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2.2 Der Kunde ist König
ОглавлениеJede Organisation verfolgt einen Zweck, ohne den sie keine Existenzberechtigung hätte. Ohne Zweck, ohne Aufgabe, würde ein Krankenhaus nicht existieren. Die existenzielle Kernfrage lautet deshalb: Welchem Zweck dient ein Krankenhaus?
Meine Antwort würde wie folgt lauten:
Der Zweck eines Krankenhauses besteht darin, jederzeit die Erwartungen seiner Patienten zu erfüllen und für sie den höchst möglichen Nutzen zu stiften. Alles, was diesen Nutzen erhöht, trägt zum Erfolg des Unternehmens bei. Was nicht dazu beiträgt, ist überflüssig.
Wenn Sie diese Zweckdefinition teilen, verfolgen Sie eine konsequente Kundenorientierung. Es dürfte für Sie kein Zweifel daran bestehen, dass in letzter Konsequenz immer und ausschließlich der Kunde den Maßstab für Ihr Handeln setzt. Sie werden alles daransetzen, seine Erwartungen zu erfüllen.
Viel zu oft schaut man auf den Gesetzgeber, der den Rahmen setzt, auf die Krankenkassen, die Einfluss ausüben, oder auf niedergelassene Ärzte, in deren relativer Abhängigkeit man sich wähnt. Ohne Frage existieren zahlreiche Interessengruppen, Einflüsterer oder auch nur mächtige Organisationen und Personen, die ein Unternehmen unmöglich ignorieren darf. Doch gibt es nur einen, ohne den ein Krankenhaus niemals existieren könnte: sein Patient, sein Kunde.
Den Patienten als König zu begreifen, fällt zugegebenermaßen schwer und löst reflexartig Widerspruch aus. Das Unternehmen Krankenhaus unterliegt ökonomischen Zwängen, der gemeinsame Bundesausschuss schließt Leistungen aus, Krankenkassen geben Regelungen vor. Patienten entwickeln Erwartungen, die ein Krankenhaus scheinbar nicht erfüllen kann. Weite Teile einer medizinischen Behandlung bleiben Patienten verborgen, deshalb fällt es ihnen naturgemäß schwer, objektive Erwartungen zu äußern. Das Ergebnis einer Behandlung ist nur in Ausnahmefällen eindeutig messbar, selten verständlich und damit kaum objektiv zu bewerten. Es steht außer Frage, dass konsequente Patientenorientierung oder gar vollständige Wunscherfüllung selbst unter den besten Voraussetzungen kein einfaches Unterfangen ist. Mancher Widerspruch lässt sich einfach nicht auflösen oder wäre gar zum gesundheitlichen Schaden für den Patienten selbst.
Trotz all dieser Einschränkungen und Widersprüche sollte der Patient das Geschehen bestimmen. Alles andere würde Verwirrung stiften und den Handelnden die Orientierung rauben.
Was wir tun können, um unseren Kunden zufriedenzustellen, sollten wir tun.
Was wir weglassen können, weil es ihnen keinen Nutzen stiftet, sollten wir weglassen.
Wenn eine Entscheidung zugunsten unserer Patienten ausfallen kann, dann sollten wir unsere Entscheidung zugunsten unserer Patienten treffen.
Auch wenn wir von außen gezwungen werden, uns gegen unsere Kunden zu entscheiden, sollten wir uns trotzdem für sie entscheiden und im Zweifelsfall die Konsequenzen tragen.
Konsequente Kundenorientierung bedeutet niemals blinde Kundenorientierung. Niemand kann die Realität ausblenden und sämtliche Zwänge ignorieren. Die Energie eines Krankenhauses sollte sich aber stets eindeutig und zweifelsfrei darauf richten, die Erwartungen seiner Patienten zu erfüllen. Jede andere Strategie würde das Unternehmen Krankenhaus in die Irre führen – zumindest gilt diese Behauptung auf die lange Sicht.
Nicht ohne Grund stellt Lean Management drei zentrale Begriffe in den Mittelpunkt seines gesamten Denkens und Handelns:
Wertschöpfung
Verschwendung
notwendige Verschwendung
Abb. Wertschöpfung und Verschwendung © Jörg Gottschalk
Langfristig schafft ein Krankenhaus herausragende Qualität und wirtschaftlich gewünschte Ergebnisse, wenn es die Erwartungen seiner Patienten erfüllt und dabei möglichst wenig Ressourcen einsetzt. Ein schlankes Krankenhaus tut alles, um den Nutzen seiner Leistungen für die Patienten zu maximieren. Ebenso unterlässt es alles, was deren Erwartungen nicht entspricht, also für sie keinen Nutzen stiftet und somit lediglich Verschwendung bedeutet.
Es klingt so leicht und plausibel, doch was hindert uns eigentlich heute daran, all das zu realisieren, von dem wir überzeugt sind, dass es zum Wohle des Unternehmens, seiner Mitarbeitenden und Patienten wäre?