Читать книгу Wirksam führen - Ärztinnen und Ärzte in Führung - Jörg Gottschalk - Страница 8
Worum es geht - Zusammenhänge
ОглавлениеAls Ärztin und Arzt begegnet Ihnen die Organisation Krankenhaus in ihrer geballten Härte erstmals mit dem Beginn Ihrer Assistenzarzt/-ärztinnenzeit. Vorher galten Sie eher als Gast auf der Durchreise, Ihrem persönlichen Karriereweg folgend. Niemand bereitet Sie darauf vor, was Sie wirklich erwartet. Werden Sie Jahre später Oberärztin/-arzt oder Chefärztin/-arzt, hat Sie Ihre Erfahrung sehr viel klüger werden lassen. Vielleicht hatten Sie herausragende Vorbilder. Wahrscheinlicher ist, dass Sie alles im Selbststudium durchlitten haben. Sie nehmen in Ihrer Rolle als Führung einen Beruf wahr, der scheinbar nicht existiert. Es handelt sich um eine Profession, die als Nebenprodukt Ihrer medizinischen Kernaufgaben abfällt und ebenso nebenbei erledigt wird. Dieser Beruf muss scheinbar nicht erlernt werden. Wir haben sämtliche Führungsfähigkeiten stets parat, sie sind Ausdruck unserer menschlichen Entwicklung und Lebenserfahrung, indem wir positive Vorbilder nachahmen oder mehr oder weniger interessante Managementbüchern lesen. Jeder Buchhalter, Bäcker, Kfz-Mechaniker, Ingenieur, Architekt oder Mediziner muss sein Handwerk von der Pike auf lernen. Nur Führung fällt uns zu. Meint man. Mehr dazu in Kapitel „Ärztliche Führung“.
Ein gut gehütetes Geheimnis lautet: eine Organisation lebt. Wenn Sie als Führende_r heute meinen, Sie würden als Kapitän_in auf der Brücke der Organisation Ihr Krankenhaus wirklich lenken, Ziele und Inhalte vorgeben und dann erleben, wie sich Heerscharen von Menschen Ihrem Wort willenlos beugen, leben Sie noch in Ihrer eigenen „Utopie“. Und Sie befinden sich in guter Gesellschaft. Eine komplexe Organisation wie eine Klinik steuert sich weitgehend selbst. Unter der Oberfläche des Sichtbaren werden Tausende von Entscheidungen von Hunderten von Menschen getroffen, nur nicht von Ihnen. Es wird kooperiert, gestritten, Menschen mögen sich oder können sich nicht leiden. Sie stehen miteinander im Wettbewerb und sind doch gleichzeitig voneinander abhängig - hierarchieübergreifend. Und jetzt kommt es wirklich dicke: Führungsarbeit ist Beziehungsarbeit, ständig. Warum das so ist, wie Sie diese Beziehungen erkennen, nutzen, beeinflussen oder auch nur nicht in all die Fallen laufen, die sorgfältigst vor Ihnen ausgelegt werden, darum soll es in Kapitel „eine Organisation lebt“ gehen.
Was wird in Zukunft Ihre Aufgabe als Chefärztin oder Chefarzt sein? Führung hat sich in den vergangenen zwei Jahrzehnten gravierend verändert. Das gilt für die Abhängigkeit von Führenden von ihren Mitarbeiter_innen ebenso wie für die Art und Weise, wie sich Mitarbeitende auf Führung überhaupt einlassen und welche Erwartungen sie an Führungspersönlichkeiten hegen. Organisationsentwicklung funktioniert gänzlich anders als noch vor 20 Jahren. Ihre Aufgaben als Führende heißen in der Zukunft: Kooperation fördern, Konflikte lösen, Transaktionskosten senken, Zukunft sichern und Mitarbeiter_innen führen. Führen wird künftig nicht mehr vom Schreibtisch aus nur durch Fordern, Belohnen und Bestrafen funktionieren. Wie moderne Führung gelingt und welche Erwartungen an Sie gestellt werden, beschreibe ich im Kapitel „Führungsarbeit“.
