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1968 bringt Schwinn das Krate mit markanter Mischbereifung. Die lange Springergabel und der ebenfalls gefederte Bananensattel sorgen für ein Full-floating-Fahrerlebnis – und füllen die Schwinn-Kasse. Sie sind deutlich teurer als die normalen Stingrays.

Das Swingbike

Die Stingray-Historie wäre nicht komplett ohne das Swingbike. Diese kuriose Konstruktion ist quasi eine Sonderform des Schwinn-Bestsellers, hat aber nichts mit der Fahrradfabrik in Chicago zu tun. Genau genommen ist es ein Trickfahrrad, das direkt aus der Zirkuswelt stammen könnte. Wie ein Krate ist es mit Mischbereifung bestückt: vorn ein 16 Zöller oder gar nur ein Zehn-Zöller, hinten das reguläre 20-Zoll-Laufrad. Nicht nur das Vorderrad ist lenkbar, sondern auch das Hinterrad. Es lässt sich über einen Drehpunkt des Sitzrohres mit den Füßen über die Pedale nach links oder rechts steuern. Ein Unterrohr gibt es nicht, dafür zwei vertikal verlaufende Oberrohre, um dem Rahmen Stabilität zu geben. Im Prinzip gleicht die Hinterradschwinge der Vorderradgabel - das Ganze ist ein fragiles Gebilde, das etliche erstaunliche Tricks wie das Fahren mit parallel versetzten Rädern, Kreise auf engstem Raum, Wheelies oder Rückwärtsfahren ermöglicht. »Mit dem Swingbike lassen sich verrückte Manöver erfinden, die jeden Zuschauer verblüffen«, heißt es in der Verkaufsbroschüre.

Das erste Swingbike wird von Ralph Belden Ende der 60er-Jahre in Cascade Locks, Oregon, gebaut - und zwar überwiegend aus den Teilen eines Stingrays. Die Modellverwandtschaft ist also eng. Erst 1974 wird ein Patent erteilt, und die Produktion beginnt im Jahr darauf in Taiwan. Der Vertrieb erfolgt weltweit. Zunächst ist das Swingbike wie das Stingray eine typisch kalifornische Modeerscheinung. Der Firmensitz liegt im kalifornischen Santa Barbara. Doch bald zieht das Unternehmen in die Stadt Logan in Utah. Populär wird das Swingbike nicht durch klassische Werbung, sondern dadurch, dass es regelmäßig live in der TV-Show von Donny und Marie Osmond zu sehen ist. Der Verkaufspreis liegt bei Erscheinen knapp unter 100 Dollar, und es wird bis etwa 1978 produziert. Spätestens dann werden die Sicherheitsbedenken so laut, dass Eltern ihren Kindern nur ungern das verrückte Ding unter den Weihnachtsbaum stellen. 1983 endet der Markenschutz. Erstaunlich oft werden Swingbikes noch viele Jahre lang als New-Old-Stock-(NOS-) Ware im Originalkarton verkauft. Der Grund dafür ist einfach: Swingbikes gehen in der Regel als Kommissionsprodukt an die Händler und Warenhäuser. Als die Firma nicht mehr existiert, bleiben die Räder, die eigentlich dem Hersteller gehören, im Handel. 2004 versucht der ehemalige Swingbike-Verkaufsmanager Richard Willits ein Comeback des Fahrrads, beendet das Experiment aber bereits ein gutes Jahr später. Es dürfte der letzte Versuch in den USA gewesen sein, einen High-Riser dauerhaft nochmals im Markt zu etablieren.


Das Swingbike geht zurück auf einem Entwurf Mitte der 60er-Jahre. Erst 1974 geht es in Serie. Dank lenkbarem Hinterrad ist es für spektakuläre Tricks geeignet.


Totgesagte leben länger. Obwohl nur in der Zeit von 1963 bis 1982 offiziell produziert und im Schwinn-Programm präsent, feiert das Stingray regelmäßig seine Wiederauferstehung. So gab es parallel zur sehr Netflixe-Serie Stranger Things 2018 ein Sondermodell, das dem des Serienhelden Mike Wheeler gleicht: hoher Lenker, Bananensattel, Springergabel. Das TV-Drama spielt in den 80er-Jahren; die jugendlichen Protagonisten sind auf High-Risern unterwegs. »Die Bikes sind in Stranger Things fast zu eigenen Charakteren geworden«, schwärmt Schwinn-Marketing-Chefin Milissa Rick. »Die Räder sind nicht im Handel oder Internet zu kaufen.« Wie in den 80ern funktioniert die Bestellung nur über eine eigens eingerichtete Telefonnummer: 1-800-SCHWINN. 500 von den Mike-Bikes waren im Nu ausverkauft. Stückpreis: 79,99 Dollar. Noch immer löst der High-Riser Begehrlichkeiten aus und spült der Firma viel Geld in die Kassen.

Kein Wunder also, dass Schwinn kurz darauf auch das legendäre Apple Krate wiederbelebt. Ebenfalls limitiert auf 500 Exemplare, wird es ausschließlich über Amazon zum Stückpreis von 500 Dollar angeboten. Auch hier ist das Sondermodell innerhalb kurzer Zeit ausverkauft. Der Unterschied zu den Versionen aus den 70ern ist nicht erkennbar. Allerdings: Puristen mäkeln an der Qualität und kritisieren, dass die meisten Teile nicht mehr in den USA produziert werden. Auch eine Schaltung mit dem coolen Shifter gibt es nicht.

Aktive Sammlerszene

Nicht nur in den USA hat sich eine lebendige Sammlerszene rund um Stingray-Fahrräder entwickelt. Auf Auktionen und Internetplattformen werden für gut erhaltene Originale 3.000 Dollar und mehr aufgerufen. Auch bei den Teilen sieht es nicht anders aus: 600 Dollar für ein Hinterrad, knapp 400 für den Ketten- schutz und 200 für Schutzbleche. Kein Zweifel: In der Vintageszene Amerikas sind High-Riser ein Spekulationsobjekt. Und wenn sich viele Leute um Erhalt und Restaurierung der kultigen Fahrräder kümmern, ist ihnen ein langes Leben gewiss. Long live the Stingray.


2018 verkauft Amazon exklusiv ein rotes Apple Krate. Das auf 500 Stück limitierte Sondermodell kostet 500 Dollar und ist ruckzuck vergriffen.

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