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Kooperation und Abhängigkeit

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Alle gemeinsam f ür das Ganze

In dem Geflecht von Beziehungen in einem Unternehmen muss aus der Summe der Einzelleistungen etwas Ganzes entstehen. “Alle Beiträge sind voneinander abhängig, und zwar grundsätzlich gleich stark. Das Ganze ist von seinen Teilen abhängig, und die Teile vom Ganzen. Diese Interdependenz ist essenziell unpersönlich, und ihr Ergebnis ist Kooperation.“5

Der Zweck eines Krankenhauses kann nur erfüllt werden, wenn eine Vielzahl von Generalisten und Spezialisten mit unterschiedlichen Qualifikationen und Persönlichkeiten gemeinsam so zusammenarbeiten, dass ein möglichst perfektes Ganzes entsteht. Das allein legitimiert die Existenz einer Klinik. Aus diesem Grund arbeiten Menschen in dieser Organisation. Nur dafür wird eine Organisation überhaupt gebraucht.

In komplexen Dienstleistungsorganisationen existieren Kooperationen in ganz unterschiedlicher Weise und Intensität. Jeder Einzelne ist in Form täglicher, intensiver Zusammenarbeit gezwungen, miteinander zu arbeiten. Dies gilt auch für Gruppen, wie z.B. ein OP-Team. Zunehmende Zentrenbildung und Spezialisierung führen dazu, dass die Anforderungen an abteilungs- bzw. fachgebietsübergreifende Kooperationen stetig anwachsen. Folgt ein Krankenhaus konsequent einem integrierten Prozessgedanken, lösen sich gar Abteilungsgrenzen auf, zumindest virtuell, denn Prozesse kennen keine Abteilungsgrenzen.

Der Zwang zur Zusammenarbeit durchzieht eine Organisation wie ein roter Faden. Ohne diese gegenseitige Abhängigkeit bräuchte es keine Organisation und Menschen bräuchten sich nicht in einem System zusammen zu finden. Überhaupt gäbe es wenig Gründe, Konflikte oder Probleme zu lösen.

Abh ängigkeiten

Aufgrund der Abhängigkeit des Ganzen von seinen Teilen sind auch die Mitarbeitenden stark voneinander abhängig. Zusammenarbeit ist gefordert, will jeder seinen Beitrag leisten. Denn der eigene Beitrag hängt ab von dem Beitrag der Kollegin oder des Kollegen und wird wiederum zur Voraussetzung für die Leistung anderer.

Diese Abhängigkeitslogik schließt Sie als Führungskraft mit ein, denn Sie sind auf die Leistung und Kooperation Ihrer Mitarbeiter_innen angewiesen. Davor kann Sie keine Hierarchie beschützen, es ist eher das Gegenteil der Fall. Weil Sie für alles verantwortlich sind, aber nicht alles unmittelbar beeinflussen oder gar selbst erledigen können, ist vielleicht Ihre Abhängigkeit die größte von allen.

Abhängigkeiten verändern sich, sie entstehen und verschwinden. Jede Klinik weist in einer Periode gänzlich unterschiedliche Abhängigkeitsbeziehungen auf. Natürlich erfordert diese Unterschiedlichkeit verschiedene Verhaltensweisen und Reaktionsmuster. Abhängigkeiten beeinflussen Ihren persönlichen Handlungsspielraum als Führungskraft, sie können ihn erweitern oder auch stark einschränken.

Ihre Abhängigkeit von Mitarbeitenden beeinflusst Ihre Beziehung zu ihnen. Ein eher hierarchischer Führungstyp wird mit „Befehl und Gehorsam" bei Mitarbeiter_innen, die wichtig und unabhängig zugleich sind, an Grenzen stoßen. Deren Unabhängigkeit macht sie immun gegenüber Druck und Befehlen.

