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Einleitung

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Ihr wollt ein Buch über Mütter und Töchter schreiben?“, sagt unsere jüngste Tochter Nora, „dann müsst ihr unbedingt die Gilmore Girls gucken. Das haben wir im Studium immer gesehen und letztes Jahr gab es nach neunjähriger Pause eine Fortsetzung.“

Die Gilmore Girls also, eine amerikanische Soap-Opera mit Kultstatus unter jungen Frauen. Da ist Großmutter Emily, reich, traditionsbewusst und spießig. Ihre Tochter Lorelai hat mit 16 ein Kind bekommen. Sie schlägt sich als alleinerziehende Mutter der inzwischen 16-jährigen Rory durch, die eine Eliteschule besucht.

Wir haben Noras Rat befolgt und mehrere Sendungen angeschaut. Und fragten uns danach: Was fasziniert junge Frauen an dieser Serie?

Lorelai ist liebenswert und chaotisch, sie hat wechselnde Männerbeziehungen und ein angespanntes Verhältnis zu ihren Eltern. Sie ist rebellisch, desorientiert und irgendwie immer auf der Suche. Eine flippige Mutter, mehr Freundin als Erzieherin, mehr Anti-Heldin als Vorbild. Eigentlich erzieht sie ihre Tochter Rory nicht, sondern behandelt sie wie eine enge Vertraute. Verhaltens- und Erziehungstipps richtet eher Rory an Lorelai als umgekehrt. Mit dieser Konstellation aber sind Kinder und Jugendliche in der Regel überfordert. Rory ist denn auch im Prinzip viel zu vernünftig für ein Mädchen mitten in der Pubertät, sie ist frühreif und ein bisschen altklug. Rorys Pubertätsausreißer kommen erst sehr spät, als sie schon die Schule beendet hat. Zum Beispiel betrügt sie ihren langjährigen Freund irgendwann und ist dann mit einem anderen zusammen, doch auch diese Beziehung hält nicht lange. Wie bei Lorelai sind Rorys Beziehungen zu Männern instabil. Sie hat One-Night-Stands oder ihre Partner sind verheiratet. Mit Großmutter Emily kommt Rory gut aus und hat das richtige Händchen für den Umgang mit ihr. Auch hier zeigt Rory ein viel besonneneres Verhalten als ihre Mutter.

Nora meint: „Ich glaube, die enge Beziehung zwischen Mutter und Tochter beeindruckt die Zuschauerin. Sie sind wie beste Freundinnen und immer wieder auch ähnlich verrückt. Sie teilen Leidenschaften wie unvernünftig viel Kaffee trinken, nächtelang irgendwelche Fernsehsendungen ansehen, sich chinesisches Essen bestellen. Außerdem haben sie einen ähnlichen Humor und in vielem die gleichen Ansichten. Sie machen sich über viele Gegebenheiten in ihrem kleinen Ort Stars Hollow lustig und sie können beide gleich schnell sprechen.“

Ist Rory das Leitbild junger Frauen von heute? In der Tat sind die ja oft strukturierter als ihre Mütter, die vielfach von der 68er-Generation geprägt waren. Hieß es damals etwa: „Wer zweimal mit derselben pennt, gehört schon zum Establishment“, so steht Treue heute unter Jugendlichen wieder hoch im Kurs.1 Und viele junge Frauen heute haben in der Tat eine viel engere Beziehung zu ihrer Mutter als diese zu ihren Müttern hatten. Auch darin sind die Gilmore Girls ein Spiegel unserer Zeit. Entwicklungspsychologen sagen allerdings, es brauche ein Mindestmaß an Rebellion, um erwachsen zu werden. Eine durchgehend kumpelhafte freundschaftliche Beziehung zwischen Mutter und Tochter ist also aus psychologischer Sicht nicht unbedingt ratsam. Denn diese führt dazu, dass viele junge Frauen zwischen 20 und 30 Jahren „sowohl emotional als auch finanziell noch stark von den Eltern abhängig“ sind.2

