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Kooperation und Konkurrenz

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Neben Sympathie, Antipathie und Kooperation existiert ein weiteres, weitaus weniger explizites, weniger offensichtliches Beziehungsmuster: Konkurrenz. Konkurrenz erhöht die Aufmerksamkeit für die eigene Leistung oder verführt zu Höchstleistung. Im Gegensatz zu Kooperation wird sie selten ausgesprochen. "Wir kooperieren sehr gut", hört man regelmäßig, "wir konkurrieren“ dagegen nie. Konkurrenz ist in der Regel ein Phänomen, das sich zwischen Unternehmen abspielt oder dort, wo mehrere Mitarbeiter_innen um eine attraktive Stelle „kämpfen". In solchen Fällen wird Konkurrenz in Form von Rivalität wirklich sichtbar.

Konkurrenz ist in der Regel negativ besetzt, gesellschaftlich eher unerwünscht und innerhalb einer Organisation ein Tabuthema. Tatsächlich konkurrieren alle permanent mit allen: auf einer Hierarchiestufe, in einem Team, die Teams untereinander, Mitarbeiter_innen mit ihren Vorgesetzten oder umgekehrt. Sie konkurrieren um begehrte Stellen, um Geld oder um die Anerkennung bzw. Gunst ihrer Vorgesetzten. Hauptsächlich geht der Kampf jedoch um Ressourcen, wie Budgets, Personalstellen oder investive Mittel - ununterbrochen, selten offen, überwiegend subtil.

Der Input für die Erstellung einer Gesamtleistung ist grundsätzlich knapp, in der Knappheit von Gütern liegt der Ursprung für Konkurrenz. Sie trägt dazu bei, dass Hierarchien, Macht und Privilegien einen Einfluss darauf bekommen, wie sich Mitarbeiter_innen, Teams und Abteilungen zueinander verhalten, Konflikte entstehen und gelöst werden oder wie Prozesse ablaufen. Weil Konkurrenz unpopulär ist, sozial wenig akzeptiert, selten zu erkennen, läuft sie zumeist im Verborgenen ab. Sie wird übersehen oder ignoriert und rückt nicht in das Bewusstsein der Handelnden. Erst durch dieses Versteckspiel wird sie bedeutsam und wirkungsvoll im Zusammenspiel der Kräfte im Unternehmen. Was unter der Oberfläche des Eisbergs verbleibt, verbreitet seine Kraft ungebremst und ungeahnt weiter.

Zwischen gewünschter Kooperation und ungeliebter Konkurrenz bewegen sich Führende in einem mächtigen verborgenen Spannungsfeld: In einem System der Kooperation und der gegenseitigen Abhängigkeit stärken sie durch ihr eigenes, möglichst optimales, kooperatives Handeln ihre eigenen Kolleginnen und Kollegen, und damit das Ganze, die Klinik, die Organisation. Das ist, wie wir gesehen haben, das Wesen einer Organisation und bestimmt ihren Erfolg oder Misserfolg. Als Konkurrent wollen Sie genau das tunlichst vermeiden, denn wer möchte schon seinen Konkurrenten stärken? Der Konkurrenzeffekt macht Kooperation in Unternehmen höchst anspruchsvoll. Je kooperativer sich ihre Mitglieder verhalten, umso mehr stärken sie ihre eigenen Konkurrenten. Je konkurrierender sie agieren, um so mehr schwächen sie sich selbst, in jedem Fall schwächen sie aber das gesamte System.

Haben Sie bisher gedacht, es ginge bei Konkurrenzsituationen immer um persönliche Eitelkeiten, vielleicht seien auch ein paar unsympathische und gestörte Typen am Werke, die zu wirklicher Kooperation und Gemeinsinn nicht in der Lage sind, dann kennen Sie nun die eigentliche Quelle. Jeder und jede Führende sucht sich die Einheit, Abteilung oder das Team, mit denen es ihm bzw. ihr gelingt, möglichst wirksam die eigenen Ziele und das Gesamtziel des Unternehmens zu erreichen. Dabei möchte jede Führungskraft die Kontrolle bewahren über das, was passiert und wie es passiert. In einem komplexen dynamischen System, in der eine Führungskraft in einer riesigen Organisation immer nur eingeschränkt entscheidungs-, handlungs- bzw. steuerungsfähig ist, geschieht dies z.B. durch Abteilungs- und Gruppenbildung.

Abteilungen verfolgen keinen anderen Zweck als die Reduktion von Komplexität. Sie reduzieren den ganzen Wahnsinn auf ein Maß, das dem Einzelnen beherrschbar, übersichtlich und kontrollierbar erscheint. Diese Form der Komplexitätsreduktion wirkt jedem Kooperationsprinzip diametral entgegen. Die meisten Führungssysteme in Kliniken befördern eine Abschottung der jeweiligen Abteilungen geradezu. Sie stellen innerorganisatorische Leistungsvergleiche an und treiben Teams in die offensichtliche Konkurrenz. Was eigentlich Anreize schaffen soll, erreicht oft das Gegenteil.

Kooperationen fördern und Konkurrenz kanalisieren ist ein anstrengendes Unterfangen, weil es die direkte Arbeit mit Mitarbeitenden voraussetzt und Führungsfähigkeiten verlangt, die bisher wenig verbreitet sind: den Blick hinter die Fassaden von Menschen, also unter die Oberfläche, ernsthafte Dialogbereitschaft und -fähigkeit und vor allem das persönliche Rückgrat, die eigenen Grenzen für Kooperation, Konkurrenz und Konflikte systematisch zu verändern - im Sinne des Ganzen und im Sinne der Patient_innen.

Wirksam führen - Ärztinnen und Ärzte in Führung

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