Читать книгу Wirksam führen - Ärztinnen und Ärzte in Führung - Jörg Gottschalk - Страница 24

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In jedem Krankenhaus werden wie in jeder Organisation minütlich Hunderte von Entscheidungen getroffen. Der Pförtner entscheidet sich, das Gespräch mit einem Patienten mehrmals zu unterbrechen, weil sein Telefon klingelt, die Krankenschwester entscheidet sich, ausführlich mit einem Angehörigen zu sprechen und findet sich zu spät zur Visite ein oder ein Assistenzarzt in der Rettungsstelle fordert eine unnötig umfassende Labordiagnostik an oder lässt einen (eiligen) Patienten ohne Arztbrief das Krankenhaus verlassen. Der Oberarzt entscheidet darüber, ob eine Operation durchgeführt wird und die Reinigungskraft, dass sie aus Zeitmangel mehrere Zimmer einer Station nicht mehr reinigt. Der Chefarzt schaut noch einmal kurz im OP vorbei und lässt seine Sprechstundenpatienten eine weitere Stunde warten. Jede dieser Entscheidungen zieht weitere Entscheidungen und Handlungen vieler anderer nach sich. Es gilt: Solange eine Organisation entscheidet, lebt sie!

Wenn Sie sich dieses Bild vor Augen führen erkennen Sie die Unmöglichkeit, eine Organisation so zu führen, als wären Sie der General-Befehlsgeber. Führende gelten zwar als die Entscheider eines Unternehmens, sie treffen aber nur einen verschwindend geringen Teil dieser Entscheidungen selbst. Würden Führende all diese Entscheidungen treffen, würde das System unweigerlich zusammenbrechen. Führung ist lediglich ein Konstrukt der Organisation, das eine Funktion für die Zwecke dieser Organisation erfüllt. Es ist aber keinesfalls sein Gehirn oder sein Bewusstsein, das nach Belieben steuern kann. „Ein derart komplexes, soziales System steuert sich weitgehend selbst.“8

Die Aufgabe von Führung besteht darin herauszufinden, wie es zu beeinflussen ist. Dafür muss es die Mechanismen begreifen, die in der Kommunikation und Interaktion der Menschen im Unternehmen sowie in der Beziehung zwischen dem System und seiner Umwelt wechselseitig wirken.

Was hier so unscheinbar daherkommt und wie eine Entwertung einer derart mächtigen Rolle, wie die der Chefrolle wirkt, bedeutet in Wahrheit eine Abkehr von Managementprinzipien, wie Sie sie in den vergangenen Jahren vermutlich selbst erlebt haben. Der Stil des Herrschens, Forderns, Belohnens und Bestrafens gehört seit vielen Ärztegenerationen zu ihrem verinnerlichten Erfahrungsschatz - ein starkes, lebendiges Vorbild bis heute. Und doch führt dieser Führungsstil heute in die Irre. So sehr sich Führungskräfte auch bemühen, den Pseudo-Härte-Manager-Stil „Befehle und Gehorche“, „Anreizen und Erreichen“, „Fördern und Drohen“ als persönlichen Qualifikationsnachweis nach Innen und Außen aufrechtzuerhalten, gehört er doch der Vergangenheit an und wird in Zukunft keine Basis für den persönlichen (Führungs-)Erfolg sein.

Gerade weil Ärzt_innen seit Jahrzehnten so bedeutend und hierarchisch agieren, hat sich in weiten Teilen des Systems auf der kaufmännischen Seite ein vergleichbarer Führungsstil entwickelt, der sich kaum mehr verstecken muss und nach meinem Empfinden sogar oft weiter geht, als dies selbst vor Jahrzehnten in der industriellen Welt noch gang und gäbe war. Es handelt sich keineswegs um ein ärztliches Privileg.

Führung verändert sich, weil sich die Welt verändert, die Organisationen und nicht zu vergessen die Menschen, die in ihr leben und mit denen Führende täglich zusammenarbeiten, von denen sie abhängig sind. Der Thron ist gekippt und längst geht es um mehr als das Herrschen per se. Es geht darum, Beziehungen zu gestalten und seine Organisation zu verstehen, das Managerhandwerk zu beherrschen und zu lernen, wie sich Organisationen wirklich verändern und steuern lassen.

Wirksam führen - Ärztinnen und Ärzte in Führung

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