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Vier

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Die Tür des Büros, das im Erdgeschoß des Westflügels der Villa lag, stand weit offen. Heroult winkte die beiden Polizisten herein, als er sie im Foyer erblickte. Er war hoch gewachsen, hatte eine sportliche, durchtrainierte Figur, war Anfang vierzig, braungebrannt und trug ein Polohemd zu einer Designerjeans. An seinem rechten Armgelenk glänzte eine goldene Rolex Submariner Date mit blauem Ziffernblatt. Heroult stand vor einem Stahlschrank, dem er einen Aktenordner entnommen hatte, in dem er blätterte. Er lächelte geschäftsmäßig, als er Arnoult und Roubaix Stühle vor seinem Schreibtisch und Getränke anbot.

Ein Schluck Wein, einen Pastis, Cognac, Cassis, was darf es sein?

Sind wir schon beim Aperitif, grinste Arnoult, als er an den angebotenen Cassis dachte, den Likör aus schwarzen Johannisbeeren aus der gleichnamigen Küstenstadt, die nur wenige Kilometer entfernt lag. Der Likör hatte sich in den letzten Jahren zu einem Exportschlager entwickelt, sodaß er inzwischen in ganz Frankreich kopiert wurde. Ganz zum Ärger Arnoults, der nur das Original trank, am liebsten nach einem guten Essen.

Er schwieg und musterte die Urkunden an den Wänden links und rechts des Schreibtisches. Trophäen aus längst vergangenen Zeiten. Goldmedaillen für den Rosé der Domaine St. Fleurie aus den Jahren 1954, ’59 und ’64. Zwei Silbermedaillen für den Rotwein aus den Siebzigern.

Nein danke, ich möchte nichts …, entschied Arnoult zerstreut, als er sich setzte. Er blickte zu Roubaix hinüber, dem man ansah, daß er einen Cognac gut vertragen konnte. Mein Name ist Arnoult, ich bin Kommissar beim Morddezernat in Marseille. Ich würde gerne wissen, wo sie sich in der letzten Nacht zwischen drei Uhr und fünf Uhr morgens aufgehalten haben. Das sagte ich Inspektor Roubaix bereits. Ich war zuerst im Clubhaus, später an Bord meiner Yacht Petite Fleur, die im Hafen von St. Cyr vor Anker liegt. Für beides gibt es Zeugen. Mademoiselle Clavine, eine Schauspielerin aus Paris, sowie mein Hausangestellter Patrique Bertrand und dessen Freundin Monique waren sowohl im Clubhaus als auch an Bord der Yacht.

Wußten sie, daß der Sicherungskasten im Keller an diesem Abend nicht verschlossen war?

Das ist mir neu …, erwiderte Heroult stirnrunzelnd. Ich habe eine Firma mit der Installation eines umfangreichen Sicherungssystems beauftragt, daß mich bis jetzt schon eine Stange Geld gekostet hat. Die Versicherungsgesellschaft hat darauf bestanden, bevor sie die Police für die Bilder in meiner Galerie ausgestellt hat.

Wer ist im Besitz der Schlüssel für den Kasten?

Lassen sie mich überlegen … da ist zunächst Monsieur Bertrand, dann die Firma selbst, schließlich habe ich selbst ein Exemplar, das ich hier in diesem Safe aufbewahre. Heroult deutete auf einen grauen Kasten, der unter den Urkunden an der Wand stand.

Und ist der Schlüssel dort noch vorhanden?

Da brauchen wir gar nicht nachzusehen, sagte Heroult mit fester Stimme, den habe ich, seitdem ich ihn bekommen und dort hingehängt habe, nicht mehr angerührt!

Kommissar Arnoult runzelte die Stirn. Sein Gesicht sah aus wie ein einziges Fragezeichen. Seine Narbe begann heftig zu zucken und er beschloß das Thema zu wechseln.

Wie ich hörte, ist ihr Vater kürzlich verstorben … mein herzliches Beileid … sind sie der Alleinerbe dieses Anwesens? Meines Erachtens schon, es gibt allerdings noch einen unehelichen Halbbruder, Monsieur Pirez, der zur Beerdigung meines Vaters aus Argentinien angereist ist. Aristide behauptet, daß ihm ein Teil des Erbes meines Vaters zusteht. Ich habe ihm ein Gästezimmer zur Verfügung gestellt. Er darf so lange dort bleiben, bis die Erbstreitigkeiten geschlichtet sind. Ich habe meinen Rechtsanwalt damit beauftragt …, erwiderte Heroult äußerlich gelassen, doch Arnoult spürte, daß ihn dieser Mitkonkurrent um das Erbe nicht kalt ließ.

Was haben sie bisher beruflich gemacht, Monsieur Heroult? Ich habe für meinen Vater die Geschäfte in Paris geführt. Wir betreiben einen international erfolgreichen Weinhandel. Mein Vater hat klugerweise vor zwanzig Jahren unsere Weinfelder verkauft und sich statt dessen ganz auf den Handel verlegt. Ich selbst habe einen Teil meines Privatvermögens in eine Filmproduktionsgesellschaft investiert, die abendfüllende Serien für verschiedene Sender produziert. Übrigens ein sehr lukratives Geschäft.

Mademoiselle … wie war doch gleich ihr Name?

Clavine, ergänzte Heroult.

Wo treffe ich sie an?

Françoise hat sich in ihr Hotelzimmer zurückgezogen. Diese schrecklichen Ereignisse haben sie sehr mitgenommen. Wir haben uns für heute abend so gegen acht im Yachtclub zum Essen verabredet.

Und das Kaninchen in der Casserolle, das Madame Bertrand vorbereitet? Roubaix zog erstaunt die Augenbrauen hoch. Das ist für Monsieur Pirez und seine Gattin. Heroult bemühte sich, nicht abschätzig zu klingen.

Gut, Monsieur Heroult, ich will sie nicht länger aufhalten. Trotzdem möchte ich sie bitten, St. Cyr in den nächsten Tagen nicht zu verlassen.

Stehe ich etwa unter Mordverdacht? lächelte Heroult süffisant.

Wie so ziemlich jeder hier in der Villa St. Fleurie. Arnoult verabschiedete sich mit einem Kopfnicken.

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