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1. Ziel des Insolvenzverfahrens – Konsequenzen für Bank und Bankkunden

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Das Insolvenzverfahren bezweckt eine gemeinschaftliche, grundsätzlich gleichmäßige Befriedigung der Forderungen sämtlicher Insolvenzgläubiger aus dem Vermögen des Schuldners (par condicio creditorum).[18] Eröffnung und Durchführung eines Insolvenzverfahrens führen zu erheblichen Einschnitten in Rechtspositionen des betroffenen Gemeinschuldners, ebenfalls, in freilich milderer Form, auf Seiten der Gläubigerschaft.[19] Daneben sind auch die gravierenden wirtschaftlichen Auswirkungen auf Seiten des Schuldners, nicht selten allerdings auch für einzelne Gläubiger, bei der Auslegung der Tatbestände, die eine Insolvenzverfahrenseröffnung rechtfertigen, zu bedenken.

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Primärer Verfahrenszweck ist es, häufig durch die Liquidation des Schuldnervermögens und die anschließende Verteilung der Verwertungserlöse,[20] eine auskömmliche Befriedigung der Insolvenzforderungen zu erreichen.[21] Daneben ermöglicht § 1 S. 1 InsO ebenfalls, „abweichende Regelungen insbesondere zum Erhalt des Unternehmens“ in einem Insolvenzplan zu treffen. Die Durchführung von Sanierungsmaßnahmen (ggf. in Form einer übertragenden Sanierung) tritt als eigenständige Alternative neben die Liquidation des Schuldnervermögens, um die Insolvenzforderungen der Gläubigerschaft möglichst weitgehend auszugleichen. Sanierung und Reorganisation begründen allerdings in Relation zu dem primären Verfahrensziel nach im Schrifttum überwiegender Auffassung keinen gleichrangigen Verfahrenszweck.[22] Eine Sanierung des Schuldnerunternehmens wird vielmehr zutreffend als nur untergeordnetes, „nachrangiges“ bzw. „partielles“ Ziel des Insolvenzverfahrens charakterisiert.[23]

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Nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens geht das Recht des Schuldners, das zur Insolvenzmasse gehörende Vermögen zu verwalten und über dieses zu verfügen, auf den Insolvenzverwalter über (§ 80 Abs. 1 InsO).[24] Das Insolvenzverfahren führt überdies zur Offenbarung der Vermögensverhältnisse des Schuldners in öffentlichen Registern (vgl. §§ 26 Abs. 2, 30 bis 33 InsO).[25] Das Insolvenzrecht bewirkt damit erhebliche Eingriffe insbesondere in die grundrechtlich geschützten Positionen des Insolvenzschuldners, namentlich in das Eigentum (Art. 14 Abs. 1 GG), in die Berufsausübungs- und Handlungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG) sowie in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 GG).[26]

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Das Insolvenzverfahren begründet allerdings ebenfalls negative Rechtsfolgen, zugleich ökonomische Nachteile, für einzelne Insolvenzgläubiger. Das Gesamtvollstreckungsverfahren verdrängt die Einzelzwangsvollstreckung.[27] Maßnahmen der Einzelzwangsvollstreckung durch Gläubiger werden unzulässig (§ 89 InsO). Der Prioritätsgrundsatz (§ 804 Abs. 3 ZPO)[28] entfällt.[29] Rechtsausübung und Rechtsdurchsetzung werden auf Gläubigerseite auch verfahrensrechtlich „kollektiviert“.[30] Die Insolvenzgläubiger (§ 38 InsO) können ihre Forderungen nur entsprechend der Vorgaben des Insolvenzrechts verfolgen (§ 87 InsO). Insolvenzforderungen werden im Ergebnis tatsächlich häufig nur zu einem geringen Anteil quotenmäßig befriedigt. Die Gesamtgläubigerschaft bildet in diesen Fällen zugleich eine proportionale Verlustgemeinschaft.[31] Dementsprechend geraten immer wieder Unternehmen, die mit dem Gemeinschuldner, etwa als Lieferanten, wirtschaftlich verbunden waren, selbst in Insolvenzgefahr, weil sie ihre Forderungen nicht, oder nur zu einem Bruchteil realisieren können (sog. Dominoeffekt).[32] Nicht selten allerdings sind die Forderungen einzelner Gläubiger durch „insolvenzfeste“ Sicherheiten geschützt.[33] Eben dies ist gerade in der Praxis des Kreditgeschäfts der Banken durch die Bestellung geeigneter Kreditsicherheiten häufig gewährleistet.[34]

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Die Kollision der grundrechtlich geschützten Rechtspositionen von Schuldner und Gläubigerschaft ist im Wege „praktischer Konkordanz“ in Ausgleich zu bringen.[35] Zugleich erfordern die exemplarisch dargestellten, erheblichen Rechtsfolgen ebenfalls eine verfassungsrechtliche Rechtfertigung. Allein der Eintritt einer Unternehmenskrise in dem oben dargestellten betriebswirtschaftlichen Sinn genügt dementsprechend nicht, die Eröffnung eines Insolvenzverfahrens (als Gesamtvollstreckungsverfahren) zu begründen oder eine Insolvenzantragspflicht i. S. des § 15a InsO auszulösen.[36] Erforderlich ist, dass Umfang und Intensität der wirtschaftlichen Krise eine Qualität erreichen, die den Übergang in ein Gesamtvollstreckungsverfahren rechtfertigen. Die rechtlichen Voraussetzungen sind in den „Eröffnungsgründen“ (§§ 17 bis 19 InsO) im Einzelnen und enumerativ normiert.[37]

Bankrott und strafrechtliche Organhaftung

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