In nächsten Kapitel wird es dann erstmals wirklich ernst. Es geht um Controlling. Sie werden niemals eine Bilanz aufstellen oder analysieren, eine Gewinn- und Verlustrechnung auseinandernehmen. Vermutlich werden Sie auch keine Rechnungen schreiben. Was Sie als Führende_r aber wissen sollten ist, was im Dickicht Ihrer Organisation stattfindet, warum es genau so passiert und wie Sie es verändern bzw. verbessern können. Controlling bringt Licht in Ihre Dunkelheit, es setzt Maßstäbe und gibt unübersehbare Signale. Im Grunde besteht Controlling lediglich aus „Plus“ und „Minus“, „Mehr“ oder „Weniger“ und „Gleich“ oder „Ungleich“. Dennoch, ohne ein Mindestrüstzeug und die Kenntnis der wichtigsten Fachbegriffe wird es schwer. Erkenntnisse alleine führen jedoch nicht zu Fortschritt oder zu Verbesserung, wenn diese Er-Kenntnisse nicht in Taten, in Wirkung und konkrete Ergebnisse verwandelt werden. Gerade Letzteres wird im Kapitel „ Controlling“ dargestellt.
Der Strom der Patient_innen fließt durch das Krankenhaus: das erste Telefonat zur Terminvereinbarung, Diagnostik, Therapie, Entlassung. Sie durchlaufen den Prozess der Patientenversorgung. Doch die Organisationsstruktur einer Klinik folgt nicht etwa dem Behandlungsprozess, sondern sorgsam getrennten Verantwortungsschubladen, die sich naturgesetzlich perfekt selbst optimieren. Welches Qualitätsniveau eine Klinik in Zukunft erreichen und wie wirtschaftlich sie sein kann, entscheidet sich daran, ob sich ihr Denken und Handeln ausschließlich und in Perfektion an den Prozessen der Patientenversorgung ausrichten. Das Kapitel „Organisation und Prozess“ befasst sich damit, was das Denken und Gestalten in Prozessen für Sie als Führende_r bedeutet und wie sehr Ihre Strukturen Sie daran hindern, heute das zu tun, was künftig wichtig sein wird.
In der Komplexität einer Organisation versteckt sich eine Unmenge an (bezahlter) Zeit, die nicht für die Versorgung von Patient_innen verwendet wird, sondern ausschließlich für die Aufrechterhaltung einer desorganisierten Organisation. Sachliche oder personelle Ressourcen werden verschwendet, weil Mitarbeitende warten, suchen, laufen, weil Aufgaben erfüllt werden, die in einer gut organisierten Organisation nicht nötig sind oder Logistik vonstattengeht, die aufwendig und viel zu teuer ist. Viele Defizite lassen sich beheben, wenn die Organisation einer methodischen Logik folgt und Führung sich auf diesen Weg einlässt. Verschwendung reduzieren heißt Zeit für die Patientenversorgung gewinnen. Verschwendung reduzieren heißt, nicht schneller, sondern weniger laufen. Wie Sie Verschwendung entdecken und sie methodisch und in kleinen, überschaubaren Schritten aus Ihrer Organisation dauerhaft verbannen, davon handelt das Kapitel „Verschwendung“.
Veränderungen bewirken, Verschwendung eliminieren, Kosten senken, Qualität, Patient_innen- und Mitarbeiter_innen-Zufriedenheit erhöhen, all das gilt in einer Klinikorganisation als schier unbewältigbare Herausforderung. Im Kapitel „die dritte Dimension“ beschreibe ich ausführlich, was Veränderungen in kontinuierlichen, kleinen, dafür stetigen Schritten bewirken kann und wie man so zu sichtbaren Verbesserungen kommt. Das sind - neben ärztlicher Versorgung - nicht nur Ihre wichtigsten Aufgaben, sondern vor allem Ihre schwierigsten.
„Die dritte Dimension“ beschreibt, warum kontinuierliche Verbesserung - unter Einsatz Ihres gesunden Menschenverstandes - sinnvoll ist, was ihr entgegensteht und wie es trotzdem gelingen kann, sich Schritt für Schritt Utopia zu nähern.
Wenn Sie sich durch dieses Buch gearbeitet haben - hoffentlich manchmal mit einem Schmunzeln, mit Wiedererkennen, manchmal überrascht, sicher das ein oder andere Mal unter Aufbringung Ihrer ganzen Geduld, möchte ich Sie im Kapitel „die Reise“ auf eine kleine und ganz persönliche Entdeckungsreise durch Ihr Unternehmen führen.
Denn am Anfang jeder Entwicklung steht Wahrnehmung und Erkenntnis - Verstehen also.