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Mut zur Wahrheit

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Stefanie ist glücklich verheiratet und hat mit ihrem Mann zwei Söhne. Aus einer früheren Beziehung hat sie eine Tochter. Der Vater zahlt Unterhalt für sein Kind, es gibt aber keinen Kontakt. Die Kleine ist inzwischen sieben und sagt Papa zu ihrem Stiefvater. Der behandelt sie wie seine eigenen Kinder. Sie weiß nichts von ihrem leiblichen Vater. Stefanie will das nicht, denn er hat sie damals im Stich gelassen, als sie schwanger wurde, und nie nach seinem Kind gefragt. Außerdem fürchtet sie, dass ihre Tochter mit den komplizierten Familienbeziehungen überfordert wäre. Aber manchmal fragt sie sich, ob sie das Richtige tut.

Ja, es klingt nach heiler Welt: Vater, Mutter, Kind. Alles läuft rund. Und doch meldet Stefanies Gefühl eine Unebenheit. Denn eine wichtige Person wird ausgeblendet: Der leibliche Vater. Immerhin entzieht er sich den Unterhaltszahlungen nicht. Wäre es nicht fair, ihm den Kontakt zu seinem Kind zu ermöglichen, sofern er es möchte? – Aber abgesehen von seinen Wünschen oder Rechten: Irgendwann wird Stefanies Tochter doch von ihm erfahren müssen. Es sind ihre Wurzeln, es ist ihre und ihrer Mutter Geschichte. Sie hat seine Gene, sieht ihm vielleicht auch ähnlich. Egal, wie er sich verhält, er ist und bleibt wichtig für sie, denn von ihm stammt sie ab. Außerdem haben Kinder sehr feine Sensoren, sie spüren oft instinktiv, wenn etwas nicht stimmt. Zur Wahrheit gibt es also keine Alternative.

Stefanies Tochter ist jetzt sieben Jahre alt, es ist allerhöchste Zeit, dass Stefanie ihr sagt, was Sache ist, und ihre Herkunft offenlegt. Denn je länger Stefanie es hinauszögert, desto mehr wird ihre Tochter sich verraten fühlen, wenn sie es schließlich erfährt. Ich kenne eine Frau, deren Eltern ihr erst mit 10 sagten, dass sie adoptiert wurde. Sie sagte mir: „Ich fühlte mich so belogen. Im Nachhinein stand meine ganze Kindheit im Licht von Falschheit. Alle um mich herum wussten es, die Verwandten, die Freunde, die Nachbarn – nur ich als Hauptbetroffene nicht. Mein Vertrauen zu meinen Adoptiveltern war schlagartig zerstört. Und es dauerte lange, bis es wieder wuchs.“

Was könnte denn passieren, wenn Stefanies Tochter die Wahrheit erfährt und ihren Vater treffen möchte? Im schlimmsten Fall will er nichts von ihr wissen. Das tut weh, aber sie wird damit klarkommen, denn Stefanie und ihr Mann kümmern sich ja um sie. Im besten Fall bekommt sie jedoch Kontakt zu ihrem Vater, womöglich auch zu den Großeltern väterlicherseits. Dann hätte sie eine weitere Anlaufstelle, wo Menschen Interesse an ihr zeigen. Und von solchen Beziehungen kann man doch eigentlich nie genug haben.

Starke Mütter - starke Töchter

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