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Zwischen Gegenwart und Vergangenheit

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Eine knarrende schwere Eichentüre ist die Pforte in eine längst vergessene Welt

Der Glanz vergangener Tage matt, wie die stummen Spiegel an der Wand

Goethes Erben; Die Tür in die Vergangenheit (1992)

Alexander war seinem Vater dankbar dafür, dass er ihn zu einem aufrechten Wissenschaftler erzogen hatte, der mit dem, was er tat, gut leben konnte. Allerdings machte es ihm sein Nachname und damit der Ruf seines Vaters in den Anfangsjahren seiner wissenschaftlichen Laufbahn schwer. Dessen Forschungsgebiet hatte erst Richard zu einem Außenseiter gemacht und dies wurde auf Alexander automatisch übertragen. Lange Zeit wurde er nicht geachtet und respektiert. Nur wenige wollten ihn ernst nehmen.

In diesem Zusammenhang erinnerte sich Alexander an einen Zwischenfall in seinem ersten Studienjahr in Berlin. Er saß mit 12 weiteren Kommilitonen in einem intensiven Seminar über verschiedene destruktive Kulte. Diese findet man recht häufig bei uralten Stämmen in entlegenen Gegenden unserer Erde. Dort, wo nur wenig Kontakt zur Außenwelt besteht, wo die Errungenschaften (Errungenschaften?) der modernen Zivilisation noch nicht Einzug gehalten haben, da gedeihen oft sehr seltsam anmutende Religionen. Wenn sich Alexander recht erinnerte, war dies sogar seine erste Begegnung mit Macumba. Bis zu diesem Zeitpunkt hatte er nicht einmal gewusst, dass diese Religion überhaupt existierte.

Sein Vater und er hatten ein äußerst enges Verhältnis, man konnte es auch symbiotisch nennen. Dies war dem Umstand geschuldet, dass seine Mutter, an die er sich nur wenig erinnern konnte, sehr jung bei einem tragischen Unfall ums Leben kam.

Seine Mutter.... Tief in seine Gedanken versunken blieb Alexander stehen, mitten auf der Schönhauser Allee. Er war gerade dabei, die Straßenseite zu wechseln und befand sich nun in der Mitte der Straße, genau unter dem Viadukt der Hochbahn. Dort konnte man mit kleinen Unterbrechungen von der Eberswalder Straße bis hinauf zur Bornholmer Straße laufen. Dies hatte er schon immer gern gemacht. Es war für ihn eine Art Meditation, das Viadukt der U2 zu betrachten; er glaubte, jede einzelne Niete der riesigen Stahlträger zu kennen.

Über ihn donnerte ein Zug der U2 in Richtung Pankow hinweg. Aber in seinem Denken war er viele Jahre zurückgereist und erlebte seine Mutter leibhaftig vor sich.

Er blieb einfach wie angewurzelt stehen. Alexander bemerkte nicht einmal den genervten Gesichtsausdruck anderer Passanten. Diese nahmen ihn nur als Hindernis wahr, welches sie umkurven mussten. Das kostete nur zusätzliche Zeit und Energie. Zwei Dinge, welche die Einwohner der Hauptstadt nicht zu haben schienen. Aber niemand von ihnen ließ sich durch dieses menschliche Hindernis aufhalten. Wie ein endloser Strom schlängelte sich die Masse Menschheit um ihn herum, ihn einschließend und doch gleichzeitig absondernd. Nur hin und wieder ließ eines dieser kleinen Moleküle im großen Ozean Mensch ein abschätziges Wort fallen, meist begann dieses mit A und hörte mit Loch auf. Berliner können wirklich sehr sehr herzlich sein.

Aber Alexander kümmerte dies nicht und er bekam es auch gar nicht mit. Er war ganz und gar gefangen in einer anderen Zeit. Eine Zeit, welche offenbar schon so lange abgelaufen war und doch für ihn gerade präsenter war als die Gegenwart.

Alexander hatte seine Mutter verloren, als er 8 Jahre alt war. Natürlich war es ein traumatisches Erlebnis für ihn.

Es war ein sehr seltsamer Erziehungsstil, wie er im Nachhinein empfand. Aber es war der beste Stil, wie seine Eltern ihre eigenen Forschungen verwirklichen konnten und gleichzeitig seine Erziehung und ihn als Menschen nicht an den Rand drängen mussten.

