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b) Zeitraum und Wesentlichkeit der Liquiditätslücke
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Vor Inkrafttreten der Insolvenzordnung wurden als weitere Voraussetzungen der Zahlungsunfähigkeit benannt, dass der Schuldner dauerhaft außer Stande geraten ist, fällige Forderungen zu einem wesentlichen Teil zu erfüllen.[62] Auf eine Übernahme der Merkmale „Dauerhaftigkeit“ und „Wesentlichkeit“ der Liquiditätslücke in die Legaldefinition des § 17 Abs. 2 S. 1 InsO wurde allerdings aus Gründen der Rechtsklarheit verzichtet.[63] Der Gesetzgeber hat den Anwendungsbereich dieses Eröffnungsgrunds insoweit bewusst weiter gefasst.[64] Ziel war, hierdurch eine frühzeitige („rechtzeitige“) Verfahrenseröffnung (vor allem zur Verbesserung möglicher Sanierungschancen) nicht zu gefährden.[65] Nach „alter“ Rechtslage war dementgegen rechtstatsächlich häufig erst eine Zahlungseinstellung (§ 17 Abs. 2 S. 2 InsO) eigentlicher „Verfahrensauslöser“.[66]
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Das in den Gesetzeswortlaut nicht übernommene Merkmal der „Dauerhaftigkeit“ betrifft die Abgrenzung von Zahlungsunfähigkeit zu einer, zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht ausreichenden, nur vorübergehenden Zahlungsstockung.[67] Die Rechtsprechung zur Konkursordnung zog noch eine zeitliche Grenze der Illiquidität von ungefähr einem Monat,[68] teilweise auch deutlich darüber hinaus.[69] Nach aktueller Rechtslage ist dagegen maßgeblich, ob sich die Geldilliquidität voraussichtlich „innerhalb kurzer Zeit“ beheben lässt.[70] Nach der Rechtsprechung des BGH in Zivilsachen sei dabei eine Frist von einer bis höchstens drei Wochen ausreichend, um die zum Ausgleich sämtlicher fälliger Verbindlichkeiten erforderlichen liquiden Mittel ggf. durch Kredit zu beschaffen.[71] Zwar begründen nach Auffassung des Gesetzgebers kurzfristige Zahlungsstockungen eine Zahlungsunfähigkeit auch weiterhin nicht.[72] Dagegen sollte jedoch ausdrücklich vermieden werden, dass Zeiträume von mehreren Monaten noch unter bloße Zahlungsstockungen subsumiert werden können.[73] Diesem Umstand trägt die Rechtsprechung in Zivilsachen nunmehr also Rechnung.[74]
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Der Gesetzgeber ist ebenfalls davon ausgegangen, allerdings ohne das Merkmal der „Wesentlichkeit“ in den Gesetzestext aufzunehmen, dass nur „ganz geringfügige Liquiditätslücken außer Betracht bleiben müssen“.[75] Zuvor wurden Liquiditätslücken von bis zu 25 %[76] durchaus noch als „nicht wesentlich“ deklariert.[77] Die aktuelle insolvenzrechtliche Rechtsprechung verfährt nunmehr im Rahmen des § 17 InsO auch insoweit restriktiver. „Beträgt die Liquiditätslücke des Schuldners 10 % oder mehr, ist regelmäßig von Zahlungsunfähigkeit auszugehen, sofern nicht ausnahmsweise mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist, dass die Liquiditätslücke demnächst vollständig oder fast vollständig beseitigt werden wird und den Gläubigern ein Zuwarten nach den besonderen Umständen des Einzelfalls zuzumuten ist“.[78] Die 10 %-Grenze ist damit kein „starrer Wert“, sondern begründet insolvenzrechtlich nur eine widerlegbare Vermutung.[79] Liegt die Liquiditätslücke oberhalb dieses „Schwellenwerts“, ist dennoch nur von einer Zahlungsstockung auszugehen, sofern besondere Umstände festgestellt werden können, die mit hoher Wahrscheinlichkeit für eine zeitnahe, (nahezu) vollständige Reduzierung der fehlenden Liquidität sprechen. Umgekehrt liegt Zahlungsunfähigkeit auch bei einem Liquiditätsdefizit unterhalb dieser Grenze vor, wenn bereits absehbar ist, dass deren Umfang demnächst den „10 % – Richtwert“ erreichen bzw. überschreiten wird.[80]