Читать книгу Einführung in die moderne Theaterwissenschaft - Jörg von Brincken - Страница 5
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I. Grundlagen
1. Einleitung
Gegenstandsbereich Theater
Theaterwissenschaft setzt sich mit der Geschichte, der Theorie und der Ästhetik von Theater sowie mit theaterverwandten und theaterähnlichen Phänomenen auseinander. Ihr zentraler Gegenstand ist nicht das Drama oder der Theatertext, sondern die Aufführung, welche sich durch die Kopräsenz von Akteuren und Publikum, durch ihren Live-Charakter und durch das Merkmal der Transitorik charakterisiert. Im Gegensatz zum einheitlichen Zeichensystem der Literatur ist das Theater außerdem durch die Heterogenität seiner künstlerischen Mittel (Wort, Körper, Stimme, Raum, Licht usw.) gekennzeichnet. Seine historische, theoretische und systematischanalytische Erfassung setzt eine breit gefächerte Perspektive voraus, wobei der Beitrag der beteiligten Einzelkünste, deren Zusammenwirken sowie die sich zwischen ihnen ergebenden Spannungen in Rechnung gestellt werden.
Anspruch
Die vorliegende Einführung in die moderne Theaterwissenschaft konzentriert sich dabei vorrangig auf den Bereich des Schauspiels, auf die Theorien zur theatralen Darstellungs- und Wirkungsästhetik sowie auf die historischen Grundlagen der Theaterpraxis und -ästhetik. Dadurch soll den Bedürfnissen eines vorwiegend literaturwissenschaftlich orientierten Leserkreises Rechnung getragen werden. In den theaterhistorischen Kapiteln liegt der Schwerpunkt statt auf einer dominant dramengeschichtlichen Betrachtungsweise sowohl auf den gesellschaftlichen Aspekten von Theater als auch auf der Relevanz nicht-literarischer bzw. performativ geprägter Theaterformen (z.B. komische Spielpraxis, Avantgardetheater). So sollen auch die von der Literaturwissenschaft nur peripher berücksichtigten Wechselwirkungen zwischen dem dramatischen Text, den Eigengesetzlichkeiten der Theaterästhetik und den institutionellen Bedingungen der Theaterkultur aufgedeckt werden. Die Wiederkehr bestimmter Begriffe und Sachverhalte in unterschiedlichen Kapiteln dient dabei der Verortung des jeweiligen Phänomens in einem komplexen Geflecht von historischen, ästhetischen und wissenschaftlichen Bezügen. Weiterhin soll den Lesern das analytische Handwerkszeug für den wissenschaftlichen Umgang mit Theater bzw. mit der Aufführung als einem von der dramatischen Vorlage nur bedingt abhängigen oder gegebenenfalls völlig emanzipierten Phänomen vermittelt werden. Gerade die Aufführungsanalyse bedarf als zentraler Gegenstand der Theaterwissenschaft eines mehrdimensionalen methodischen Zugriffs. Die mit der Plurimedialität des Theaters einhergehende Problematik der analytischen Erfassung wird diskutiert und schließlich anhand von ausgewählten Analysebeispielen verdeutlicht.