Seine Mutter, Inge Schlater, war eine sehr intelligente und wissbegierige junge Frau von 20 Jahren gewesen, als sie seinen Vater Richard Perlmann, unwesentlich älter, kennen lernte. Sie beschäftigte sich mit Literatur, besonders das Werk von H.P. Lovecraft hatte es ihr angetan. Die Abgründe der menschlichen Seele, welche sich in vielen der Werke von ihm darstellten, faszinierten sie sehr. Sie mochte auch seinen Schreibstil mit den langen Schachtelsätzen.

In Berlin fand damals ein Seminar statt zum Thema Totenerweckung in der Literatur; am Beispiel der Werke von Lovecraft. Und da Richard zum damaligen Zeitpunkt begonnen hatte, sich mit dem Thema Nekromantie auseinanderzusetzen, war er ebenfalls bei dieser Veranstaltung zugegen.

Die Veranstaltung soll sehr anregend gewesen sein, so hatte es ihm Richard einmal erzählt, als Alexander selbst schon erwachsen war und studierte. Es gab eine große Kontroverse darüber, auf welche realen Ereignisse sich Lovecraft in seinen Geschichten bezog. Richard selbst vertrat vehement die These, dass dieser Mann weniger Schriftsteller als Forscher gewesen wäre und wohl eigene Experimente oder Augenzeugenberichte verlässlicher Menschen dokumentiert und etwas aufbereitet hatte. Inge hatte dieses ganze Thema bisher nur aus literarischer Sicht betrachtet. Sie hätte es nie für möglich gehalten, dass man diese Fragestellung aus einem solchen Blickwinkel betrachten konnte. Außerdem war sie fasziniert, mit welcher Konsequenz der junge Mann seine Meinung vertrat. Keiner der anderen Teilnehmer vertrat ähnliche Ansichten und er wurde eher gemieden als akzeptiert. Aber dies schien Richard nichts auszumachen. Das imponierte Inge heftig. Es war ja auch nicht so, dass er keine Argumente für seine Thesen vorgebracht hätte. Aber niemand wollte auf ihn hören.

Nach dem Termin kamen die beiden ins Gespräch. Beide fingen an, ihre Beharrlichkeit im jeweiligen Fachgebiet zu bewundern. Aus der gegenseitigen Bewunderung wurde im Lauf der Zeit Liebe.

Und aus dieser Liebe heraus entstand Alexander. Beide Eltern hatten eine Vereinbarung getroffen. Natürlich musste Inge nach der Entbindung eine ganze Weile zu Hause bleiben. Aber schnell fing sie wieder an, sich in ihre Forschungen zu stürzen. Anfangs machte sie so viel wie möglich von zu Hause aus. Richard war derjenige, der sich auf Reisen begab. Oft arbeiteten beide sogar Hand in Hand, denn er forschte, um Geld zu bekommen, viel im Bereich Lovecraft und seiner Inspirationen. Dieses Gebiet interessierte natürlich auch Inge stark und manchmal konnte sie ihm sogar Kontakte vermitteln, an die Richard bei seiner Reputation nie herangekommen wäre.

Später, als er sich immer mehr spezialisierte auf das Thema Nekromantie, trennten sich ihre Wege im Bereich der Forschung. Es war aber jeweils nur einer der beiden unterwegs auf Forschungsreisen. Das gemeinsame Kind sollte nicht unter ihren Forschungen und ihrer wissenschaftlichen Arbeit leiden. Sie wollten die Betreuung und Erziehung nicht in die Hände von fremden Menschen legen. Und keiner von beiden sollte auf seine wissenschaftliche Arbeit verzichten. Dafür waren beide viel zu sehr Workaholics und ein Großteil ihres Lebens wurde einfach bestimmt von ihrer Leidenschaft für die Arbeit.

So erfuhr Alexander immer die Liebe seiner Eltern und genoss ihre Zuneigung, auch wenn meist nur ein Elternteil bei ihm zu Hause war. Dies empfand er allerdings nie als Mangel. Beide pflanzten in ihm den Samen der Neugierde und der Wissbegierde. Aber beide hatten natürlich verschiedene Herangehensweisen. Je nachdem, wer gerade zu Hause war, setzte sich eher die gründlich-analytisch-vorbereitende Art der Mutter durch oder das vorwärts stürmende, jedes Hindernis durchbrechende Vorpreschen von Richard.

Als Alexander 8 Jahre alt war, es war im Sommer, da war gerade seine Mutter wieder einmal unterwegs, um ihre Forschungen nicht nur zu Hause, sondern an realen Objekten zu betreiben. Sie war in die USA geflogen, in die Nähe des ehemaligen Wohnortes von Lovecraft. Irgendwo im Dschungel der Großstadt sollte es einen tiefen Brunnen geben, welcher stark an den in Pickmanns Modell erinnerte. Diesen wollte sie untersuchen.