Die neue Staffel der Gilmore Girls im Jahr 2016 endet damit, dass Rory, inzwischen 32, ihrer Mutter eröffnet: „Ich bin schwanger.“ Von wem, bleibt offen, denn es kommen zwei Väter infrage. Aber Rory wird es schaffen, irgendwie, da kann die Zuschauerin sicher sein. Denn auch ihre Mutter hat es geschafft, sie ist zwar chaotisch und manchmal unvernünftig, aber auch zielstrebig: Sie hat sich in ihrem Job hochgearbeitet und schließlich ein eigenes Hotel eröffnet. Und bei allem Chaos und allen erzieherischen Defiziten hat sie ihrer Tochter doch ein stabiles Fundament mitgegeben, nämlich das Gefühl: Ich finde dich großartig und bin an deiner Seite, was auch passiert. Auch wenn du Mist baust, stehe ich zu dir.

Ist es das, was junge Frauen ersehnen? Eins hat Rory ja mit allen Frauen gemein: Keine hat eine perfekte Mutter, denn die gibt es nicht. Wie können Mütter-Töchter-Beziehungen gelingen, obwohl Mütter so viele Fehler machen? Und wie können Töchter trotzdem von schwierigen Müttern profitieren? Die Serie Gilmore Girls thematisiert das auf unterhaltsame Weise.

Frauen haben heute so viele Wahlmöglichkeiten wie wohl nie zuvor. Sie können selbst entscheiden, welchen Beruf sie erlernen, wen oder ob sie heiraten, wie viele Kinder sie bekommen, ob sie Karriere machen oder sich um ihre Familie kümmern. Das war vor 50 Jahren noch ganz anders. Bis in die 70er-Jahre des letzten Jahrhunderts etwa mussten Pastorinnen aus ihrem Beruf ausscheiden, wenn sie heirateten.

Nur eins können Frauen trotz aller Genderentwicklung bis heute nicht selbst bestimmen: Sie bleiben immer Tochter einer Mutter.

Die Mutter-Tochter-Beziehung ist oft kompliziert und nicht gelassen und entspannt. „Aber wie auch immer die Gefühle zwischen Mutter und Tochter aussehen mögen, beide Frauen sind zutiefst miteinander verbunden, wissen aber nicht immer, wie sie sich gegenseitig erreichen, wie sie ihrer Verbindung eine Form geben können, die beiden guttut und jeder die Freiheit lässt.“3

Von manchen Frauen wird die Mutter auf einen Sockel gestellt. „Ich liebe meine Mutter abgöttisch“, sagte mir mal eine Frau. Aber die Mutter zu idealisieren hilft nur begrenzt dabei, zu einer eigenen Identität als Frau zu finden. Ohne Ablösung funktioniert es nicht. Das Urbild der Mutter ist übrigens für viele Frauen Maria. Deshalb hat unser Freund, der Jesuitenpater Manfred Hösl, ein Kapitel über diese „Mutter aller Mütter“ für unser Buch beigesteuert.

Andere Frauen bekamen viel aufgebürdet. Ja, es gibt schreckliche Mütter. Die „böse Stiefmutter“ war denn auch in der ursprünglichen Fassung mancher Märchen die böse Mutter, das wurde erst später entschärft. Manche Frauen sind richtige Drachen. Aber – Drachenblut macht in der Sage auch unverwundbar!

Ob Sie nun eine unbeschwerte Mutter-Tochter-Beziehung haben oder eine problematische, eine sehr enge oder eine distanzierte, die Herausforderung ist die gleiche: Wie nutze ich das, was ich mitbekommen habe, und wie mache ich das Beste daraus? Wir sind überzeugt: Auch an schwierigen Müttern können Frauen stark werden. Denn „die Kindheit sagt viel über die Vergangenheit und die Gegenwart eines Menschen aus, aber nichts über seine Zukunft“4.

Starke Mütter - starke Töchter

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