnoult den Mittelsteg entlang, wobei seine Nikes keinerlei Geräusch verursachten. Als er sich dem Kabinenkreuzer näherte, hörte er, wie Musik aus dem Rumpf des Schiffes drang. Vorsichtig schlich er zu dem Boot und linste durch eines der Bullaugen. Eine Blondine mit üppigem Busen hatte ihre Beine um die Hüften eines grauhaarigen Seemannes geschlungen, dessen faltiger Hintern im Rhythmus der Musik auf und nieder hüpfte. Der Blondine schien das zu gefallen. Sie hatte die Augen geschlossen und krallte ihre rotlackierten Fingernägel in den Achtersteven des Mannes und half ihm dabei, nicht aus dem Takt zu kommen.

Arnoult grinste. Die beiden hatten noch jede Menge zu tun und würden ihn nicht stören, wenn er die Petite Fleur untersuchte. Behende wie eine Katze sprang er auf das Dach des Schiffes. Arnoult hatte Latexhandschuhe übergestreift, drehte an dem Türgriff zur Kajüte, und zu seiner Verwunderung sprang die Türe auf. Kalter Zigarettenhauch hing in der Luft. Arnoult knipste die Taschenlampe an und kletterte die Holzstiege hinunter. Rings um die mahagonigetäfelte Kajüte verlief eine gepolsterte Bank. Vor Kopf entdeckte Arnoult einen Gaskocher und eine Spüle mit einem Unterschrank. Auf der Marmorplatte eines kleinen Tisches standen vier Gläser, in denen noch die Reste des Champagners zu erkennen waren. Moët Chardonnay, die Flasche lag auf dem Tisch und zeigte in Richtung der Tür.

Wer da wohl gesessen hatte? Monique, die sich gerade ihres Slips entledigte? Neben der Tür war eine Ministereoanlage in einem Regal installiert. Auf dem Tapedeck stand ein Aschenbecher, der von Zigarettenkippen überquoll. Arnoult schaltete das Gerät ein. Als die Displays aufflammten, drückte er die Open Taste des CD-Players. Das Fach öffnete sich und eine silberne Scheibe mit dem Bolero von Ravel kam zum Vorschein.

Wie geschmacklos, sinnierte Arnoult, als er die CD wieder im Player verschwinden ließ. Arnoult schaltete das Gerät aus, verließ die Kajüte und zog die Tür sanft hinter sich ins Schloß.

Picasso sehen und sterben

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