Ihre Gruppe war mit allem Notwendigen ausgestattet. Am dritten Tag der Forschungsarbeiten war es an Inge, in den Brunnen hinab zu steigen.

Nun, von ihren Forschungskollegen war später nicht mehr sehr viel zu hören. Richard hatte seinem Sohn 10 Jahre später erklärt, dass er glaube, keiner von ihnen würde mehr leben. Bei der polizeilichen Vernehmung machten diese jedenfalls sinngemäß folgende Aussagen:

Wir ließen Inge an einem langen Seil in den Brunnen hinab. Wir hielten das Ganze für ziemlich sicher, denn wir hatten ihn schon an den zwei Tagen davor untersucht und nie war es zu irgendwelchen Zwischenfällen gekommen. Der Brunnen war seit langer Zeit trocken. Kein bisschen Flüssigkeit war an seinem Boden mehr zu sehen und auch der Geruch sagte eindeutig, dass der letzte Rest Wasser hier schon vor ewiger Zeit verflogen sein musste. Am Grunde des Brunnens gingen einige Gänge in verschiedene Richtungen ab und man erkannte gemauerte Ruinenreste. Diese konnten wir uns nicht erklären, denn laut historischer Dokumente hätte es diese an der Stelle überhaupt nicht geben dürfen. Sonst fand sich keine Besonderheit in den Gängen, aber wegen dieser Reste entschlossen wir uns, Inge noch einmal in den Brunnen hinab zu lassen.

Wir standen mit Funkgeräten in Kontakt, auch wenn die Kommunikation in diesen Schächten nicht einfach war. Sie mag etwa eine halbe Stunde da unten gewesen sein, als sie durch das Rauschen zu vernehmen war: Na dies ist ja hier eine seltsame Sache. Da sind Risse in den Ruinenresten. Aber sie scheinen fast künstlichen Ursprungs zu sein. Das muss ich mir einmal näher ansehen.

Danach war kurze Zeit Ruhe, bevor auf einmal schreckliche Schreie zu uns nach oben drangen. Dazu war das Funkgerät auch gar nicht nötig, diese Schreie hätten wir durch alle Mauern der Welt gehört. Es war in ihnen Todeskampf, Qual, Leid und unendlicher Schmerz zu hören. So schnell wir konnten, zogen wir an der Leine. Der Widerstand am anderen Ende war wesentlich größer als es durch nur eine Person erklärbar gewesen wäre. Aber wir kümmerten uns nicht darum, sondern zogen einfach aus Leibeskräften. Wir waren voller Panik, Verzweiflung und Angst. Schließlich, nach einer gefühlten Ewigkeit, hatten wir Inge aus dem Brunnen heraus gezogen.

Sie war bleich und ihr Gesicht war über und über mit Blut verschmiert. Dies sah zwar gefährlich aus, aber da war etwas, was wesentlich schlimmer war. Da war etwas, was uns vor Angst erstarren ließ. Das war ihr Gesichtsausdruck. Sie hatte die Augen weit aufgerissen und schaute durch uns hindurch. Was sie sah, wissen wir nicht, aber es muss das furchtbarste Grauen gewesen sein, was es im Leben nur geben kann. Ihre Haare standen wirr nach allen Seiten vom Kopf ab. Ihre Kleidung hing nur noch an Fetzen von ihr herab. Sie sah aus, als ob sie auf einen Schlag um den Verstand gekommen wäre. Speichelfäden rannen ihr am Mundwinkel herunter, ihre Hände griffen fahrig wild in der Luft herum. Sie schaffte es nicht mehr, einen einzigen zusammenhängenden Satz herauszubringen. Wir wollten Inge festhalten, aber es war uns unmöglich. Immer wieder entwand sie sich unserem Griff, schlug um sich und brabbelte Silben vor sich hin. Es waren Worte, die für uns einfach keinen Sinn ergaben.

Die Polizisten hakten an dieser Stelle immer wieder nach, denn dies war für sie die einzige Chance herauszufinden, was unten im Brunnen wirklich geschehen sein mochte. Letztlich hatten die Forscher in verschiedenen Räumen gesessen und zu Protokoll gegeben, was sie genau vernommen hatten. Gleich war bei allen, dass sie von der Zahl 12 berichteten. Diese Zahl hatte sie schon genannt, als sie aus dem Brunnen herausgezogen war. In immer schnellerem Tempo und mit steigender Lautstärke rief sie diese Zahl. Dazwischen kam immer wieder das Wort Tentakel vor.