Abhängigkeiten werden häufig unterschätzt, oft aber auch überschätzt. In diesen Fällen wandelt sich Führungshandeln zum Angsthandeln. Aus Angst vor Kündigung oder Leistungsverweigerung der Mitarbeiter_innen bleiben die Klarheit und Konsequenz des Führenden nicht selten auf der Strecke. Er oder sie wird „weich“. In Krankenhäusern in ländlichen Regionen herrscht ein anderer Führungsstil im Verhältnis zwischen Geschäftsführer_innen und Ärzt_innen, als dies in Großstädten der Fall ist. In vielen Kliniken herrscht ein barscher, fordernder oder gar strafender Führungsstil. Härte und Klarheit können beeindrucken, sie führen durchaus zu direktem Gehorsam, doch bei persönlich sehr unabhängigen, dadurch wenig zu beeindruckenden Mitarbeiter_innen führt dieser Stil nur kurzfristig zu Gefolgschaft, viel eher zu stummem Protest. Selten werden Sie frühzeitig Frustrationssignale erhalten, bevor Sie eine Kündigung Ihrer Mitarbeiter_innen auf den Tisch bekommen. In einer Kultur des Herrschens ist offener Protest keine Form des Widerstandes.

Als Führende_r befinden Sie sich nicht nur oben, Sie befinden sich genauso in einer starken Abhängigkeit von Ihren Mitarbeitenden. Diese Abhängigkeit nimmt mit der Größe und der Komplexität des Unternehmens und Ihres Verantwortungsbereichs zu.

Ohne Problem keine L ösung

Führungskräfte beklagen bei Mitarbeitenden fehlendes Engagement oder mangelndes Mitdenken. Sie erwarten Ideen, schlüssige Argumentationen und die Fähigkeit sich auseinanderzusetzen, zu streiten oder tragfähige Kompromisse herbeizuführen. Viele meinen, es hätte etwas mit fehlender Motivation, mangelnder Loyalität oder fehlender Verbundenheit mit dem Unternehmen zu tun, wenn sie Erwartungen enttäuschen. Manche zweifeln gar an ihrer Qualifikation. An all dem wird ein Quentchen Wahrheit sein, eigentlich aber müssen sie sich fragen, welches Interesse Mitarbeitende daran haben, das gewünschte Verhalten an den Tag zu legen. Was kann sie dazu motivieren, ihre Arbeit zu erledigen oder auch Ihren Anweisungen zu folgen, anstatt ihren eigenen, ganz persönlichen Bedürfnissen und Interessen nachzugehen? Was bewegt eine Chefärztin und ihre Chefarztkolleg_innen dazu, einen Kompromiss zu finden, der ihren individuellen Interessen zuwider läuft, aber dem Unternehmen als Ganzes dient? Was könnte sie gar dazu motivieren, das Risiko eines größeren Veränderungsprozesses einzugehen, vorneweg zu gehen?

Menschen sind dann bereit zu kooperieren, wenn sie ein Interesse daran haben, zu kooperieren, sonst werden sie es nicht tun oder nur soweit, wie es ihre persönlichen Grenzen und Eigeninteressen nicht verletzt. Voraussetzung für Kooperation ist immer ein gemeinsames Problem, das es zu lösen gilt und dessen Lösung in beiderseitigem Interesse liegt. Der Zwang zur Kooperation motiviert erst dazu, Probleme und Konflikte zu lösen, sich über persönliche Abneigungen oder eigene Bedürfnisse hinwegzusetzen und die eigenen Rolleninteressen in den Dienst des Ganzen zu stellen. Die (gemeinsame) Lösung von Konflikten und Problemen wird erst auf diese Weise zu einer primären Herausforderung und Aufgabe für alle, vor allem natürlich für Sie als Führungsperson.

Soll Kooperation zu effizienten Lösungen führen, ist eine Grundbedingung, Konflikte in wirksamer Weise zu lösen. Ohne Konflikte und Probleme gäbe es keinen Fortschritt, sie sind die immer stetige Quelle für Veränderung. Probleme, Ärger, Konflikte und Sehnsucht (nach dem Besseren) lassen uns gemeinsam Lösungen finden.

Wirksam führen - Ärztinnen und Ärzte in Führung

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