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Stumm

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[3. August 2006]

Halb vier ist keine gute Zeit. Moses ist schon lange verschwunden. Ich bin erschöpft. Nur Mwahija war noch da. Auch Tindwa und Shemdoe waren schon leise und unauffällig gegangen. Aber vielleicht weil es ein Kind war, raffte ich mich noch einmal auf. Die zwei Klötze – richtige Sukuma –, die es brachten, waren vermutlich ihre Brüder, oder ihre Halbbrüder oder vielleicht auch nur ihre Vettern. Diese Unterschiede spielen hier ja keine Rolle. Das Kind, das Mädchen, mochte so um die zehn Jahre alt sein.

Bauchschmerzen habe es.

Ich sagte, es solle sich auf die Untersuchungsliege legen.

Währenddessen sah ich mir schnell noch einen Patienten an, der mit der Frage geschickt worden war, ob vielleicht sein Finger gebrochen sei. Das war schnell gemacht unterm Bildverstärker. Der Finger war nicht gebrochen.

Zurück zu dem Mädchen.

Es lag inzwischen auf der Liege neben dem Ultraschallgerät, war aber noch nicht ausgezogen.

Es muss sich ausziehen, sagte ich zu den Klötzen.

Sie erklärten es dem Mädchen in KiSukuma.

Der Bauch von dem Mädchen war angeschwollen, die Ärmchen und die Beine waren ganz dünn.

»Seit wann ist der Bauch so angeschwollen?«

»Noch keinen Monat.«

Ich tastete den Bauch ab. Es hatte einen harten Tumor im Bauch. Der zog sich quer durch den Bauch bis in den rechten Unterbauch. Ging er von der Milz aus? War es eine riesig vergrößerte Milz? Möglich, wir hatten in den letzten zwei oder drei Monaten schon zwei solche Kinder gehabt. Nein, der Tumor schien sich von der Milz abgrenzen zu lassen. Oder doch nicht? Ich nahm den Schallkopf vom Ultraschallgerät zur Hand. Da war die Milz und in der Milz war irgendwie ein großer Rundherd – ein Abszess? – und dann war da eben der Tumor, der sich quer durch den Bauch zog. Es sah so aus, als sei es eine vergrößerte Milz, eine riesig vergrößerte Milz.

Ich bat Mwahija, mir eine Spritze zu geben. Ich wollte den Abszess (?) anpunktieren. Wenn es ein Abszess war, dann hatte ich ja immerhin so etwas wie eine Diagnose. Es konnte auch eine TB sein.

Das Mädchen hielt still.

Es hatte überhaupt noch kein einziges Wort gesagt, fiel mir auf.

Es ließ sich nichts aspirieren, jedenfalls kein Eiter.

Ich überlegte.

Die beiden Klötze mit ihren schwarzen Umhängen sahen mich erwartungsvoll an.

»Das Mädchen hat einen großen Tumor im Bauch«, sagte ich schließlich.

»Einen großen Tumor?«

»Ja, einen großen Tumor.«

»Einen großen Tumor«, nickten die beiden.

Ich sagte, dass das Mädchen wieder aufstehen und sich wieder anziehen könne.

»Ich weiß nicht, ob ich helfen kann.«

»Es hat einen großen Tumor im Bauch?«

»Ja, ich kann versuchen es zu operieren, aber ich kann nicht versprechen, dass ich ihm damit helfen kann.«

»Den Tumor operieren?«

»Ja, aber ich kann nicht versprechen, dass ich ihm helfen kann.«

Die beiden Klötze dachten nach.

»Einen großen Tumor im Bauch?«

Mwahija sah zart und zerbrechlich aus neben den beiden.

Vielleicht dachten die beiden an die Kühe, an den Brautpreis, die der Familie entgehen würden, wenn das Mädchen starb.

»Und Sie können es operieren?«

»Ja, aber ich kann nicht versprechen, dass ich dem Mädchen mit einer Operation helfen kann.«

»Es hat einen großen Tumor im Bauch«, nickten die beiden.

»Ja.«

Die beiden schwiegen eine Weile. Mwahija wiederholte, dass ich versuchen wolle, dem Mädchen zu helfen, aber dass ich nichts versprechen könne.

»Einen großen Tumor im Bauch? Nein, das können wir nicht entscheiden. Das muss die Familie entscheiden. Da müssen wir erst wieder nach Hause gehen mit dem Mädchen.«

»Kommen Sie zurück, wenn Sie sich für eine Operation entschieden haben. Die Operation kostet zwanzigtausend TSH.«

Die beiden Sukuma wandten sich zum Gehen. Das Mädchen hatte immer noch kein Wort gesagt. Vielleicht gehörte sich das nicht, dass sie etwas sagte, während ihre Brüder dabei waren.

Aber wahrscheinlich sprach sie einfach kein Wort Kiswahili.

Bei abnehmendem Mond

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