Und eine ganze Reihe von Worten, welche Inge in diesem Zusammenhang benutzt hatte.

Dies ergab aber überhaupt keinen Sinn für die Forscher und für die Polizisten erst recht nicht. Sie konnten sich nur darauf einigen, dass es gefährlich klang. Nicht nur das, es klang böse und gefährlich. Da die Laute und Silben in unseren Sprachen gar nicht wiederzugeben waren, klangen sie bei den Forschern etwas unterschiedlich. Am ehesten entsprach ihnen folgende Lautschrift:

Krath a`lyktm chruktra lyah querff lártyrhh cherith ia

Für die Forscher klang es wie ein finsterer Fluch, für die Polizisten einfach nur beängstigend.

Viel mehr hatte sie nicht gesagt. Kurz nach diesen Worten verdrehte Inge ihre Augen, blickte auf gen Himmel und verschied.

Danach riefen die geschockten Kollegen die Feuerwehr und die Polizei und der ganze Vorfall nahm seinen bürokratischen Lauf. Inge wurde natürlich obduziert. Was die Ärzte dort sahen, konnten sie nicht erklären. Organisch war Inge kerngesund, eine junge Frau im Vollbesitz all ihrer Kräfte. Aber es fand sich eine Merkwürdigkeit in ihrem Blut. Mit dem war eine seltsame Veränderung vorgegangen. Es hatten sich weder die Farbe noch seine chemische Zusammensetzung geändert. Aber es schlug unter dem Mikroskop Blasen. Winzige kleine Blasen stiegen auf, um gleich darauf zu platzen und wieder zurückzufallen. Es gab keine erkennbare Ursache dafür und es gab keine Begründung, welche die Ärzte dafür anführen konnten.

So blieb den Ärzten nur, Inge einfach für tot zu erklären.

Ich bin mir ganz sicher, dass das Blut von Inge heute noch gut verschlossen in Laboren von Geheimdiensten und anderen, noch geheimeren Organisationen liegt und regelmäßig untersucht wird. Vielleicht kann man ja damit eine Waffe herstellen. In dieser Geschichte jedoch taucht es nicht mehr auf. Genau so wenig tauchte der Leichnam wieder auf.

Zwar durfte Richard ihn offiziell abholen und auch beerdigen, aber in Wahrheit ist er betrogen worden. Der gesamte Körper seiner Frau ruht in einem Kryo-Tank, mitten im dunklen Herzen der USA und irgendwann, irgendwann wird er wieder untersucht werden. Seid Euch dessen sicher. Dies ist nicht der erste Fall und wird nicht der letzte sein. Selbst in Deutschland in den Katakomben des Bundeswehrkrankenhauses sollen einige Tanks stehen. Dort liegen in flüssigem Sauerstoff tiefgekühlt einige Leichen. Mit den Menschen wurden militärisch-medizinische Versuche durchgeführt. Und nun wartet man auf die richtige Technik, die Leichen wieder zum Leben zu erwecken. Vielleicht können sie der militärischen Forschung noch wertvolle Hinweise liefern.

Das war es, was Alexander erfahren hatte über das Leben seiner Mutter und ihr Ende. Seit dieser Zeit war das Verhältnis zu seinem Vater noch intensiver geworden. Und nun saß er hier in diesem Seminar und Alexander hatte intensiv gelauscht und seine Schlüsse gezogen. Eine seltsame Religion, so weit entfernt von seinen Vorstellungen und doch auch sehr faszinierend ob ihrer Exotik.

Im Laufe des Seminars war selbstverständlich die Sprache auch auf Nekromantie gekommen. Die Totenerweckung und Kommunikation mit Toten ist ein integraler Bestandteil von Macumba.

Viele der Kommilitonen hielten Totenerweckung für pure Phantasie und taten alles als Humbug ab. Sie verbannten sie quasi ins Reich der Fabeln und der Phantasie.

Andere wiederum konnten sich durchaus vorstellen, dass man irgendwie Kontakt aufnehmen könne zu den Seelen der Verstorbenen. Dann wurde intensiv darüber diskutiert, wer in der Geschichte der Wissenschaft schon versucht hatte, Tote zum Leben zu erwecken.

Dabei fiel automatisch der Name Richard Perlmann, denn im deutschsprachigen Raum war er der einzige Wissenschaftler, der sich ernsthaft mit diesem Thema auseinandersetzte und auch praktisch erforschte.

