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Der Krate-Hype

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Eine Sonderrolle innerhalb der High-Riser-Hierarchie nimmt das Schwinn Krate ein. Die Sonderform des Stingrays zeigt deutliche Anlehnungen an Motorrad-Chopper und Dragster. Entsprechend abgestimmt fällt auch die Werbung dafür aus. Erstmalig taucht es 1968 im Schwinn-Katalog auf. Vorn trägt es ein kleines 16-Zoll-Rad mit Trommelbremse, hinten den normalen 20-Zöller allerdings mit glatter Slick-Bereifung. Dazu eine lang ausgeführte Springergabel, die weit nach vorn ragt. Außergewöhnlich auch die gefederte Sissybar, die laut Prospekt ein Full-floating-Fahrerlebnis schafft. Unter Namen wie Orange Krate, Pea Picker und Lemon Peeler sollte es zu einem großen Erfolg werden. Ausgelöst wurde der Trend zu lässigen Cruiserbikes durch den Kultfilm und das Roadmovie Easy Rider von 1969 mit Dennis Hopper und Peter Fonda. Der lange Shifter auf dem Oberrohr dagegen erinnert eher an Musclecars. Die Krates waren bis 1973 im Schwinn-Programm. Der Anfangspreis liegt im Erscheinungsjahr bei 87 Dollar, am Ende kostet das Fünf-Gang-Krate 120 Dollar.


1972 ergänzt ein Manta-Ray das Schwinn-Modellprogramm. Die größeren 24-Zoll-Räder und die Kettenschaltung sollen vor allem ältere Jugendliche ansprechen. Der Verkaufshit bleibt aber das Krate.

Mit dem kleinen 16-Zoll-Vorderrad ist das serienmäßig gebaute Krate ein Extrem. Den amerikanischen Fahrradbastlern ist das noch nicht genug. Noch kleinere Vorderräder, statt normaler Pedale stylische Sohlen aus Metall und ein Autopneu im Hinterbau kommen in Mode. So beobachtet der deutsche Fahrradjournalist Christian Christophe 1971 bei einer Recherche in Amerika folgendes Phänomen: »In Vorstädten und Parks werden die Lenker noch steiler, die Bananensättel noch höher getragen, und das Vorderrad von 14 Zoll wird durch ein solches aus zehn Zoll ersetzt. Sonst ist man nicht in. Das steuert sich viel schwerer, denn der Nachlauf ist negativ und darum ist’s gefährlich … Dass dieses auch der Witz und die Kunst des So-Fahrens ist, würde ihnen jeder Sprecher der Jugend antworten.«

Für den Radmarkt ist das alles zu viel. Die extremen Umbauten in den USA kommentiert er mit deutlichem Kopfschütteln: »Nun ja, für Menschen ohne lange Haare ist die Welt wohl nicht mehr zu verstehen«, moralisiert das Branchen-Fachorgan in seiner Ausgabe 6 von 1971. Denn die Mode mit der Mischbereifung schwappt auch nach Europa. In Italien versucht die legendäre Rennradmarke Gios mit ihrem Easy Rider Aufmerksamkeit zu erregen. Wie das Krate trägt es in der langen Federgabel ein kleines 16-Zoll-Rad und imitiert den Chopper-Look. Die Fahrradfabrik Schauff traut sich an einen ähnlichen Entwurf, kommt aber über einen Messeprototyp nie hinaus. Anders die Heidemann Werke Einbeck (HWE), die eine erfolgreiche Krate-Kopie ins Programm nehmen und auch unter dem Label Triumph verkaufen. Die Kaufhausmarke Mars bietet ebenfalls einen 16/20-Zoll-High-Riser an. Durchsetzen können sich diese Chopper-Bikes in Deutschland nicht. Ob’s am konservativen Radmarkt liegt? Denn der empfiehlt: »Der gewissenhafte Fachhandel sollte sich an verkehrsgerechte Normen halten und konstruktive Auswüchse nicht weiter unterstützen.«

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