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3.2 Das magische Dreieck Qualität–Zeit–Kosten
ОглавлениеEin scheinbar allgemeingültiger Imperativ lautet: wenn Kosten gesenkt werden, sinkt die Qualität der Leistung. Es kann nicht wirklich überraschen, dass sich vor allem Mitarbeitende aus den medizinischen und medizinnahen Berufsgruppen auf diesen kurzen Nenner rasch einigen können. Viele Geschäftsführer denken ähnlich, sie haben aber gelernt, diese Gedanken zu verdrängen.
Der Ursprung dieses kollektiven Irrtums liegt in ihrem zweifellos wahren Kern. Wird immer mehr Arbeit von immer weniger Menschen erbracht, muss das Arbeitstempo steigen, Pausenzeiten nehmen ab, Tätigkeiten werden weggelassen. Nicht mehr der Service für Patienten oder gar das Behandlungsergebnis stehen im Mittelpunkt des täglichen Handelns, sondern das Überleben jedes Einzelnen im Alltag. Das tägliche Pensum will erst einmal geschafft sein. Zehn Jahre lang galt diese Strategie im Krankenhaus als Überlebensgarantie. Es darf uns also nicht verwundern, wenn eine so prägende Zeit bei Führungskräften wie Mitarbeitenden einen bleibenden Eindruck hinterlässt: Sparen ist schlecht, denn es bedeutet immer weniger Zeit für unsere Patienten!
Im Lean Management wird ein gänzlich anderer Weg beschritten. Die innere Logik des magischen Dreiecks Kosten–Zeit–Qualität verändert sich.
Abb. Lean Management – das magische Dreieck © Jörg Gottschalk
Der Veränderungsfokus im Lean Management liegt auf der Beseitigung von Verschwendung. Arbeit soll nicht nur immer schneller erfolgen, sondern gänzlich wegfallen. Überflüssiges, nicht Wertschöpfendes und keinen Nutzen Stiftendes wird aus einer Organisation eliminiert. Das erklärte Ziel besteht darin, weniger Arbeit und Zeit darauf zu verwenden, die gleiche Leistung und mindestens die gleiche Qualität zu erreichen.
Die Qualität des Ergebnisses für den Patienten wird zum festen Pflock in der Organisation. An der Qualität darf es keine ungezielten Abstriche geben – daran darf nie ein Zweifel bestehen. Unter einem hohen finanziellen Druck ist die Versuchung stets groß, schnelle Sparziele auf Kosten der Qualität zu erzielen. Wir meinen es ernst mit unserem Ziel, die Erwartungen unserer Patienten zu erfüllen. Keine Prozessverbesserung und keine Kostenersparnis darf zu einem Qualitätsverlust führen. Qualität ist das, was der Patient von einem Krankenhaus erwartet.
Wenn es einer Organisation durch die konsequente Beseitigung von Verschwendung gelingt, ihre Qualität mindestens zu bewahren, dafür aber deutlich weniger Zeit aufzuwenden, müssen die Kosten der Leistungserstellung sinken. Es gibt logisch keine andere Konsequenz. In diesem Sinne bedeutet Kosten senken nicht mehr automatisch den Verzicht auf Qualität. Es werden lediglich weniger Zeit aufgewendet und weniger Ressourcen verbraucht.
Ich gebe gerne zu, dass eine solch positive Umdeutung des magischen Dreiecks auf den ersten Blick schwer zu akzeptieren ist. Wahrscheinlich haben Sie – wie ich auch – das Verhältnis Kosten–Zeit–Qualität in der Vergangenheit auch als latente Konkurrenz erlebt: Kosten senken bedeutet mehr Arbeit und weniger Qualität, ein auf den ersten Blick alternativloser Widerspruch. Diesen Kreislauf des Abstiegs wollen und müssen wir in der Zukunft durchbrechen und wenden deshalb unseren Blick auf die alles entscheidenden, in gewisser Hinsicht neuen Fragen:
Welche Arbeitsvorgänge bzw. Tätigkeiten können wir weglassen, ohne die Qualität unserer Leistung zu verringern?
Wie können wir unseren wertschöpfenden Tätigkeitsanteil steigern, Verschwendung möglichst eliminieren und notwendige Verschwendung so weit wie möglich reduzieren?
Eine verschwendungsfreie Organisation gibt es nicht und wird es vermutlich niemals geben. Vielleicht gelingt aber eine Entwicklung, die so aussieht wie in der folgenden Darstellung.
Abb. Verschwendungsreduktion © Jörg Gottschalk
Der wertschöpfende Anteil steigt, der Verschwendungsanteil sinkt deutlich und der Anteil der notwendigen Verschwendung wird reduziert. Mit dieser Entwicklung wäre bereits sehr viel gewonnen.