Zu ihm war die Meinung der Studenten sehr einhellig. Sie bezeichneten seinen Vater als Spinner und Phantasten. Sie bewunderten wohl seine Intelligenz und seinen Forscherdrang. Allerdings hatten sie offenbar die Lehrmeinung der Fachwelt über Richard eingesogen und diese nur halbverdaut hier wiedergegeben.

Wie kann man nur sich mit solch abartigen Themen auseinandersetzen? Wie kann man sich als einzelner Wissenschaftler nur so über die allgemeine wissenschaftliche Lehrmeinung hinwegsetzen? Wie kann man seine Intelligenz verschwenden auf ein solch widerwärtiges Thema, mit dem man sich zum Gespött macht? Wie kann man nur in einer solchen wissenschaftlichen Sackgasse enden?

Dies war der Tenor der vorgetragenen Meinungen. Alexander hatte gar keine andere Möglichkeit als aufzustehen und für seinen Vater zu sprechen:

„Ihr seid also der Meinung, mein Vater, Richard Perlmann (hier die ersten dummen Gesichter, denn sie hatten nicht gewusst, dass dies sein Vater war) wäre nur ein Spinner, der seine Zeit und seine Intelligenz vergeudet auf der Suche nach einer Sache, die völlig unvorstellbar ist und innerhalb der Naturgesetze nicht existieren kann? Sicher, innerhalb unserer Naturgesetze mögen Totenerweckungen unmöglich sein. Aber wie kann man so engstirnig sein wie ihr? Glaubt Ihr etwa wirklich, dass diese Gesetze endgültig sind? Es gibt so viele Möglichkeiten, nein, Wahrscheinlichkeiten, welche diese Gesetze außer Kraft setzen. Diese Naturgesetze sind doch nicht allgemein gültig. Nein, sie gelten ja doch nur unter bestimmten Bedingungen. Dies lernt man schon an der Realschule im Physikunterricht.

Und ihr mögt Recht haben damit, dass mein Vater kein einfacher und bequemer Mensch ist. Aber solche Leute bringen die Welt auch nicht voran. Es sind die Querdenker, es sind die Querulanten, es sind die, welche die ausgetretenen Pfade verlassen, die uns und die Menschheit voranbringen. Hätten wir nie die bekannten Wege verlassen, dann würden wir noch immer in Höhlen wohnen und hätten uns nicht weit weg von unseren tierischen Verwandten entfernt.

Es ist mir verständlich, dass ihr seine Leidenschaft nicht teilt. Ich begreife, dass sein Weg nicht der Eure sein kann. Aber ich begreife nicht, wie ihr so über ihn urteilen könnt, ohne ihn zu kennen. Ich vermute sogar, dass ihr keinen einzigen seiner Artikel jemals gelesen habt. Aber nein, es ist schön, wenn man jemanden hat, auf den man Spott und Häme werfen kann.

Ihr habt Recht damit, dass mein Vater nicht normal ist. Er ist aber nicht sonderbar, wie ihr denkt, sondern einfach besonders.“

Nun, seine Mitkommilitonen waren jung und unerfahren. Aber wie das in der Jugend so ist, man man beharrt auf seiner eigenen Meinung, selbst wenn sie ihnen nur aufoktroyiert wurde. Und vor allem dann nicht, wenn man in der Mehrheit war und sich damit groß und stark fühlte. Deshalb beschimpften sie nun auch Alexander. Sie nannten ihn den Sohn eines Pseudowissenschaftlers. Sein Vater suche nur die Bühne Forschung, um seine kruden Ideen in die Welt hinaus zu posaunen. Sie warfen ihm Größenwahn und Geltungsdrang vor, ohne je etwas wirklich Wertvolles für die Menschheit geleistet zu haben. Kurz und gut: Ein Wort gab das andere. Aus den Worten wurden Handgreiflichkeiten. Aus den Handgreiflichkeiten wurde eine handfeste Schlägerei.

Dies war das Ende des Seminars. Natürlich zog Alexander den Kürzeren; denn die Übermacht war erdrückend. Aber dennoch schüttelte er mehrfach den Dozenten ab, der ihn von den anderen wegziehen wollte. Er hatte sich wacker geschlagen und den Namen seines Vaters ehrenhaft verteidigt.

Zwar musste er danach ins Krankenhaus, um eine Schnittwunde am Gesicht verarzten zu lassen. Und am nächsten Tag hatte er mehr blaue Flecken am Körper, als er zählen konnte. Aber dies war es ihm wert gewesen.

Die verderbte Stadt

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