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Gegenzauber

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[29. August 2006]

Mit den Verwaltungsstrukturen hier kenne ich mich kaum aus. Gelegentlich bekomme ich ein Bittschreiben von irgendeiner Behörde, dass das Krankenhaus diese oder jene Feierlichkeit mit soundso viel Geld unterstützen solle. Darauf antworte ich aber nie. Der höchste Verwaltungsbeamte scheint der divisional secretary zu sein, den ich hin und wieder mal irgendwo sehe. Er kann recht gut Englisch. Neulich kam er sogar ins Krankenhaus, um mich unter vier Augen zu sprechen. Ich dachte, er wolle mir vermutlich wegen irgendetwas die Leviten lesen. Mir wollte aber durchaus nicht einfallen, was ich verkehrt gemacht haben könnte. Ich bat ihn in mein Büro. Er schloss die Tür sorgfältig hinter sich zu. Setzte sich.

»Was kann ich für Sie tun?«

»Sie wissen doch sicher, dass die Deutschen, als sie das Land verlassen mussten, 1918, eine Menge Gold und Schätze in dieser Gegend vergraben haben.«

»Hm.«

»Eine Stelle ist in der Gegend von Mahenge, eine andere in der Nähe von Lupiro und gar nicht so weit von hier, in einem kleinen Tal zwischen zwei Bergen, haben sie ebenfalls viel Gold und Steine vergraben.«

»Hm.«

»Ich bin einmal in der Nähe von diesem Ort gewesen. Aber da kam ein Wirbelwind und hat mich und meine beiden Begleiter so weit fort getragen, dass wir fast drei Tage gebraucht haben, um wieder nach Hause zu gelangen.«

»Hm.«

»Die Deutschen haben also offensichtlich ihr Gold mittels eines Zaubers geschützt, sodass niemand an ihre Schätze gelangen kann, bis sie wiederkommen.«

»Hm.«

»Aber da Sie nun Deutscher sind, kann es für Sie ja nicht so schwierig sein, den richtigen Gegenzauber zu beschaffen. Und dann könnten wir zusammen dorthin gehen, wo sie ihr Gold vergraben haben und es uns holen.«

»Hm.«

Der divisional secretary sah mich erwartungsvoll an.

Ich versuchte zu erklären, dass die Deutschen 1918 bestimmt keine großen Schätze hatten, die sie hätten vergraben können, und dass sie bestimmt keine Zaubermittel besaßen um sie zu beschützen. Und dass ich von Gegenzaubern so gut wie gar nichts verstünde.

Der divisional secretary sah mich nur ungläubig an. Offensichtlich wollte ich nicht mit ihm teilen. Denn dass ich an Wochenenden oft weit bis in die Berge wanderte, um das Gold zu finden, das wusste doch schlichtweg jeder in Lugala. Nur hatte ich es halt noch nicht gefunden.

Nach einer Weile gab ich auf. Versprach mich bei meinem nächsten Besuch in Deutschland nach dem Gegenzauber kundig zu machen. Was blieb mir anderes übrig? Der divisional secretary sah mich zufrieden an.

Und jetzt verstand ich auch, warum mich schon zwei Mal jemand aufgefordert hatte, mit ihm in die Berge zu gehen, wo die Deutschen ihr Gold vergraben hätten. In dem Tal zwischen den beiden Hügeln, 40 Kilometer von Lugala entfernt. Sie dachten bestimmt, ich hätte den Gegenzauber schon und wüsste nur nicht, wo das Gold vergraben ist.

Zauber und Gegenzauber.

Wissen Sie, wenn jemand hier sehr alt wird, gehen die Familienangehörigen davon aus, dass er sich mit einem Zauber künstlich am Leben hält. Dass dieser Zauber ihm Lebenskraft gibt, die der Zauber selbstverständlich anderen raubt. Zum Beispiel Kindern, die deshalb sterben müssen, weil so ein Zaubermittel sie »frisst«.

Und dann gehen die Familienangehörigen eben zu einem Medizinmann und holen sich einen Gegenzauber. Und geben diesen Gegenzauber dem alten Mann oder der alten Frau, die sich da künstlich am Leben hält.

Wenn sein Zaubermittel dann ausgeschaltet ist, dann stirbt er oder sie eben.

Und so soll ich wohl den Zauber unschädlich machen, der das Gold der Deutschen hier in den Bergen davor schützt, gehoben zu werden.

Wenn das so einfach wäre.

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