Читать книгу Wirksam führen - Ärztinnen und Ärzte in Führung - Jörg Gottschalk - Страница 10

Früher einmal bestand Ihre Aufgabe als Ärztin oder Arzt in der unmittelbaren ärztlichen Versorgung von Patient_innen. Ihre Verantwortung lag darin, sie so gut wie nur möglich zu behandeln, einen möglichst großen Heilungserfolg zu erzielen. Als Oberärztin/-arzt ist Ihr Verantwortungs- und Einflussbereich bereits angewachsen. Er variierte je nach Größe einer Abteilung und des gelebten Führungsprinzips der Chefärztin bzw. des Chefarztes. Vermutlich waren Sie bereits für einige organisatorische Aufgaben zuständig: Dienstplan, Rettungsstelle oder Anleitung bzw. Ausbildung von Assistenzärztinnen/-ärzten. Vielleicht auch für ein Team von Assistenzärzt_innen. Ihre Primäraufgabe war jedoch bis dahin immer unstrittig: die Patientenversorgung.

Als Chefärztin oder Chefarzt oder in vergleichbarer Position wird Ihre Rolle neu definiert. Sie führen eine Organisationseinheit und tragen damit die Letztverantwortung für Patient_innen und für Mitarbeiter_innen, für Qualität, Ergebnis und für die Zukunft. Es gibt niemanden, auf den Sie diese Verantwortung glaubwürdig abwälzen könnten. Es gelten keine Ausreden mehr.

Als Abteilungsleiter in einem Industrieunternehmen wären Sie von nun an von allen operativen Aufgaben befreit, Sie stünden nicht mehr selbst im OP und würden keine Visite durchführen. Sie wären ausschließlich Führende_r. Nicht so in einer Klinik. Chefärzt_innen nehmen wie selbstverständlich beide Rollen ein: die Arzt- bzw. Ärztinnen-Rolle und die des/der Führenden.

Dabei stehen Sie in der Verantwortung für das medizinische Ergebnis für alle Patient_innen. Sie verantworten Kosten, Mengen und Qualität von Leistungen ebenso wie die Ausbildung Ihrer Assistent_innen. Sie entwerfen neue Strategien und entwickeln neue Kooperationen nach Innen wie nach Außen.

Nach menschlichem Ermessen scheint das ein Ding der Unmöglichkeit und wer wirklich ehrlich ist, wird feststellen, es ist eigentlich unmöglich. Nur wenigen Chefärzt_innen gelingt es, dieses Portfolio an Verantwortung und Aufgaben vollständig und ausgewogen umzusetzen. Heutige Klinikstrukturen lassen dies nicht zu, weil sie inkonsequent handeln, Führung nicht den Raum einräumen, der ihr zustehen müsste. Nicht mangelnde Finanzierung, sondern fehlende Führung sind deshalb auch das zentrale Problem heutiger Klinikstrukturen. Ein wenig befinden Sie sich von nun an auf einer Mission impossible - aber nur ein wenig.